Sequel

778 31 8
                                    

Achtung: Traurig


Sequel

Die Hand, die meine hält, ist sehr kalt. Statt mir Geborgenheit zu schenken verursacht die Berührung Übelkeit. Minutenlang denke ich darüber nach, meine eigene zurückzuziehen, aber das wäre gegen die ungeschriebenen Regeln dieses Spiels.

Mit tauben Beinen machen wir beide Schritt für Schritt, setzen Fuß vor Fuß auf den schneebedeckten Gehweg. Es fühlt sich an, als würden wir nicht vorankommen, aber ich weiß, dass wir schon seit Stunden gehen und es nur die Monotonie der immer weißen Landschaft um uns herum ist, die mein Gemüt so träge werden lässt.

Obwohl wir schweigen und es auch in unserem Inneren still ist, fliegt doch Lärm zwischen uns hin und her. Diese unsichtbare Verbindung vibriert vor unausgesprochenen Schreien und unartikulierten Ausrufen.

Die Morgendämmerung taucht das Land in blasses Licht. Die halbe Nacht lang waren wir unterwegs und obwohl kein Wort gesprochen wurde, habe ich das Gefühl, wir streiten. So ist es schon seit Tagen. Wochen. Länger.
Wir sind so verdammt ausgekühlt. Das einzig Heiße zwischen uns ist der Schmerz, der mein Herz auffrisst.

Am Rande des großen, mit einer fragilen Eisschicht überzogenen Sees bleibt Craig stehen und nur, weil er meine Hand nicht loslässt, tue ich es ihm gleich. Mein Herz sehnt sich danach, einfach weiterzugehen und ihn hier im ewigen Winter zurückzulassen. Ich will solange laufen, bis die Sonne mich findet und ihre Strahlen die Erinnerung an Craig Tucker aus meinem Herzen auftaut. Aber das ist nur ein Gedankenszenario, das ich verwerfe, als ich zu dem jungen Mann neben mir aufsehe.

In Craigs schwarzen Wimpern hängen winzige Eiskristalle. Er muss im Schutze der Dunkelheit geweint haben, ich habe es nicht gehört. Das tut weh. Nicht, dass er weint, sondern dass er mich nicht daran teilhaben lässt. Kein Wort hat er gesagt, keinen Laut gemacht. Wie soll ich ihn trösten, wenn er seine Gefühle vor mir verbirgt?
Trotzdem ruft der Anblick seines Profils in mir Zärtlichkeit hervor. Die Sommersprossen neben seinen Augen, die so blass sind, dass sie fast unsichtbar werden, treten deutlicher hervor, seit seine Haut fast weiß geworden ist.
Seine Lippen schimmern rosig, sind aber von der Kälte rau und ich sehe, dass er seine spröde Unterlippe aufgebissen hat.

Weil er nicht zu mir sieht, wende ich den Blick wieder ab und lasse ihn stattdessen über die Eisfläche vor uns schweifen. Nur ein paar Schritte nach vorn und die helle Schicht würde unter unserem Gewicht nachgeben. Ich schließe die Augen und stelle mir vor, wie das kalte Wasser uns umschließt und wir uns ein letztes Mal dicht aneinander festhalten. Vielleicht könnte das ja endlich die Distanz zwischen uns auslöschen und uns wieder zu einem richtigen Paar machen.
Ich weiß, dass ich das nicht denken darf, aber es fällt schwer, das nicht zu tun.

Craig hat mich immer glücklich gemacht. Wenn ich mit ihm zusammen war, konnte ich manchmal mehrere Sätze am Stück sprechen, ohne nur ein einziges Mal zu stocken, zu stottern oder zu schreien. Wenn ich abends in seinen Armen lag, zitterte ich kaum und ich konnte sogar einschlafen. Craig hat mir viel Ruhe geschenkt. Ich habe mit ihm mein erstes Mal erlebt. Auch, wenn ich weiß, dass er schon viele viele Male vor mir Sex hatte, so war es zwischen uns doch einzigartig, außergewöhnlich, besonders.

Und ich habe angefangen, zu glauben, dass auch ich ihm etwas geben konnte. Mir ist klar, dass ich nur ich bin. Der kleine, nervöse Tweek. Aber ich merkte, wie Craig bei mir hin und wieder Ruhe fand. Er hat nicht mehr so viel geraucht und irgendwann sogar aufgehört. Er hat nicht mehr so viele Dinge getan, die sich am Rande der Illegalität befanden. Er war monogam. Für mich. Craig Tucker. Das muss man sich mal vorstellen.
Die Gedanken werden immer mehr und verdichten sich zu einer Wolke, die mich zu überrollen droht, als Craigs Stimme mich so plötzlich wieder zurück in die Gegenwart holt, dass ich zusammenzucke.

South Park BoyxBoy /OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt