Verpasste Busse

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Ein Kyman Oneshot. Ist wieder ein bisschen kurz. Hoffe aber dass ich mal längere Oneshots hinbekomme.
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Mein Name ist Kyle. Nicht dass das viel zu sagen hätte. Soll es auch nicht.
Es gibt vieles über mich zu erzählen, und nicht einmal die Hälfte davon ist im Entferntesten interessant. Aber da gibt es etwas, was ich loswerden muss. Ein paar Gedanken nur. Gedanken und Gefühle, die an den Gedanken kleben, die ich niemandem anvertrauen könnte, oder wollte.

Manchmal kommt mir das Leben vor wie eine Fahrt in einem sehr, sehr voll gestopften Bus. Du lachst, ich weiss. Es klingt tatsächlich idiotisch und hohlköpfig, aber hey, schliesslich sind es ja genau diese zwei Komponenten, die das Leben, zumindest hier in South Park, bestimmen. Idioten und viele viele Hohlköpfe.

Er schnaubte. Was zur Hölle war in den bekloppten Juden gefahren? Ernsthaft... ein Tagebuch?? Wie schwuler gings denn noch?
Längst hätte er den Fetzen Papier, der schon ziemlich ramponiert aussah, weggeschmissen und vergessen dass ihm der Zufall, oder was das auch immer war das Papier in die Hand gespielt hatte, wäre da nicht dieses merkwürdige Gefühl dass ihn beschlichen hatte als er einen bestimmten Satz gelesen hatte: “Ein paar Gedanken nur. Gedanken und Gefühle, die an den Gedanken kleben, die ich niemandem anvertrauen könnte, oder wollte.”.
Was könnte das nur sein? Etwas, das Kyle nicht einmal seinem Ach-so-super-guten-und-wirklich-nur-platonisch-geliebten Freund erzählen konnte, das musste schon ein dickes Ding sein. Erneut schnaubte er, diesmal einiges verächtlicher. Pussy.

Ausserdem... verärgerte es ihn zu wissen dass Kyle es geschafft hatte etwas vor ihm zu verbergen.Er hasste den Idioten, aber wie konnte er ihm Schaden, jeden Tag bis auf die Knochen blamieren, wenn er ihn nicht in- und auswendig kannte?! Er hatte seine Augen, Ohren, Nasen und weiss Gott was sonst noch darauf geschult auf den Juden zu achten, die kleinste Veränderungen im Gemüt des Anderen zu registrieren, wie ein Seismograph der die kleinste Erschütterung im Innersten der Erde aufzeichnete.. Er hatte den Rothaarigen unter Kontrolle, wusste was in ihm vorging noch bevor der Jude es selbst wusste.
Natürlich nur, um sein Wissen gegen den Juden zu verwenden.

Okay. Ich werde versuchen es zu erklären. Stell dir einen wirklich voll gestopften Bus vor, mit schreienden Kindern, Leuten mit Ipod-Stöpseln in den Ohren und der Lautstärke so hoch aufgedreht das man vier Plätze weiter noch die Musik hört, lauthals telefonierender Ausländer und weiss Gott was sonst noch alles vor.
Da gibt es die glücklichen Leute, die sich einen Sitzplatz ergattert haben und sich voll und ganz auf das Leben, Schrägstrich Fahrt, das an ihnen Fenster vorbeizieht, konzentrieren können. Die einen fahren zwar rückwärts und schauen stets nur zurück, aber hey, sie sitzen. Sie kümmern sich nicht darum dass der Bus voll ist.
Dann gibt es die Idioten, die eben keinen Sitzplatz abbekommen haben und sich nun verzweifelt irgendwo festklammern müssen, um nicht bei der ersten Kurve der Länge nach auf die Schnauze zu fallen. Sie trampeln sich gegenseitig auf die Füsse, nur um sich Platz zu machen, es wird geschubst und gedrängelt, man kriegt Taschen und Rucksäcke in die Seite gedrückt. Manchmal flucht irgendwo einer, und es wird für eine Zeit ruhiger, aber nur bis die nächste Kurve irgendwo einen umlegt.
Da wären noch die grössten Idioten, die tatsächlich ihren Sitzplatz anderen Leuten, vielleicht Kindern oder alten Menschen, überlassen, und selbst stehen, die ganze Prozedur sogar noch freiwillg über sich ergehen lassen.

Und dann ist da noch der Busfahrer. Ich weiss nicht ob es in irgendeiner Weise ketzerisch oder auch nur religiös tragbar ist, Gott mit einem Busfahrer zu vergleichen, aber in meiner kleinen Theorie läuft das genau auf das hinaus. Wenn es einen Gott gibt, dann ist er ein Pfeife-rauchender, scharfe Kurven fahrender Busfahrer, dessen Endstation der Himmel ist.

Das war so verflucht schwul, er würde bald Regenbögen auskotzen.
Die Mundwinkel schon die ganze Zeit zu einem verächtlichen Grinsen verzogen, sah er kurz aus dem Fenster. Draussen hatte es begonnen zu regnen.

Aber auf dem mickrigen Fetzen Papier stand so viel verfluchte Weisheit, es konnte ja nur aus der Feder von Kyle stammen. Selbst wenn er die feine, elegant geschwungene Handschrift des Juden nicht erkennen würde, könnte er ohne zu zögern benennen von wem diese hornochsige Idee stammte.
Es gab nur eine einzige Person in ganz South Park, die über solche Dinge nachdachte und das war der Jude. Andere in seinem Alter scherten sich ein Mist über das Leben oder wie die Leute damit zurecht kamen, sie interessierten sich ja nicht einmal für Busfahrten, da sie höchstens einen Bus von innen sahen, wenn sie morgens zur Schule mussten. Sie verliessen South Park ja so gut wie nie.
Er konnte sich Kyle genau vorstellen, morgens im Bus zur Schule, die Leute beobachtend und sich diese Ideen ausspinnend. Ein leises, dunkles Lachen entfloh seinem Mund.
Ja, genau so war Kyle. Immer in Gedanken, mit viel zu grossen Träumen für ein so kleines verpenntes Städtchen voller Idioten wie South Park. Viel zu verflucht gut, als das ihn irgendjemand hier verdienen würde. Seine Sehnsucht nach mehr, nach Neuem war in jedem einzelnen Worten zu hören. Der Jude würde niemals in South Park bleiben. Niemandem hatte er es jemals erzählt, doch er selbst wusste was in Kyle vorging.
Er kannte diese Sehnsucht von sich selbst.

Vermutlich bin ich einer dieser Idioten die gar nicht erst in den Bus einsteigen können. Zu viele Leute darin. Türen gehen zischend zu. Bus ohne mich losgefahren.

Ihm blieb für einen Moment die Luft weg und er las die Zeile ein zweites Mal.
Mehr wie ein Kommentar war sie ganz zuunterst hinzugefügt worden, in etwas unruhiger Schrift, als ob es eine grosse Überwindung gekostet hätte, sie zu schreiben.
Ein Seufzen. Noch einer, der das Gefühl hatte, dem Leben hinterherzurennen?
Ein Grinsen. Was für eine Ironie. Kyle verpasste nie den Bus.

“Und was zum Henker machst du hier?!” Eine Stimme hinter ihm. Er fährt herum.
Da steht der Verfasser im Türrahmen, wütend, genervt, überrascht, die Hand noch an der Türklinke. Alles in seiner Haltung lesbar.
Es fallen keine Worte. Da gibt’s nicht viel zu sagen. Hallo, ich dachte du seiest in deinem Zimmer und habe mich selbst reingelassen. Tja, da warst du nicht also habe ich in deinem Schreibtisch rumgestöbert und bin auf dein grosses Geheimnis gestossen.

Sein misstrauischer Blick fällt auf das Blatt in der Hand des Anderen, der es nicht mal zu verbergen versucht. Er hat nie Geheimnisse vor dem Juden.
Der Blick, nein die ganze Haltung des Juden verändert sich schlagartig. Als hätte man ihm einen Eimer Wasser über den Kopf geschüttet, taumelt er für eine Hundertstelsekunde, fängt sich aber schnell wieder. Angst, nein Panik fliegt über sein Gesicht und wird rasch mit Wut ersetzt. Schon immer die Nummer eins wenn es darum ging, die Fassung zu verlieren. Verflucht hitziges Temperament.
“FETTARSCH!”, brüllt er, kommt einige Schritte auf ihn zu “WAS FÄLLT DIR EIN??!”
Noch immer schweigt Fettarsch. Sieht ruhig zu wie der Jüngere sich aufregt, alles Routine. Das wütende Glitzern in den grünen Augen, die zu Fäuste verkrampften Hände, die sich überschlagende Stimme, alles schon gehabt, alles gewohnt.
Dann, plötzlich, als keine Reaktion kommt, Ruhe. Einsicht dass man sich gerade Blösse gibt. Ein angestrengter Versuch nicht zu hyperventilieren. Ein Schnappen nach Luft.

“Hast du das gelesen?”, die Frage steht kühl und möglichst unbekümmert im Raum. Ein erneuter, fast zaghafter Schritt in Richtung Fettarsch. Nur noch ein Meter trennt die beiden Fronten.

“Ja.” Die Antwort ist ehrlich und sichtlich unberührt. Eine einfache Antwort auf eine einfache Frage.
Kyles Augen verraten ihn. Er sagt nichts, doch seine Augen schreien, Wut, Rage und, vor Allem, Verrat. Er wurde betrogen, schonwieder. Zum tausendsten Mal. Verraten von denselben, doch so unschuldigen braunen Augen.

Er macht den letzten Schritt und will das Blatt aus der Hand des Grösseren schnappen.
Doch der Andere lässt nicht los. Nicht kampflos. Ein kurzes Zerren und Reissen, was der Klügere schliesslich aufgibt. Zu viel steht auf dem Blatt als das es kaputtgehen darf.
Ein Seufzen. Die Luft scheint abzukühlen. Zwei Augen wenden sich ab. Erneut ist es, diesmal länger, still.

“Sag was.” Es klingt wie ein Befehl, doch es ist eigentlich ein Wunsch, ein Flehen. Kyle ist nicht so bewandert darin, Fettarsch zu lesen wie umgekehrt. Er hat keine Ahnung was der Andere gerade denkt.
Vielleicht hofft er auch dass seine über tausend Streitereien gesammelte Erfahrung über den Braunhaarigen sich für einmal als unwahr herausstellt. Dass Fettarsch für ein einziges Mal nicht versucht ihn in den Boden zu stampfen. Wie er es immer hofft.
Es ist Kyles Schuld, dass er dem Fettarsch stets eine zweite Chance gibt, stets die Hintertür einen Spalt offen lässt.

Stille.

“Ganz schön schwul.” Ein ehrlicher Kommentar, von keinem gemeinem Lächeln begleitet. Fettarsch weiss längst dass der Fetzen Papier ein Stück der Seele des Rothaarigen beherbergt. Nicht schwer zu erraten, es steht zwischen den Zeilen.

Da ist Verletztheit in den grünen Augen, Schmerz. Es ist so leicht den Juden zu lesen. Der Blick verlässt nie den Teppich, bohrt sich tief in das weiche Material. Die Smaragde wirken einen Moment glasig, die Tränen scheinen die Oberhand zu gewinnen, doch der Rothaarige ist stärker. Keine Tränen. Nicht wegen Fettarsch.

Eine Hand wandert langsam, gemächlich zu einer hellen Wange. Langsam bewegt sie das Gesicht zurück in Position, sodass grüne Augen erneut in braune schauen. Kaum Überraschung ist in Kyles Augen zu lesen.

“Du brauchst doch gar keinen Bus.” Die Stimme ist ungewohnt, so wie er noch nie mit irgendjemandem gesprochen hat. Von einem anderen Menschen kommend würde man sie als zärtlich bezeichnen. “...jeder weiss das Juden genug Kohle für ein eigenes Auto haben.”

So viel gesagt in so einfachen Worten.
Grüne Augen werden aufgerissen. Ungläubig starren sie ihn an. Eine lange Pause entsteht in der nur Blicke ausgetauscht werden und die Hand weiter sorgfältig den Anderen berührt.
Niemals sind seine Worte so gemeint wie sie herauskommen. Niemals übersetzt sein Mund seine Gefühle wörtlich. Immer verpackt, immer versteckt der wahre Sinn.
Der Jude weiss das, hat gelernt zwischen den Zeilen zu lesen. Zumindest versucht er es. Vielleicht ist das der Grund, warum Fettarsch immer, immer immer immer eine zweite Chance bei ihm kriegen wird.

Kyle öffnet den Mund zögernd, nach Worten ringend.
“Eric...” Der Klang seines eigenen Namens aus seinem Mund ist so fremd, so unnatürlich das ser sich für eine Hundertstelsekunde nicht mal angesprochen fühlt.

Vorsichtig legen sich zarte Finger auf die weitaus massigere Hand. Die grünen Augen heften sich auf das Papier, das Fettarsch noch immer mit der anderen Hand umklammert.
Langsam stielt sich ein Lächeln auf das Gesicht des Rothaarigen. Und wenn er lächelt, dann lächelt nicht nur einfach sein Mund, sein gesamtes Gesicht hellt sich auf, und genauso wie seine Augen Wut und Verachtung in höchstem Masse ausdrücken können, so können sie funkeln, warm aufleuchten und jeden in ihren Bann ziehen.
Eric spürt wie seine Knie weich werden und sich sein Magen zu einem kurzfristigen Salto entschliesst.

“...danke.”

Die Antwort ist geflüstert und fast unhörbar. Langsam lässt der Rothaarige die federleichte Berührung zu. Vorsichtig lässt er seine Arme um den Hals des Anderen gleiten. Er übt keinen Druck aus, kein Versuch sich an ihn zu pressen. Sie berühren sich sanft, fast gar nicht.
Cartman kann Kyles Atem nahe an seinem Schlüsselbein spüren, er ist sanft und warm, ein wenig unsicher und uneben.
Seine Arme schliessen sich wie von selbst um den schmaleren Körper. Er ist nicht wie der verfluchte Jude vorsichtig oder bedacht. Er zieht den Rothaarigen näher an sich, presst die Hand an den warmen Rücken, sodass er Kyles Nase leicht gegen sein Schlüsselbein stossen spürt, nur für einen kurzen Augenblick, bevor der Andere den Kopf etwas anwinkelt. Seine weichen, rostroten Locken berühren ihn an Kinn und Hals und er widersteht dem Verlangen, sie zu berühren.

Für eine Zeit stehen sie so in völliger Ruhe, in perfekter Stille vereint. Um sie herum dreht sich eine ganze Welt, doch nicht in diesem Moment.

“Stan hätte es niemals verstanden”, kommen nach einer Weile die sanften Worte vom Rothaarigen, und sein Kopf dreht sich in Cartmans Richtung.

Aus irgendeinem Grund machten Cartman diese Worte glücklicher als er je zuvor gefühlt hatte.

“Natürlich nicht. Er steckt ja auch im stinkigen Bus drin

South Park BoyxBoy /OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt