Walpyxa wurde ein letztes Abendessen mit ihrer Familie gewährt, allerdings unter strenger Aufsicht im Eispalast. Wanna wollte dem nicht beiwohnen, aber sie wartete in der Eingangshalle, um ihre Eltern in Empfang zu nehmen. An ihrer Seite stand Vasaris.
Er beugte sich zu ihr und raunte: „Wie geht es dir?"
Sie warf ihm einen dankbaren Blick zu. „Ich bin okay."
„Wirklich?" Er hob seine Brauen. „Ich will mir nicht vorstellen, wie es mir ginge, wenn ich meinen Bruder nach Carcere schicken müsste."
„Musst du ja auch nicht", entgegnete Wanna und obwohl sie ihn liebte, hoffte sie, dass er nichts mehr dazu sagte.
Es war ihr Glück, dass er gar nicht mehr die Chance bekommen sollte, denn in diesem Augenblick betraten Wannas Eltern zusammen mir Férox und niemand anderem als Fedwick das Schloss.
Ihre Stimmung erhellte sich Augenblick. Es war, als wäre ihr bester Freund in all der Dunkelheit ein helles Licht.
„Oh Wanna!", rief Yala, vergaß jegliche Höflichkeitsformen und rannte auf ihre jüngere Tochter zu. Vasaris trat sogar gewissenhaft einen Schritt zur Seite, um die innige Umarmung nicht zu stören.
Ihre Mutter weinte, als sie Wanna wieder freigab. Silbrige Tränen flossen ihre Wangen hinab.
Willem humpelte zu seiner Frau und harkte sich bei ihr unter. „Lass gut sein, Liebling. Du willst doch Pyx kein schlechtes Gewissen machen." Für seine Tochter hatte er allerdings keinen, nicht einmal einen flüchtigen, Blick übrig.
„Hier entlang", sagte ein Diener und machte sich daran, dem Ehepaar den Weg zu zeigen. Férox folgte ihnen nach einer unsicheren Verbeugung.
Nur Fedwick schien ein ehrliches Lächeln für Wanna übrig zu haben. Er verbeugte sich vor ihr, und Wanna machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach, hör auf damit. Zwischen uns hat sich doch nicht geändert."
Er baute sich wieder auf, wobei sein weißes Gewand aus Leinen wie ein unförmiges Kleid an ihm herunterhing. Schweigend, aber mit hochgezogenen Mundwinkeln, deutete er erst auf ihre Krone dann, auf seine Gewand, und anschließend machte er eine Handbewegung, als wollte er alles um sie herum einschließen.
„Es hat sich alles verändert, falls es dir nicht aufgefallen sein sollte."
Und dann fiel sie ihm um den Hals, als wäre sie wieder ein kleines Kind, und er schlang zur Antwort seine starken Arme um sie.
„Ich geh schon mal vor", sagte Vasaris schmunzelnd und wandte sich von den alten Freunden ab.
Ein weiser Mann wusste, wann er zu gehen hatte – das war auch eine Weisheit seines Vaters gewesen.
Fedwick ließ Wanna wieder los und hielt sie auf Armeslänge von sich weg. „Gut siehst du aus. Die Krone steht dir."
„Und der Bart steht dir!", entgegnete Wanna, und konnte nicht ganz fassen, wie erwachsen ihr alter Freund aussah. Sie hatten zwar immer mittels Briefen in Kontakt gestanden, aber sie merkte jetzt, wie sehr sie seine Gegenwart vermisst hatte.
DU LIEST GERADE
Die letzte Königin
FantasiEin Palast, gebaut aus Schnee und Eis. Eine Stadt um ihn herum erbaut, so pompös, dass sie alles in Schatten stellt, was du je gesehen hast. Und ein junges Mädchen, die im armen Stadtrand aufwächst und ihre ganz besondere Gabe erkennt.