Ein Palast, gebaut aus Schnee und Eis.
Eine Stadt um ihn herum erbaut, so pompös, dass sie alles in Schatten stellt, was du je gesehen hast.
Und ein junges Mädchen, die im armen Stadtrand aufwächst und ihre ganz besondere Gabe erkennt.
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Schweigend liefen die Schwestern hinter ihrem Vater her. Normalerweise achtete Willem sehr auf seine Kinder. Er schützte sie vor eisigen Windböen oder half ihnen über Schneehaufen hinweg.
Heute jedoch marschierte Willem unbarmherzig voran.
Als sie bei ihrer Hütte ankamen, wollte sich Wanna zum Abschied zu ihrem Freund drehen, aber ihr Vater schob sie an der Schulter durch den Türrahmen. „Fedwick findet den Weg zum Tor heute allein", brummte er laut, sodass der Junge ihn verstehen konnte.
Wanna folgte mit gesenkten Schultern ihrer Schwester in die Stube.
Dort stand ihre Mutter in der Küchenzeile und rührte in einem Topf herum. Sie warf ihren Töchtern einen fragenden Blick zu, aber keines der Mädchen traute sich, das Wort zu erheben.
Willem stapfte hinter ihnen her. „Zieht eure Mäntel aus", befahl er, und die Mädchen nickten eifrig und eilten zur Garderobe.
Willem brauchte nicht zu schreien, um seiner Wut Ausdruck zu verleihen. Es war die brodelnde Ruhe, als würde ein leises Kaminfeuer zwischen seinen Worten prasseln, was den Mädchen das Blut in den Adern gefror.
Yala legte ihren Kochlöffel zur Seite und wandte sich der Stube zu. „Was ist hier überhaupt los?", fragte sie im selben Augenblick, in dem ihre Töchter ohne Mäntel und Schuhe zurückkehrten. Während Wanna nervös auf ihrer Unterlippe kaute, blickte Walpyxa mutig zu ihrem Vater.
„Ihr habt heute etwas sehr Böses getan", tadelte Willem sie, während seiner Frau weiterhin verständnislos die Szene beobachtete.
„Aber Papa, du warst nicht dabei!", verteidigte sich Walpyxa lautstark. Man konnte einen Hauch von Verzweiflung in ihren Worten erkennen. „In Wahrheit ist nämlich Orvid der Böse! Ständig hänselt er andere Kinder, und Fedwick und Wanna ganz besonders. Heute hat er sie eine Misces genannt!"
Yala schnappte nach Luft. Sie trat einen Schritt auf ihre jüngste Tochter zu, hielt aber inne, als sie Willems warnenden Blick bemerkte. „Ist das wahr?", hauchte sie, und als Wanna betreten nickte, als wäre die Beleidigung ihre eigene Schuld gewesen, fasste sie sich erschrocken an den Mund.
Dazu sollte man wissen: Yalas Familie hatte stets sehr streng auf die Reinhaltung geachtet. Sie selbst war mit dem Glauben aufgewachsen, nur ein reiner Lasin konnte wertvoll für die Gesellschaft sein. Obgleich Willem ihr viele Male eine andere, bessere Sichtweise geboten hatte, tat ihr die Beleidigung selbst so weh, als wäre sie an sie gerichtet gewesen.
Doch Willem blieb stur. „Das ist mir egal", sagte er, und wischte damit alle Erklärungsversuche von Walpyxa zur Seite. „Ihr habt eine ganz besondere Fähigkeit, mit der ihr nicht so hausieren dürft!"
„Wozu können wir dann zaubern, wenn wir es nicht dürfen?", entgegnete Walpyxa vorlaut, während Wanna neben ihr schluckte. Ihr Unbehagen war ihr deutlich anzusehen.
Plötzlich war ein lauter Knall zu hören.
Wanna gab einen leisen Schrei von sich, während sie durch ihre halb geschlossenen Augen ihren Vater musterte, der seine geballte Faust noch immer auf dem Tisch liegen hatte.
„Wenn ihr unterrichtet werden wollt, müsst ihr euch an die Regeln halten!", sagte er mit Nachdruck, und die Tatsache, dass seine Stimme zum ersten Mal lauter wurde, jagte Wanna eine Heidenangst ein.
„Er hat es aber verdient!", entgegnete Walpyxa.
„So? Hat er das? Dann hast du auch das verdient!"
Willem machte eine schnelle Handbewegung von rechts unten nach links oben. Kurz darauf wurde Walpyxa von ihren Füßen gerissen und schwebte kopfüber an der Zimmerdecke. Sie schrie und zappelte wild, ihr blondes Haar wehte dabei graziöser, als es der Situation entsprochen hätte. „Lass mich runter! LASS MICH RUNTER!"
„Aber du hast es doch verdient!", gab Willem zurück, machte eine weitere Handbewegung und Walpyxa flog durch den Raum. Es sah aus, als würde er sie gegen den Schrank mit dem Geschirr knallen lassen. Yala sprang von ihrem Stuhl auf, Wanna drückte ihre Hände auf ihre Augen.
Aber Willem würde seine Tochter natürlich nie willentlich verletzen. Es ging ihm nur um die Lektion.
Gerade noch rechtzeitig zog er Walpyxa zurück, drehte sie halb und ließ sie unsanft auf ihren Hintern fallen.
Dort blieb sie sitzen, das Haar ganz zerzaust, und blickte mit tränennassem Gesicht zu ihrem Vater auf. Yala lief zu ihr und drückte sie an sich, doch Walpyxa hörte nicht auf, ihren Vater anzusehen. In ihrem Blick lagen Wut und Enttäuschung sehr nah beieinander.
„Er hat es trotzdem verdient."
Es war beinahe so, als würde Walpyxa den Satz ihrem Vater vor die Füße spucken.
Dieser schüttelte bloß den Kopf. „Nein, Pyx. Magie richtet nicht. Es ist falsch, sie als Bestrafung zu verwenden."
Ganz langsam senkte Wanna ihre kleinen Hände. Sie hatte sich ganz nah an die Wand gedrängt; so nah, dass ihr Rücken nun schmerzte.
Sie betrachtete ihre Schwester, sah zu ihrem Vater.
Und plötzlich begriff sie, was ihr Vater die ganze Zeit gepredigt hatte: Magie war tatsächlich gefährlich. Nicht nur das, sie war sogar böse. Eine böse, schlechte Macht, die einen mit ihrem hübschen Sternenregen bloß etwas vormachte.
Das war der Tag, an dem Wanna beschloss, nie wieder zu zaubern.