1.2

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Der Tag war schön, aber noch kalt, ... letzteres hatte zumindest Rahel behauptet und sie dazu gezwungen, eine Jacke anzuziehen. Als ob geborene Werwölfe so einen Unsinn bräuchten. Pah!
Sehnsüchtig blickte sie noch einmal in die Richtung, in die Rahel davongefahren war, dann aber drehte sie sich doch wieder um und wanderte die Straße entlang und auf das Taunusterritorium zu.

Das Schloss des Rudels musste irgendwo ein paar Kilometer weiter inmitten des Territoriums liegen. Sie hatte es sich im Internet angesehen, es war anscheinend auch noch eine Touristenattraktion.
Komisch. Dass sie die Menschen einfach so zu sich ins Rudelhaus hineinließen ...?!
Na ja. Vielleicht auch nur als Köder. Immerhin war dieser Alpha ja ein Rogue. Er hatte kein geerbtes Vermögen von seinem Vater, dem Alpha oder Beta. Selbst wenn sie das Rudel wohl bei ihrer Übernahme vor vier Jahren sicher erst einmal ausgeplündert hatten.

Ihr Bruder hatte ihr schon vor zwei Jahren erklärt, dass hier vieles ganz anders sein würde als zu Hause.

Aber das wusste sie ja schon.
Ihr graute es schon richtig vor ihrem neuen Herrn, Mate und Gefährten.
Er hatte sie bisher immer nur grausam behandelt, wenn sie Schwäche oder Angst gezeigt hatte. Doch seit über einem Jahr herrschte nun nahezu Funkstille, bis auf diesen seltsamen Arzt, den er für sie hatte kommen lassen.
Keine Besuche, keine Kontrollanrufe, ... noch nicht mal bei Sebastian oder Jens, ihren beiden Ausbildern im Wolfskampf.
Aber das hatten sie auch nur deshalb sein dürfen, weil sie beide einen männlichen Mate hatten.
Weil sie schwul waren. Tja, ... idiotische Alphas und ihre seltsamen Eifersuchtsdramen. Selbst Rahel konnte zwei, drei Lieder davon singen. Aber dann noch nicht mal die Höflichkeit aufbringen, sie zu informieren, dass er sie doch nicht abholen würde ... oder wollte ... oder konnte.

Na ja, zumindest war er nicht tot, denn als seine verbundene und gebissene Mate wäre sie ja nun sonst ebenfalls tot.

Die Sonne stieg langsam höher hinauf und es wurde wärmer. Sie wusste, dass sie nur noch knappe 300 Meter zu laufen gehabt hatte. Also war sie nun schon mitten drin.

Der Taunus war ihr völlig fremd, doch wenn sie wie ein Mensch auf der Straße bliebe, würde sie sicher bald schon jemandem auffallen ...
Oder war es sogar schon längst, wie das leise Knacken im Buschwerk ihr verriet. Sie verfolgten sie sicher schon seit einem Kilometer.
Die Rudelwächter waren also durchaus aufmerksam.
Da kam ihr ein Wagen mit hoher Geschwindigkeit entgegen und hielt mit quietschenden Reifen, sich vor ihr schräg herandriftend und haltend, an.

Ein paar grimmig aussehende Wölfe, die sie noch nie gesehen hatte, sprangen mit gezogenen Waffen heraus ...?!
Sie hob sofort ihre Hände, lies die Eisenstange neben sich auf den Rasenstreifen fallen und wich hastig ein paar Schritte vor den Wölfen zurück.
Ihr Herz begann wie wild zu klopfen. Waren das etwa Werwolf-Hunter, die das Taunusgebiet übernommen hatten? Aber wenn ja, dann wussten sie nicht, dass Mia auch ein Werwolf war, oder?!
Aber sie rochen eindeutig nach Wolf.
Der größte der Wölfe kam nun mit leicht fassungslosem Blick auf sie zu und sah sie an, während sie eingeschüchtert vor ihm zurückwich.
Da ließ er seine Waffe plötzlich sinken und schnaubte kurz spöttisch auf.
„Ihr Idioten versetzt das ganze Rudel in Alarmbereitschaft wegen eines kleinen, verschüchterten Werwolfsmädchens?
- Marsch zurück an die Grenze, bevor ich euch an den Eiern in die Bäume hänge!", knurrte er leise, ... benutze gerade wohl beides, den inneren Mind-Link der Werwölfe, mit dem sie sich verständigen konnten, wie auch seine Stimme, bevor er die Waffe wieder einsteckte und sie nun viel freundlicher ansah.
„Keine Panik. Wir sind Rogues gegenüber wohlgesonnen. Hast du dich verlaufen oder wolltest du zu uns, Kleine?", fragte er sie nun viel freundlicher.
Mia öffnete schon den Mund, um zu sprechen, doch es hatte ihr vor Schreck die Stimme verschlagen, darum kam nur ein Krächzen heraus.
Stirnrunzelnd starrte der Wolf sie an, doch dann grinste er kurz.
„Haben sie dich also in deinem Rudel verstoßen, weil du stumm bist?", fragte er sie mitfühlend.
Sie schüttelte nur kurz den Kopf und runzelte besorgt die Stirn. Wollte ihren Block und Stift aus ihrer Jacke herausholen, um es ihm aufzuschreiben, wer sie war, doch auf einmal wurde sie hart gepackt und gegen das Auto gedonnert.
Waffe!", brüllte einer der anderen Wölfe und ihr Block und Stift flogen davon.

Der Typ, der sie herumgeschleudert hatte, hielt sie plötzlich auch noch im harten Schwitzkasten und von da an bekam sie nicht mehr viel mit. Das hatte sie schon einmal so erlebt und wollte sie niemals wieder.
Jemand schrie noch irgendetwas von „Idiot, ... das da ist doch nur Schreibzeug ...", doch Mia verwandelte sich bereits panisch in ihre Wölfin und nutzte den Überraschungsmoment für sich aus, biss dem Wächter heftig in Hand und Schulter und Gesicht, während der nur noch laut fluchend ihre Jacke zu fassen bekam, doch sie war schon hinausgeschlüpft und rannte davon, so schnell sie nur konnte... weg von der Straße und ab in den Wald.

„NEIN!"
„Hey! ... BLEIB STEHEN!"
Manus, du Arschloch!"
„Sie haut ab!"
„Muss wohl ein kleines Omega-Wölfchen sein und harte Angriffe gegen sich gewohnt. - Linus, Arram! Folgt ihr ...!"

Das war's!
Die Hetzjagd war eröffnet.
Mia spornte ihre Wölfin an und sie hetzte in den Wald hinein. Hitziges Geheul und Jaulen und Hecheln folgten ihr.
Na, ganz toll!
Die Luna wurde gerade von ihrem eigenen Rudel gejagt. Also hatten sie alle keine Ahnung von ihr ... Und das hieß dann wohl, sie war gerade auf unbekanntem Terrain, vor unbekannten Rudelwölfen, die sich hier bestens auskannten, auf der Flucht und hatte noch nicht einmal einen Mind-Link zu ihnen, um sich zu erkennen zu geben. Sie konnte auch nicht um Hilfe heulen oder sich gegen so viele Angreifer lange verteidigen.

Mit einem Wort ausgedrückt:

Scheiße!

Im dichten Wald fiel es den Wölfen etwas schwerer, die flinke, zierliche Mia einzuholen, denn sie konnte durch Spalten und enges Gebüsch hindurchschlüpften, während andere außen herumrennen mussten.
Das hielt sie auf und Mia gewann immer mehr Vorsprung, während sie nach einer passenden Stelle Ausschau hielt, an der sie den ersten der beiden Wächter stellen und überrumpeln konnte.
Sebastian hatte ihr schließlich tausend Mal erklärt, dass es immer leichter war, einen Angreifer zu töten als nur zu verletzen. Und das Flucht keine Lösung war, sondern eher noch mehr Probleme schaffte.
Aber genau diese Situation hier hatten sie echt unglaublich oft geübt.

Mia verfolgt von zwei Wächtern und wenn sie sie erwischt hatten und sie dann den Kampf verlor, hatten sie sie immer mit dem Gesicht in den Matsch gedrückt und ausgelacht.
Kleines, süßes Lunchen!"
Putziputzi!"
Lerne doch besser Stricken ..."
Krieg einfach ein paar Welpen und koche deinem Alpha etwas Gutes. Ist besser so für dich."
Sie war einfach zu klein und zu schmächtig gewesen, außerdem lustlos und nach ihrem einzigen Mateball mit 14 Jahren, auch nur noch ständig mies drauf.
Welch ein Wunder, wenn man das größte Arschloch auf Erden zum Gefährten abbekommen hatte. Schon einmal so richtig etwas, um sich später darauf freuen zu können ... nicht!
Doch genau deshalb hatte ihre Schwägerin ja darauf bestanden, dass sie richtig zu kämpfen lernte, sowohl als Wolf als auch als Mädchen.

Sie kam auf einer kleinen Lichtung an. Hier gab es einige kräftige Äste am Boden.
Schnell hatte sie sich verwandelt und einen davon aufgehoben, wirbelte ihn herum und erwischte ihren ersten Angreifer mit dem Stabende mitten im Gesicht.
Er ging zu Boden und der zweite Wolf sprang mit einem kurzen Kläffen, zu dem sich nun leicht schüttelnden rotbraunen Wolf hin, auf sie zu, nun böse knurrend. Aber Mia wirbelte nur wieder den Stab herum und hieb auch ihm diesen gegen den Kopf. Während der andere Wolf nun aber über sie zu springen versuchte.
Das war haargenau so wie in ihren Übungen mit Jens ...
Blitzschnell rammte sie dem Springer das Stabende in den Bauch, benutzte seine Geschwindigkeit als Hebel und schon flog der Angreifer jaulend meterweit über Mia hinweg und landete krachend im Unterholz.

„Schluss jetzt! Was fällt euch ein? Seid ihr denn toll, ein so kleines Mädchen anzugreifen, ihr Höllenbestien?", erklang plötzlich eine barsche Frauenstimme von links.

Seelenverwandt Mia - Die Luna des Alpha,# WinterAward2018 (Teil 2) abgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt