Mit Milch und Zucker

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Seine dunkelblaue Arbeitskleidung war das letzte was Sansa sah bevor er sich wieder an seine Arbeit machte. Sie saß noch eine Weile so. Kopf zwischen die Beine. Ihr weißes Shirt hatte schon Flecken von ihrer Wimperntusche bekommen. Mit hängendem Kopf machte sich Sansa wieder auf, den eine Pause war eigentlich viel kürzer. Wie in Zeitlupe streiften ihre Mitmenschen sie. Viele bunte Farben auf dem großen Platz. Kinder die schrieen, Senioren die lachten, Teenies die heimlich Potsdamer tranken. Als plötzlich ihre Schwester auf sie zugestürmt kam. "Sans? Hast du unsere Kasse gesehen? Wir haben das komplette Zelt abgesucht, weil ich meinen Fünfziger wechseln wollte." Das fehlte ihr noch. Sie ging mit ihr, und fasste schon unter den Tisch als sie auf einmal etwas merkwürdiges vorfand: nämlich nichts! Es muss doch hier sein. Sie ging in die Hocke und schaute in alle Kartons. Vielleicht war die Kasse hinter einen gefallen. Ach da ist sie doch. Wäre ja auch echt der ungünstigste Moment überhaupt, fast schon wie in einem Film. Als sie trotzdem vorsichtshalber das Schloss öffnen wollte konnte sie es nicht fassen. Es war aufgebrochen! Sie stellte die schwere Metallbox auf den Tisch, sodass alle Tassen wackelten. Alles war weg. Alles! Sogar das Falschgeld, dass Ari immer zum Spaß reintat. "Verflucht." Ihre Schwester und auch Bran, der hinzugekommen war, traten näher an die Verzweifelte heran. "Alles in Ordnung Sans, warum machst du so Stress?" Als beide die gähnende Leere erfassten fiel ihn die Kinnlade herunter. Alles war fort. Sogar die bunten Spielscheine von Arya. "Sansa wie konnte das passieren? Du warst doch die ganze Zeit hier, hast du nichts gesehen?" Sie hatte wirklich nichts gesehen. Rein gar nichts. Wieso musste ihr das passieren? Sie hatte das Gefühl, als sei die Welt komplett gegen sie. Wispernd erklärte sich Sansa, von Ramsay und Joffrey und der vergeudeten Zeit. Eine ganze Weile hörte man nichts von den Starkkindern. Der Rummel um sie verschwand allerdings nicht und während Bran die neuen Kunden bediente versuchten die älteren Schwestern eine Lösung zu finden. Die Jüngere war nicht sauer, nur besorgt, und ließ dies ziemlich ungünstig verlauten: "Toll. Hättest du dir keinen anderen Moment für einen Typen aussuchen können?!" Sie war kurz vor einem weiteren Zusammenbruch, als sie ihre warmen Umarmungen wahrnahm. Bran, Arya und sogar Rickon waren zur Stelle und drückten sie fest. "Es ist nicht deine Schuld, da hat uns jemand ganz böse eins Auswischen sollen. Ich habe nachgerechnet, es waren zum Glück nur die Einnahmen von heute drinnen, so könnte man, wenn wir es schaffen, diesen Defizit wieder ausgleichen, aber es gibt keine freie Zeit und jeder muss sich besonders anstrengen. Wir schicken drei von uns mit CoffeetoGo los und einer bleibt hier. Wenn ihr nichts dagegen hättet würde ich hier bleiben. Rickon richtet sich an die Väter und Mütter gleichaltriger Kinder, Arya übernimmt die Rentner und du Sansa lässt deinen Charm spielen bei Teenagern und Männern. Es ist vielleicht kein schöner Schachzug, aber jeder verkaufter Kaffee bringt uns näher zum Erhalt des Familienunternehmens." Bran war etliches jünger als Sansa, und doch sprach er wie ein Erwachsener. "Für die Familie?" Alle Geschwister legten ihre Hände übereinander.
"Für die Familie!"

"Dankeschön. Aber nächstes Mal nicht so frech, ha!" Urgh. Ältere Singles wurden immer gleich anrüchig, wenn sie mit ihr Sprachen, aber immerhin zahlten sie auch ordentlich Trinkgeld. Zwei- oder dreimal sah sie auch ihre Geschwister über den Platz flitzen mit einem köstlich duftenden Tablet voller heißer Getränke. Es war schon später Nachmittag und dem Mädchen taten die Füße höllisch weh, viele Runden hatte sie schon gedreht und mehr oder weniger Erfolg gehabt. "Meine Schöne, also bin ich nicht euer Lieblingsgast ? Welch eine Schande." Das charmante Schmunzeln gehörte keinem anderen als Petyr Baelish. "Ach Mister Baelish ich bin wirklich froh eine gute Seele zu treffen, aber heute muss ich besonders hinterher sein." Er legte seine raue Männerhand auf ihre Schulter und strich mit seinem Daumen kaum merklich über ihr Schlüsselbein. "Ich bin keine gute Seele, Sweetling. Du siehst aus als könntest du einen guten Kaffee gebrauchen. Ich geb einen aus." Die beiden setzten sich an den Fuß von Sansas Lieblingseiche. "Was zermürbt dein sanftes Gemüt? Das mit dem Boltonjunge hoffentlich nicht. Er war doch sowieso ein Ekel. Und eigentlich weißt du, dass es nur verletzter Stolz war, nicht Herzschmerz. Was könnte meiner Lieblingskellnerin sonst die Stimmung verderben?" Nach einem kräftigen Schluck realisierte Sansa erst das Gesagte, auf der einen Seite hatte er vielleicht recht, aber er dürfte so etwas eigentlich nicht wissen geschweige aussprechen. Im Moment wollte sie einfach Frieden und kümmerte sich nicht weiter drum. "Wissen sie, es ist einfach, entschuldigen sie meine Ausdrucksweise, zum kotzen. Jemand hat unser Erspartes gestohlen und wir müssen an die Lannisters bald unsere Miete zahlen und ach es ist alles meine Schuld, ich hab die Kasse vergessen und allein gelassen..." Petyrs Gesicht verriet nicht im geringsten, worüber er sich Gedanken machte. "Wie viel? Wie viel brauchst du?" "Vielleicht 300 bis 400 Euro... und jetzt hab ich gerade einmal 60 zusammen." Er zückte sein braunes Lederportemonnaie und steckte ihr das Geld zu: "Hier. Nein sag nichts, wir sind doch jetzt sowas wie Freunde, und da hilft man sich doch. Und nun nimm dir den Rest des Tages frei und genieße dein Leben. Du schönes Mädchen bist zu jung um dir eigentlich um solche Sachen Gedanken zu machen." Sansa sagte einfach gar nichts. Er konnte doch nicht einfach, doch, aber... "Ich zahl es so schnell wie möglich zurück versprochen!" Sein dunkler Schnurrbart schmunzelte mit seinen schmalen Lippen und er schaute weg und antwortete nur: "Wenn du unbedingt meinst du müsstest das machen um dich besser zu fühlen, in Ordnung." Es war unglaublich also gab es doch Hoffnung! Sie war überwältigt von seiner Großzügigkeit und fiel ihm um den Hals. "Vielen Dank Mister Baelish, der nächste Kaffee geht auf mich. Ach was sag ich! Bedient euch einfach!" Er löste sich aus ihrer freudigen Umarmung und ließ verlauten im Vorbeigehen:
"Petyr. Vielleicht sehen wir früher wieder, als ihr denkt. Oh, und habt ihr einmal bedacht, wem es in die Hände spielen würde, wenn ihr euer Café nicht bezahlen könntet? Wie dem auch sei: bis bald."

A Girl to GoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt