~Der Herr von Degolond~

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Es regnete. Seit Tagen schon hörte der Himmel nicht auf zu weinen. Dies war allerdings nichts was die Bauern von Degolond davon abhalten würde auf den Feldern zu arbeiten. Im Gegenteil. Der Regen kam gerade recht den zuvor hatte es ein paar Wochen gar nicht geregnet. Die Pflanzen brauchten das Wasser und die Degolondi ebenfalls. Jedoch kamen sie etwas zur Ruhe in diesen Tagen. Es wurde zwar gearbeitet, aber nicht so lange wie gewöhnlich. Das machte den Feierabend für die Bauern und ihre Familien länger und somit erholsamer. 

Degolond war das einzige Reich in dem nur Menschen lebten. Sie waren die schwächste Rasse auf Kandabast und überzeugten weder durch Kampffertigkeiten noch durch Reichtum. Dennoch mangelte es ihnen keineswegs an Überlebenswillen und so hatten sie sich freiwillig in die Hände von Dravacon, dem König der Drachenzämer begeben. Diese friedliche Einigung hatte dafür gesorgt, dass es den Degolondi nun sehr gut ging. Sie mussten weder kämpfen, noch mussten sie darum bangen, von anderen Königreichen geplündert zu werden, da die Janguhlier sie schützten. 

Der König selbst befand sich nur selten im Königreich der Bauern. Er hatte jedoch einen Stellvertreter, nämlich seinen Onkel Vesario, und einige Truppen dort stationiert um Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Seit nunmehr vierzehn Jahren war es so und es war eine Bereicherung für beide Seiten. Vesario stand seinem Neffen in nichts nach was das Herrschen anging. Da er aber aufgrund der offiziellen Thronfolge nicht König geworden war, sprach Dravacon ihn als Geste des Respekts und der Verbundenheit diesen Posten zu. Die Bauern hatten damit kein Problem, denn ihr Regent ging oft persönlich zu den Äckern und Feldern und hatte ein offenes Ohr für die Anliegen, des von ihm verwalteten Volkes. Diese Volksnähe war es die ihn so beliebt machte. 

Jedoch gab es einen Bauern, den er weit öfter besuchte als die anderen. Eine junge Seele, die sein Interesse geweckt hatte und ihn immer wieder aufs Neue erstaunte. Es handelte sich dabei um einen jungen Burschen. Er konnte höchstens fünfzehn Jahre alt sein, doch er lebte ganz allein auf einem Hof nahe der Landesgrenze zu Yonderat. Nicht gerade das fruchtbarste Stück Land in Degolond, aber dennoch ausreichend um Landwirtschaft zu betreiben. Der Grund dafür, dass Vesario den Jungen so oft besuchte war simpel; Der Junge hatte bei einem Überfall der Yonderaten drei Jahre zuvor seine Familie verloren, weigerte sich allerdings das Angebot Vesarios anzunehmen, adoptiert und ins Schloss aufgenommen zu werden. Er bestand darauf den Hof seiner Familie weiter zu bewirtschaften und dort zu leben. Da das Schicksal des Jungen, seinem Herrn jedoch nicht aus dem Kopf ging, stimmte er seinem Bleiben auf dem Hof zu und besuchte ihn dafür des Öfteren um nach dem Rechten zu sehen.

Auch an diesem Tag hatte er sich dazu entschlossen, seinen Schützling zu besuchen. Da es nach wie vor regnete, ging er gleich zum Haus und ließ sich selbst hinein. Drinnen war es angenehm warm und es roch köstlich. Der Junge musste also zu Hause sein. Der Regent legte seinen nassen Umhang ab und hängte ihn über einen Stuhl. Dann trat er in die Stube und sah seinen Schützling vor dem Kamin stehen und in einem Kessel rühren der über dem Feuer hing. "Es gibt Gemüsesuppe falls Ihr mitessen wollt", erklärte der Junge ohne sich umzudrehen. Er hatte seinen Herrn kommen hören und hatte ohnehin damit gerechnet, dass dieser ihn bald besuchen würde. Er hatte sich daran gewöhnt, unangemeldeten Besuch zu bekommen. Es machte ihm schon nichts mehr aus.

Vesario musste lächeln "Du hast mich mal wieder kommen hören, was Nero?". Er kam zu dem Jungen und schaute in den Topf. "Wenn du es mir schon anbietest sage ich nicht nein. Ich esse gerne mit dir". Erst jetzt schaute Nero zu ihm. "Dann deckt den Tisch. Die Suppe ist gleich fertig". In den Ohren der meisten wäre dieser Satz von einem Bauernjungen zu einem Adligen als unglaublich dreiste Beleidigung angesehen worden und man hätte ihn aufs Höchste bestraft. Vesario hingegen musste grinsen und deckte sogleich den Tisch. Da er einst zu Nero sagte er solle ihn als Vaterfigur ansehen, redete der Junge auch so mit ihm, als wäre er keineswegs adliger Abstammung. Einzig und allein die Förmliche Anrede hatte Nero nie abgelegt.

Einige Minuten Später saßen die beiden schweigend zusammen am Tisch und aßen bei Kerzenschein die Suppe. Sie redeten nie viel miteinander, aber so wusste Vesario wenigstens das dem Jungen nichts zu fehlen schien. Nach dem Essen erhob sich der Janguhlische Prinz und legte sich, seinen nun halbwegs trockenen Umhang wieder um. "Das Essen war köstlich. Wir sehen uns bald wieder. Es sei denn du hast dich doch vielleicht umentschieden und kommst mit mir", sagte er auf dem Weg zur Tür. 

Nero sah ihn an wie immer wenn er dieses Angebot unterbreitet bekam. Dankbar aber unentschlossen. Er stand auf und stellte die Suppenschüsseln zusammen. "Ich bleibe hier. Aber danke". "In Ordnung. Vielleicht beim nächsten Mal.", mit diesen Worten verließ Vesario das Haus, ging zu seinem Drachen und flog schließlich mit ihm davon. Was zurück blieb war ein Junge der seit drei Jahren darauf hoffte, sich für den Tod seiner Eltern und seines Bruders an den Yonderaten rächen zu können. Das allein war der Grund dafür das er das Angebot nicht annahm und hier bleiben wollte. Er hoffte nahezu darauf, dass sie diesen Hof erneut ausbeuten wollten. Erst dann würde er vielleicht den Hass und die Trauer in seinem Herzen überwinden können und vielleicht sogar das Angebot des Drachenzähmers annehmen.

Die Chroniken von KandabastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt