22. Kapitel

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2 Jahre später

Wanna schloss ihr Tagebuch und schob es zurück in das Regal. Mit den Händen auf ihrem prallen Bauch lehnte sie sich in ihrem Sessel zurück und schloss für einen Moment ihre Augen. Nur einen kurzen Augenblick lang wollte sie sich ausruhen, einfach mal an nichts denken. Oder zumindest nicht an die schreckliche Realität, die in jeder wachen Sekunde in ihr Gesicht fegte.

Die Welt hatte sich verändert. Nach so langer Zeit sollte Fedwick doch noch Recht behalten. Anutandie war im Aufbruch, und Sempera mittendrin.

Wanna atmete tief ein und was, während sie mit ihrem Daumen über ihren Bauch strich. Prompt spürte sie einen Tritt, und unwillkürlich musste sie lächeln.

Egal, wie anstrengend es war und noch werden würde – sie wusste, wofür sie kämpfte. Wenn nicht für sich selbst, dann ganz besonders für dieses kleine Wesen in ihr.

Wanna träumte sich zurück an jenen Tag, als ihr Vater mit ihr und Walpyxa in den Wald ging, ganz tief hinein, und ihr die Sterne vom Himmel holte.

In den vergangenen Monaten hatte Wanna oft mit dem Gedanken gespielt, sich der bösen Hexe zu stellen. Vielleicht könnte sie mit ihren magischen Fähigkeiten etwas gegen sie ausrichten.

Aber jedes Mal, wenn sie kurz davor war, Glacies zu verlassen, erreichte sie eine Nachricht über eine neue Gräueltat, die schlimmer war als die Letzte.

Ganze Städte hatte sie schon dem Erdboden gleichgemacht, und immer mehr Verbündete wandten sich gegen das Königshaus und schlossen sich der Hexe an.

Es war schrecklich.

Anfangs hatte die Hexe aus dem dem Hintergrund heraus agiert. Niemand wusste, wo sie war, oder wie sie aussah. Nachdem sie Overyn eingenommen hatte, hatte sie ihre Macht immer weiter ausgebreitet, und Wanna und Vasaris konnten beinahe zusehen, wie sie sich immer weiter vorkämpfte. Inzwischen konnte man sagen, dass sie knapp halb Sempera eingenommen hatte.

Das Baby tritt nun heftiger. Wanna öffnete ihre Augen, streichelte behutsam über ihren Bauch, und flüsterte: „Mach dir keine Sorgen. Mama passt auf dich auf."

Sie kämpfte sich aus dem Sessel und stellte sich ans Fenster. Der Blick über ihre Stadt beruhigte sie wieder. Sie konnte die Lichter hinter den Fenstern sehen, Kinder auf den Wegen spielend, und sie wusste, ganz egal, wie schlimm die Lage auch sein mochte, die Lasins verloren nicht ihre Hoffnung. Nicht, solange sie schwanger war.

Bei diesem Gedanken spürte sie auf einmal ein Ziehen in ihrem Unterleib, als hätte es ein Stichwort gegeben.

Reflexartig fasste sich Wanna an ihren Bauch und spürte, wie eine warme Flüssigkeit ihre Beine hinabrann. So schnell sie konnte, eilte sie durch den Raum, öffnete ihre Tür und rief nach ihrer Magd. Sofort war jemand zur Stelle. Sie wurde ausgezogen und ins Bett bugsiert, und während die Wehen immer kräftiger wurden, kam auch Vasaris endlich zu ihr, setzte sich auf die Bettkante, und hielt ihre Hand.

In dieser Zeit dachte Wanna nicht an die böse Hexe, und auch nicht an ihre Eltern, die sie seit Walpyxas Verbannung kaum zu Gesicht bekam. Ihr Vater sprach nur noch das Nötigste mit ihr, als wäre sie Schuld an dem, was ihre Schwester getan hatte.

Aber nicht einmal daran konnte Wanna denken. Die Schmerzen waren alles, was ihr bewusst war.

Und dann war es vorbei. Erschöpft fiel sie in ihre Kissen zurück, der Schweiß hatte ihre Laken durchfeuchtetet. Vasaris strich ihr sanft das Haar aus der Stirn, ehe er aufstand und von der Heilerin das neue Leben in Empfang nahm.

Wanna konnte das kleine Wesen schreien hören. Instinktiv beugte sie sich vor und streckte ihre Arme nach dem kleinen Geschöpf aus, welches Vasaris ihr reichte.

Es war noch dreckig, schmierig, und dennoch das Schönste, was Wanna jemals gesehen hatte. Sie drückte den warmen, lebenden Körper an sich, betrachtete das rosige, zerknautschte Gesicht.

Und sie konnte nicht fassen, dass dieses wundersame Wesen wirklich ihr Kind war.

Vasaris setzte sich neben sie, ganz dicht, um möglichst nah bei seiner Familie zu sein.

„Und?", fragte J'Khar später, als er zu den jungen Eltern gelassen wurde. Er stand am Bettende und musterte das Kind, das gerade von seiner Mutter gefüttert wurde.

Wanna strich versonnen über den kleinen Kopf. Inzwischen hatte sie es sauber gemacht, und der weiche, helle Haarflaum war trocken.

„Es geht ihr gut", antwortete Vasaris und seine Stimme klang wie ein sanfter Sing-Sang.

Die beiden waren zu beschäftigt, um J'Khars entgleisten Gesichtsausdruck zu bemerken. „Ihr?", harkte er brüsk nach.

Vasaris und Wanna nickten gleichzeitig. „Was hältst du von dem Namen Dasana?", wollte Vasaris wissen, blickte auf, und hob fragend die Augenbrauen, als er das verkniffene Gesicht seiner Bruders sah. „J'Khar? Was hast du?"

„Es ist ein Mädchen? Das kann nicht sein." J'Khar schüttelte ungläubig den Kopf. „Das war unsere eigene Hoffnung. Versteht ihr denn nicht? An der Front halten unsere Kriege nur deshalb aus, weil sie darauf hofften, dass der Retter bald geboren wird. Der Retter, der uns vor der bösen Hexe beschützen kann! Retter! Männlich!"

Vasaris stand auf und wollte beruhigend auf seinen Bruder zugehen, aber J'Khar wich ihm aus. Als Führer der Königsgarde wusste er natürlich besser als jeder andere, wie es den Soldaten erging. Viele von ihnen mussten gegen ihre eigenen Familien und Freunde kämpfen.

„Eine Tochter bedeutet nicht, dass man keinen Sohn mehr bekommen kann", versuchte es der König, aber J'Khar grunzte nur verächtlich.

Aber er war zu gut erzogen, um vollends aus der Haut zu fahren. Er hob abwehrend die Hand, und sagte: „Ich bin froh, dass es dem Kind – und euch – gut geht. Aber verspricht mir eins. Solange ihr keinen Sohn habt, müsst ihr das Mädchen als einen Jungen ausgeben. Wir können der Hexe nicht standhalten, wenn wir keine Hoffnung mehr haben. Ohne den Glauben an eine bessere Zukunft, kann man keine Kriege gewinnen."

Die letzte KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt