26. Dezember 2008

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Erst als Hermine Blut schmeckte, merkte sie, dass sie die letzten zehn Minuten auf ihrer Unterlippe herumgekaut hatte. Auf ihren Knien lag aufgeschlagen ein Buch und sie las den selben Satz zum fünften Mal ohne zu wissen, was da stand. Ihre Nerven waren zum reißen gespannt und ihre Augen brannten, weil sie ins Nichts starrte und vergessen hatte, zu blinzeln.

Um Draco stand es nicht besser, er tigerte im Zimmer auf und ab und sah immer wieder auf seine Armbanduhr. Wieder und wieder seufzte er, setzte sich hin und sprang sofort wieder auf, um hin und her zu gehen.

"Meine Güte, Kinder, ihr macht mich noch ganz wuschig.", meinte Jean ärgerlich und drängte Draco aufs Sofa mit einem Blick, der ihm verbat, sofort wieder aufzustehen. Dann lief sie wieder in die Küche und füllte das Essen, was sie zubereitet hatte, in Schüsseln. Hermine hatte schon dreimal gefragt, was genau sie machte, aber es jedes mal wieder vergessen.

Rain war ebenfalls nervös, was man daran merkte, dass sie kein Wort sagte und schweigend den Tisch deckte, immer wieder die Servietten zurechtzupfte und um den Tisch herumlief.

Die ganze Familie war aufgeregt, denn Narzissa würde jeden Moment auftauchen und jeder war gespannt, wie sich der Abend entwickeln würde. Schlimmer als das letzte Mal konnte es nicht werden, oder? Hermine seufzte resigniert, denn selbst wenn es halb so schlimm werden würde, wie im Manor, wäre es noch ein Desaster.

Jetzt betrat Peter den Raum und deutete an sich herunter.

"Ist das so okay?", fragte er Jean.

"Willst du keine Fliege anlegen, Liebling?", fragte seine Frau, aber er schüttelte den Kopf.

"Wir treffen nicht die Queen, sondern die Großmutter unserer Enkelin.", gab er zu bedenken, aber Draco wog den Kopf leicht hin und her, was Hermine sogar dazu brachte, kurz angespannt zu lachen.

Jean ging jetzt zu Peter herüber und zupfte an seinem Hemdkragen herum.

"Mach dich nicht verrückt, Jeanie.", beruhigte er sie und legte seine Hände auf ihre. Sie seufzte und ging dann wieder herüber in die Küche, um noch einen Rosmarinzweig als Dekoration für den Braten zu holen, der schon auf dem Tisch stand und vor sich hin duftete.

Hermines Blick huschte unruhig zwischen dem Kamin und der Wohnungstür hin und her, da sie nicht wusste, auf welchem Weg Narzissa kommen würde. Aber eigentlich konnte sie nicht einfach so in Hermines Wohnzimmer flohen, es war schließlich kein öffentlicher Kamin.

Ihre Vermutung bestätigte sich, als die Türglocke durch die Wohnung schallte. Hermine schnellte vom Sofa hoch, wobei ihr Buch, das sie komplett vergessen hatte, zu Boden fiel. Eilig schlüpfte sie in ihre Ballerinas und rannte fast zur Wohnungstür, aber Draco war schneller gewesen und stand schon im Flur, das Treppenhaus herunter starrend. Hermine saugte ein wenig an ihrer Lippe, sodass noch mehr Blut hervortrat und sich als metallisch salziger Geschmack in ihrem Mund verteilte. Sie trat neben ihn ans Geländer und sah hinunter, wo jetzt Schritte laut wurden. Unsicher griff sie nach Dracos Hand und drückte sie fest. Seine Armmuskeln waren angespannt, das konnte sie sogar durch sein Hemd sehen.

Sie lauschten auf die näherkommenden Schritte und ihre schnell schlagenden Herzen. Nahezu gleichzeitig runzelten sie die Stirn und sahen sich überrascht an, denn auf den Treppen waren definitiv mehr als zwei Füße zu hören. Sie beide beschlich eine Vermutung und sie hofften, dass sie sich nicht bestätigen würde.

Aber in diesem Moment kam Narzissa in ihr Sichtfeld und hinter ihr...

"Vater!", entfuhr es Draco mehr als unfreundlich. "Was willst du hier?"

"Frohe Weihnachten, Draco." Narzissa sah ihren Sohn streng an. Der kniff ungläubig die Augen zusammen. Mittlerweile waren die Malfoys am richtigen Treppenabsatz angekommen und standen unschlüssig im Flur, während Lucius sich mit eindeutig abwertenden Blicken umsah.

Hermine wusste, dass ihre Eltern hinter ihr in der Wohnungstür standen, noch bevor sie die Körperwärme an ihrem Rücken spürte.

"Oh, wir hatten nur mit einer Person gerechnet.", meinte Jean. Hermine erkannte die aufgesetzte Freundlichkeit, aber sie war so täuschend echt, dass die anderen es vermutlich nicht bemerkten. "Wie schön, dass Sie jetzt doch beide Zeit gefunden haben..." Zum Ende hin wurde sie immer leiser.

"Dürfen wir...hereinkommen?", fragte Narzissa etwas unsicher. Hermine nickte und wollte aus purer Höflichkeit zur Seite treten, aber Draco hielt sie fest, sodass die Wohnungstür weiterhin blockiert war.

"Keine Kommentare über Geld oder Abstammung in dieser Wohnung.", meinte er und sah seinem Vater direkt in die Augen. "Und wenn auch nur einmal der Name Black oder Malfoy fällt, betrachte dich als ausgeladen."

Hermine konnte nicht anders als erleichtert auszuatmen. Sie hätte es sicher etwas freundlicher formuliert, aber dennoch war sie froh, dass Draco das übernommen hatte. Vielleicht hatten sie so eine Chance auf ein...nun ja, friedliches wäre wahrscheinlich zu viel verlangt, aber zumindest ruhiges Weihnachtsessen.

"Ich habe deine Mutter nicht begleitet um das Gespräch von vor einigen Wochen zu wiederholen.", sprach Lucius jetzt und an seinem Tonfall hörte man deutlich, wie viel Narzissa dazu beigetragen hatte, dass er heute hier war und Hermine würde dem ganzen glatte 98% geben, obwohl sie nicht so recht wusste, woher sie die 2% freien Willen nehmen würde.

"Ich hoffe es." Draco zuckte nicht einmal mit der Wimper, bevor er zur Seite trat. Auch Hermine machte Platz, um seine Eltern in die Wohnung zu lassen. Der einzige, der die Tür noch blockierte, war Peter. Er sah Lucius in die Augen.

"Ich habe gehört, was bei dem letzten Gespräch zwischen Ihnen und Hermine vorgefallen ist.", sagte er. "Und wenn Sie meine Tochter noch ein einziges Mal anders als bei ihrem Namen nennen, werde ich dafür sorgen, dass Sie es bereuen."

Lucius' Augen weiteten sich im Spott.

"Sie sind ein Muggel.", erklärte er abfällig. Peter lächelte und die nicht vorhandene Ehrlichkeit stand der seines Gegenübers in nichts nach.

"Und das macht Ihnen kein bisschen Angst?" Kurz starrten sich die beiden Männer in die Augen, dann trat Peter zur Seite und Dracos Eltern betraten zum ersten Mal die Wohnung.

Hermine und Draco tauschten einen etwas verzweifelten Blick. Das Gespräch zwischen ihren Vätern hatte nicht dazu beigetragen, dass sich die Situation lockerte. An ein entspanntes Weihnachtsfest glaubte jetzt keiner der beiden mehr.




So, das war die kleine prophezeite Überraschung. Eigentlich war es recht vorhersehbar, aber trotzdem bin ich gespannt, was ihr dazu sagt. Ich denke, dass ich recht schnell weiterschreiben werde, weil ich genauso neugierig bin, wie das Gespräch weitergeht, wie ihr, und ich noch keine Ahnung habe, wie sich die Situation entwickelt. Also bleibt es spannend. Ich weiß allerdings nicht, inwieweit mein Zeitplan mit diesem Vorhaben mitspielt. Mal sehen.


Rain (Dramione)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt