Eine schicksalhafte Begegnung

101 5 2
                                    

Gerade, als ich gedacht hatte, schlimmer als in Sanctuary konnte es im Commonwealth von Massachusetts nirgendwo mehr sein, betrat ich die Haupt-... naja die einzige Straße von Concord. Und schon war ich eines besseren belehrt. Das lag jedoch hauptsächlich an dem Geräusch von unzähligen Schüssen, die vom einzigen hier überhaupt noch richtig vorhandenen Gebäude, dem Museum der Freiheit, zu kommen schienen, und dem Geschrei von offenbar geisteskranken Menschen, die andauernd Phrasen wie "Ich kann das den ganzen Tag lang tun!" wiederholten. Meine Vorahnung sagte mir, dass ich meine Waffe vermutlich brauchen würde. Also zog ich meine bisher einzige kleine Waffe aus meinem imaginären Rucksack raus und bewegte mich stetig in Richtung Schussgeräusche. Kaum war ich am Museum angekommen sah ich, wie eine Gruppe von sehr auffällig gekleideten Menschen, ich nenne sie aufgrund ihres Aussehens hier erst einmal Punker, die Menschen auf dem Rathausdach attackierten. Während ich mich fragte, wer denn jetzt eigentlich hier der Böse sei, versuchte ich, mir eine sichere Schusspositon für den Fall der Fälle zu suchen. "Naja also... eigentlich könntest du sie auch alle abknallen...". Der Teufel in mir meldete sich wohl wieder zu Wort. Glücklicherweise war mein Pip-Boy wie immer deutlich schlauer als ich und markierte mir die Punker (anscheinend "Raider" genannt) als Gegner auf meiner Mini-Karte. Was gab es da noch zu überlegen, was zu tun war? Mit gezogener Waffe sprintete ich los und schoss auf alles, was sich hinter einer Deckung vor den übrigen Leuten auf dem Museums-Balkon verstecken wollte.
Meine unglaubliche Heldentat dauerte schätzungsweise 10 Sekunden, dann musste ich mich in ein verlassenes Gebäude retten, um nicht herausfinden zu müssen, was passiert, wenn meine TP-Anzeige leer ist. "Schnell! Schnapp dir die Lasermuskete dort unten und komm' zu uns hoch! Wie brauchen deine Hilfe!", schallte es plötzlich vom Rathausdach her. Meine erste Frage war, was zur Hölle eigentlich eine Lasermuskete seien sollte. Aber naja. Im Ödland stellt man wohl einfach keine Fragen. Also lud ich meine kleine 10mm Pistole nach und versuchte nach allen Kräften, nicht bereits auf den paar Metern zum großen Hauptgebäude von Concord draufzugehen. Schließlich fand ich dann sogar dieses komische Ding namens Lasermuskete auf dem Boden vor mir, freundlicher Weise hatte man mir auch eine ordentliche Ladung an Munition danebengelegt. "Was ein netter Zufall", dachte ich mir, während ich vor den Schüssen der Punker eh... ich meine der Raider beim Durchschreiten der großen Eingangstür auswich.
Kaum war ich drin, ging es auch schon weiter mit der Schießerei.
"Hört das denn nie auf?" Dachte ich mir. Doch dieses Mal hatte ich wohl nicht die Möglichkeit, abzuhauen. Mein Entschluss war klar: jetzt oder nie musste ich lernen, mit meinen Waffen umzugehen. Also zog ich meine neue Muskete und lud sie nach. Als ich dann endlich sagenhafte 2 Schüsse geladen hatte (das Teil gab nunmal nicht mehr her) zielte ich auf einen der Raider oberhalb meiner Position am Eingang. Der erste Schuss ging zwar so gehörig daneben, dass ich genauso gut einfach die Decke hätte abschießen können, doch dann wurde es stetig besser. Langsam verstand ich auch die Muskete, die sich zu einer Wunderwaffe entwickelt hatte. "Zum Glück bist du bei denen, die diese Dinger haben. Sonst wärst du jetzt auch nurnoch ein roter Aschehaufen." Wie richtig meine Kopfstimme doch lag. Als ich es dann nach gerade einmal 25 aufgebrauchten Fusionszellen geschafft hatte, einen der drei hier lauernden Gegner zu erschießen, stieg ich für die übrigen doch lieber auf mein V.A.T.S um. Schnell rannte ich rechts in einen kleinen Gang, um weiter in das Gebäude einzdringen, da sprangen mir zwei dieser Raider vor die Flinte. "Das ist dein Ende!", schrie einer von beiden, bevor er mit einem verdammten Rohr als Schlagstock auf mich zustürmte. "Hier darf man wohl nicht wählerisch sein" dachte ich mir, während ich mein Zielsystem aktivierte. Ich visierte den Kopf an, lud meinen Schuss und... nichts. Das Sprinten in den Nebengang hatte wohl dafür gesorgt, dass ich jetzt nichtmehr im Zielmodus schießen konnte. Ich hatte langsam wirklich keine Lust mehr auf diese ganzen Ödland-Regeln. Aber naja. Das Leben ist wohl einfach kein Ponyhof.
Also musste ich mich doch auf meine Schießkünste verlassen, die leider, trotz der Tatsache, dass ich Amerikaner bin, nicht sonderlich ausgeprägt waren. Doch da kam Dogmeat ins Spiel. Er rannte heldenhaft vor mich, schnappte sich das Bein des Raiders und ich konnte im einen sauberen Kopfschuss verpassen. "Super, Dogmeat!", rief ich, während er bereits auf den zweiten geisteskranken Irren zustürmte. Ja, ich und mein Hund sollten noch ein richtig gutes Team werden. Aber zurück zum Punkt. Nachdem auch das geschafft war, bahnte ich mir den Weg weiter durch den Schrott und Schutt, der Durchgänge teilweise komplett versperrte. Ich verbrachte ohnehin mehr Zeit damit, jeden einzelnen Behälter zu durchsuchen, in der Hoffnung, irgendetwas brauchbares zu finden. Ich hatte mitlerweile sogar ein Impro-Gewehr von diesem Raider eingesammelt.
Die Reise durchs Museum ging noch eine kurze Zeit weiter, bis ich schließlich an einer Tür ankam, die tatsächlich noch nicht zerstört war und die man öffnen konnte. Ich öffnete sie vorsichtig, um einen Blick auf meine potenziellen Gegner zu erhaschen. "Das sind 6. Und du bist einer. Wenn du die angreifst, brauchst du von uns keine Hilfe mehr zu erwarten." Meine inneren Stimmen hatten vermutlich allen Grund, mich zu warnen, schließlich war ich in meinen Gedanken schon wieder am planen, wie ich heldenhaft reinstürmte und alles kurz und klein schoss. Am Ende war daraus bisher immer ein Stimpack-Einsatz sowie eine überhastete Flucht aus dem Sichtfeld der Gegner geworden also... sollte ich das wohl erst einmal an den Nagel hängen. Gerade als ich weiter gehen wollte meldete sich meine Kopfstimme wieder: "Der Typ da drin hatte so eine Muskete. Vielleicht sind die das, die deine Hilfe brauchen." "Wer sollte schon seine Hilfe haben wollen." Mein Teufel war wohl auchnoch ein unheimlich lustiger Scherzbold geworden. Mit dem Gelächter meiner Stimmen betrat ich also mit eingesteckter Waffe den Raum. "Gott sei Dank, da bist du ja." Ein Mann mit einer Lasermuskete, einem beigen Mantel und einem gleichfarbigen Cowboyhut steckte nun auch seine Waffe weg. "Preston Garvey. Ich bin froh, dass du hier bist." "Kann nicht das gleiche von mir behaupten. Wobei braucht ihr meine Hilfe?" "Wir müssen hier aus dem Gebäude raus, doch die Raider haben uns umstellt. Auf dem Dach gibt es eine Powerrüstung, mit der könnten wir uns den Weg endgültig frei machen. Du musst aufs Dach steigen, einen Fusionskern einsetzen und dann in die Rüstung gehen." "Und... warum macht ihr das nicht selber sondern habt bis jetzt damit gewartet?" "Das... ehm... ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll." Na klar, wieder mal keine Antworten. Ich hatte mir vorgenommen, die Fragerei einfach aufzugeben. "Na gut. Dann mach' ich das halt. Wo ist denn dieser Fusionskern?" "Den müsstest du beschaffen, es müsste einen im untersten Stockwerk geben." Da fiel mir glatt wieder ein, dass ich das Ding schon geholt hatte. Die Tür war mit einem Mechanismus verriegelt gewesen, weshalb ich so ein Terminal hacken musste. Naja. "Hacken". Ich hab' irgendwelche Wörter angeklickt, bis das Passwort richtig war. "Hab' ich. Und jetzt?" "Jetzt kletterst du auf's Dach, steigst in die Rüstung und mähst die Raider dort unten mit der Minigun, die dabei liegt, nieder." Gesagt, getan. Auf dem Dach sah ich dann die imposante Rüstung bereits stehen. Ich hatte im Fernsehen schon solche Dinger gesehen, sie sollten wohl unglaublichen Schutz und Stärke verleihen. Zum ersten Mal fühlte ich so etwas wie Freude hier im Ödland. Welcher Junge will nicht mal mit einer coolen Kriegsrüstung und einer Minigun seine Feinde plattmachen? Naja... vielleicht nicht so viele... vergessen wir das.
Jedenfalls öffnete ich also die Rüstung, schnappte mir die Minigun und sprang einfach vom Dach des Museums nach unten zu den Raidern (der Pip-Boy hatte mir verraten, dass mein Sturz stets abgefangen wird in diesem Teil). Nach kaum 2 Minuten war nicht nur die Hälfte meines Magazins leer gewesen sondern auch alle Raider waren beseitigt. Die Minigun war wohl eher meine Waffe gewesen. Da musste man nicht so gut zielen.
Gerade als ich zurück zu Preston und seinen Anhängern laufen wollte, spürte ich ein markerschütterndes Beben hinter mir. "Bitte sag mir, dass es ein mutiertes Kuschelhäschen ist..." flehte ich, während ich mich umdrehte. "Todeskralle" nannte mein Pio-Boy dieses Vieh. "Das wars dann wohl mit unserem Abenteuer", meinte meine Kopfstimme, "war schön, dich gekannt zu haben." Doch aufgeben war keine Option mehr für mich. Nicht jetzt, wo ich diese Rüstung trug. Entschlossen richtete ich meine Minigun auf das Vieh, bei dem wirklich nicht einmal mehr zu identifizieren war, was es einmal gewesen war, und schoss mit aller Kraft auf es. Die erste Zeit schien es noch relativ unbeeindruckt davon zu sein, was ich zu entgegen bringen versuchte. Meine Deckung (ein Auto nahe des Museumseingangs) schmiss es einfach beiseite, bevor auch ich auf den Boden geschmettert wurde. "Ok Ben. Denk' nach. Was kannst du tun." Wie immer ließen mich meine inneren Ratgeber dann im Stich, wenn ich sie brauchte. Dann blickte ich auf das kleine Gebäude, in dem ich mich vorhin bereits versteckt hatte. Schnell rannte ich rein, bevor die Todeskralle mir den Gnadenstoß geben konnte. Ich nahm ein Stimpack (wie auch immer das in diesem Metallkoloss funktioniert hatte) und richtete meine Minigun aus sicherer Entfernung aus dem Fenster auf meinen Gegner. Dieser stürmte natürlich sofort auf mich zu und ich hatte kurz die leise Vorahnung, dass er einfach das Haus zu Brei machen würde. Aber nein, die Wände hielten stand. So konnte ich dann doch noch mit meiner letzten 5mm Munition für die Minigun das Monster erledigen. "Wie jetzt, du hast das geschafft?", rief mein Engel erstaunt, "wir hatten uns schon längst von dir verabschiedet." Na toll, selbst mein Engel zog mich jetzt schon runter. Mit breiter Brust lief ich zurück zum Museum der Freiheit, wo Preston und Co. bereits unten im Eingangsbereich auf mich warteten. "Ich hab diese Raider für euch besiegt." "Das sind gute Neuigkeiten. Jetzt können wir endlich weiter nach Sanctuary, unserem eigentlichen Ziel." "Sanctuary? Ich hab dort gewohnt. Vor den Bomben, meine ich." "Moment... vor den Atombomben? Bist du etwa aus einer dieser Vaults?" "Ganz genau. Ist eine lange Geschichte." "Nun gut. Warum begleitest du uns dann nicht? Wir, die Minutemen, könnten deine Hilfe sicher gut gebrauchen, um uns endlich wieder irgendwo sicher ansiedeln zu können. Was meinst du?" Für mich sprach nichts dagegen, den Menschen zu helfen, meine alte Heimat wieder aufzubauen. "Klar. Ich komme mit euch. Aber was genau sind die Minutemen?" "Das erkläre ich dir gerne, wenn wir sicher angekommen sind. Danke nochmal für deine Hilfe..." "Ben" "Danke Ben. Das werden wir dir nie vergessen." "Das hoff' ich doch", flüsterte ich in mich hinein, während ich Preston und den anderen aus dem Museum zurück hinaus ins Commonwealth folgte. Nächster Halt: Sanctuary. Schonwieder...

Der Ödland - ÜberlebensführerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt