6. Dezember- Renn um dein Leben

2 1 0
                                    

So etwas habe ich noch nie gesehen. Die Kreatur ist bestimmt 2 Meter gross. Wie auch die Füsse, ist der Körper haarig und an den Händen hat es Krallen. Doch am Furchteinflössendsten ist die Fratze. Gelbe Zähne werden entblösst, als das Tier knurrt. Ausserdem hängen ihm Sabberfäden in den Mundwinkeln. Ein Monster wie im Bilderbuch beschrieben. Eine Mischung aus Werwolf und Bär, aber um einiges gefährlicher. Schnell verschwinde ich wieder unter dem Tisch und flüstere: "Wir müssen hier weg." Noah nickt erleichtert und deutet mir durch die Hintertür zu verschwinden. So leise wie möglich bewegen wir uns fort und bleiben an der Tür stehen. Ich werfe einen Blick zurück und genau in dem Moment dreht das Tier den Kopf zu uns. "Lauf!", rufe ich Noah zu und ziehe die Tür auf. Kaum berühren unsere Füsse das nasse Gras fangen wir an zu rennen, doch das Monster ist schnell nah und wir hören die bedrohlichen Schritte hinter uns und das Knurren in unseren Ohren. "Es ist schnell aber nicht so wendig.", ruft mir Noah während des Laufens zu. Was ich nur nickend registriere und alle Kraft zusammen nehme, um Abstand zwischen mir und der Kreatur zu bringen. Panische Angst kommt in mir auf, als ich höre wie es näher kommt. Ich ändere die Richtung und laufe Richtung Wald, Noah folgt mir. Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Das Knurren klingt unglaublich laut in meinen Ohren, wie mir scheint. Keuchend versuche ich mehr Luft in meine Lungen zu bekommen. Beim Wald angekommen, ändere ich erneut die Richtung und versuche noch schneller zu laufen. Tatsächlich werden die Schritte des Tieres leiser und trotzdem verringere ich die Geschwindigkeit nicht. Noah überholt mich und bedeutet mir ihm zu folgen. Langsam fangen meine Oberschenkel an zu brennen und doch laufe ich weiter. Plötzlich biegt Noah rechts ab, geradewegs auf einen riesigen Felsen zu. Erst als wir näher kommen, bemerke ich den kleinen Eingang auf der rechten Seite. Der Braunhaarige quetscht sich zuerst durch das Loch, worauf ich ihm sofort folge. Ich halte an und versuche meine Atmung zu beruhigen. Es ist stockdunkel und so bleibe ich an Ort und Stelle stehen und warte darauf, dass Noah etwas sagt. "Kate, geht es dir gut?", fragt er und an seiner Stimme erkenne ich, dass er neben mir steht. "Ja, alles gut.", sage ich immer noch ausser Atem und strecke meine Hand aus, um mich an der kühlen Felswand ab zu stützen. Plötzlich wird es hell und eine Fackel erleuchtet die Höhle. Von innen wirkt sie noch grösser, als von aussen und ganz oben hat es sogar eine Öffnung, woran man aber nicht dran kommt. Erschöpft setze ich mich auf den Boden und schliesse kurz die Augen. Was mache ich hier? Ist das die Strafe, dass ich nicht an Monster glaube und mir genau deshalb so etwas passiert. Mich überkommt eine bleierne Müdigkeit, was ich Noah sage. "Ich breite dir ein Fell aus.", meint er und legt seinen Rucksack ab. Erst jetzt blicke ich mich richtig um und bemerke, dass ein Fell bereits am Boden liegt und ein Schlafsack und eine Wolldecke darüber. Ausserdem gibt es eine kleine Feuerstelle und ein Eimer mit Wasser steht daneben. Ich beobachte Noah, wie er ein Schafsfell neben seinem ausbreitet und ebenfalls Schlafsack und Wolldecke darüber legt. Anschliessend macht er ein Feuer, zieht sich seine Schuhe aus und setzt sich schliesslich auf seinen Schlafsack. Ich mache es ihm gleich und lege mir die Decke über die Schultern. "Glaubst du mir jetzt?", fragt er, worauf ich nur nicke. Auch wenn es total unwahrscheinlich wirkt, habe ich es mit eigenen Augen gesehen und mittlerweile glaube ich nicht mehr an einen dummen Streich. "Was machen wir jetzt?", frage ich und wende mich ihm zu. "Vielleicht sollte ich dir einige Dinge erklären." "Das glaube ich auch.", erwidere ich und lache leise. "Es ist so, dass diese Kreaturen seit Jahrzehnte im Wald leben, nur weiss niemand etwas davon." "Wieso nicht?", frage ich. "Weil jeder, der sie gesehen hat, nicht mehr zurück gekehrt ist." Schwer schlucke ich und ziehe die Decke noch enger um mich. "Immer vor Weihnachten machen die Kreaturen jagt auf Menschen und verwandeln sie in seelenlose Wesen, weil sie sonst nicht überleben können." Noah macht eine Pause, blickt prüfend zu mir hinüber und fährt dann fort: "Das Fleisch des Menschen ist für sie überlebensnotwendig. Sie selber bestehen nicht aus menschlichen Zellen, brauchen aber genau diese zum Überleben, was zurück bleibt sind die leeren Hüllen der Menschen." "Das kann ich dir nicht abkaufen.", unterbreche ich ihn und blicke ihn ungläubig an. "Nachdem du dieses Monster gesehen hast, glaubst du mir immer noch nicht?", fragt er leicht gereizt. "Es ist nur so schwer nachvollziehbar.", erkläre ich. "Ich weiss, ich glaubte es am Anfang auch nicht", meint er und erzählt weiter. "Ein Chemiker hat vor mehreren hundert Jahren mit Menschen herum experimentiert, um sie unsterblich zu machen. Dabei ist etwas schief gelaufen und die Zellen des Menschen haben sich verändert. Sie sind zwar fast unsterblich, haben sich aber in solche Kreaturen verwandelt und weil sie die menschlichen Zellen nicht mehr besitzen, müssen sie sich von diesen ernähren, um zu überleben." "Dann haben wir es mit einem unsterblichen Monster zu tun, das mich töten will. Wirklich toll.", sage ich und vergrabe den Kopf in meinen Händen. "Es ist nicht ganz unsterblich." Ich blicke wieder hoch und werfe ihm einen fragenden Blick zu. "Du musst eine bestimme Stelle treffen, dann sterben sie und zwar hier.", sagt Noah und deutet bei sich auf den Nacken. "Wenn du ein Messer oder einen Sper in die Stelle am Nacken stichst, stirbt es." Ich nicke, worauf er fort fährt: "Die Hülle der Menschen, von denen ich vorher gesprochen habe, leben weiter. Sie bewegen sich ganz normal wie Menschen, nur haben sie keine Seele mehr, also keine Gefühle und keine Emotionen. Du erkennst sie an ihren eisblauen Augen, darfst ihnen aber nie direkt in die Augen blicken, sonst können sie deine Seele übernehmen, was dich umbringt." Erschrocken blicke ich ihn an und kaue dann nachdenklich auf meiner Unterlippe. "Das ist doch verrückt.", sage ich leise. "Und was ist dabei deine Funktion?", frage ich. "Ich bin eine Art Beschützer der Menschen. Ich spüre wenn eine seelenlose Hülle einen Menschen aufgespürt hat und beschütze dann diesen Menschen, damit die Kreatur ihn nicht töten kann." "Also sind diese Geister unter uns und haben vor unsere Seele zu stehlen und den Körper an die Kreaturen weiter zu geben, damit diese überleben, worauf wir aber sterben.", fasse ich zusammen. Noah nickt. "Sag mir dass das nur ein Traum ist.", flüstere ich hilflos. "Kate", meint er sanft und legt mir eine Hand auf meinen Oberschenkel. "Ich werde dich beschützen, egal was kommt. Ich besorge dir morgen Kleidung, die du anziehen kannst, aber versuche jetzt ein wenig zu schlafen." Ich nicke und lege mich hin. "Noah?", frage ich, als er sich bereits auf die Seite legen will. "Wie komme ich hier wieder raus?" "Die einzige Möglichkeit ist, das Monster zu töten, das dich jetzt töten will. Ansonsten bist du hier für immer gefangen." "Klingt nach einem Plan.", murmle ich nur und rutsche tief in den Schlafsack. Die Hoffnung besteht immer noch, dass ich morgen aufwache und alles wieder so ist, wie vorher. 

WeihnachtszauberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt