15~Tears✔️

14.9K 495 11
                                    

*Aerie's Sicht*

Um zehn vor zwölf öffnet Sunny vorsichtig die Türe und späht raus. "Okay, keiner da. Hopp schnell raus", raunt sie mir zu und wir schlüpfen in den Gang. Falls wir doch erwischt werden, haben Sunny und ich uns schon eine Ausrede einfallen lassen. Eine von uns hatte Kopfschmerzen und wollte bei der Rezeption nach Tabletten fragen und die andere war als seelische Unterstützung mitgekommen. Wir haben über die Bikinis noch Shorts und Tops angezogen, also würde es niemandem auffallen. Ohne bemerkt zu werden, gelangen wir aus dem Hotel und schlendern lachend zum Strand. Schon aus der Ferne erkenne ich ein kleines Lagerfeuer und einige Gestalten, die daneben sitzen. Das sind dann wohl unsere Jungs. "Da seid ihr ja! Wir dachten schon, ihr wurdet erwischt!", ruft Dilan, als wir uns ihnen nähern. "Pff, bitte. Wir sind Profis, wir werden nie erwischt. Bei nichts", kommt es gelassen von Sunny und wir geben uns ein High five. Die Jungs lachen kurz auf und wir setzen uns zu ihnen. Natürlich muss Sunny genau den Platz neben Dilan auswählen, und so kommt es, dass Sunny zu meiner Rechten sitzt und Cole zu meiner Linken. "Also lasst uns schwimmen gehen", rufe ich und stehe auf. Schnell schlüpfe ich aus meinen Sachen und laufe ins Meer. Das kühle Wasser umspühlt meine Knöchel und verschluckt Schritt für Schritt mehr von meinem Körper. Irgendwann tauche ich unter und schwimme los.
Nach einiger Zeit habe ich dann eine Boje erreicht und halte mich an ihr fest. Von hier ist das Lagerfeuer nur ein kleines oranges Etwas in der Ferne. "Du bist eine echt schnelle Schwimmerin, weisst du das?", erklingt es plötzlich hinter mir und ich drehe mich so ruckartig um, wie es im Wasser eben möglich ist. Cole sieht mich grinsend an und legt einen Arm um die Boje. "Klar, wusste ich das." Ich versuche meine Stimme so arrogant wie möglich klingen zu lassen und es gelingt mir sogar fast. "Ich hatte gehofft, heute einen Moment alleine mit dir zu haben", wispert mir Cole ins Ohr und zieht mich mit seinem freien Arm an seine Brust. Um nicht unterzugehen, umschlinge ich seinen Hals mit meinen Armen und kralle meine Nägel in seinen Nacken. Sofort entrinnt ein tiefes Knurren seiner Kehle und er drückt mich fester an sich. Ich weiss, dass er mich küssen will, ich sehe es seinem Blick, der Begierde in seinen Augen und seiner angespannten Haltung an. Doch ich werde ihm den Triumph nicht geben, er hatte schon zu oft das Privileg meine Lippen schmecken zu dürfen. Er kommt meinem Mund immer näher, ist nur noch wenige Millimeter von ihm entfernt. Jedoch statt ihn zu küssen, gleite ich mit meinen Lippen zu seinem Ohr und wispere: "Vergiss es, Darling." Ich lasse ihn los, tauche unter und schwimme zum Strand zurück. Ich höre sein resigniertes Seufzen und ein Grinsen breitet sich auf meinen Lippen aus. Am Ufer schlüpfe ich schnell in meine Kleidung und setze mich zu den anderen ans Lagerfeuer. Die warmen Flammen wärmen meinen leicht unterkühlten Körper jedoch nicht besonders auf. Plötzlich spüre ich etwas Warmes auf meinen Schultern und drehe mich zur Seite. Trash lächelt mich an und ich stelle fest, dass er mir gerade seine Lederjacke gegeben hat. Obwohl ich mich frage, wieso er bei diesen Temperaturen eine Lederjacke trägt, bin ich dafür überaus dankbar. "Danke", murmle ich und er nickt mir zu. Irgedwann gesellt sich auch Cole wieder zu uns und eine angenehme Stille breitet sich aus bis Alec sie bricht. "Okay, Leute, wenn wir hier schon in der Nacht rumhocken mit Lagerfeuer und so, lasst uns dann mal ein paar Geschichten erzählen. Jeder der gerne was über einen anderen erfahren würde, fragt." Wir stimmen zu. "Okay, Cole wieso bist du eigentlich hergezogen?", fragt ihn Sunny neugierig und Dilan legt ihr währenddessen einen Arm um die Schulter. Cole zuckt kurz mit den Schultern. "Mein Dad hat eine eigenartige Art mit Liebeskummer umzugehen und deshalb ziehen wir immer wieder um und das geht mir langsam total auf die Nerven." "Und wieso wohnst du dann nicht einfach bei deiner Mutter?", fragt Sunny weiter und mir fällt sofort auf, wie Cole unruhig wird. "Naja, das würde echt schwierig werden." Wir sehen ihn fragend an und er senkt den Blick. "Da sie tot ist." Sofort breitet sich unangenehmes Schweigen. "Tut mir Leid, ich wusste nicht...", beginnt Sunny, doch Cole unterbricht sie: "Schon gut. Du konntest es ja nicht ahnen." Er macht eine wegwerfende Handbewegung und starrt wieder in die Flammen. "Was ist geschehen?", flüstere ich. "Ein Autounfall. Der Typ war betrunken und hat eine rote Ampell überfahren." Wir nicken. Ich habe keinen blassen Schimmer, wieso ich das jetzt tue. Vielleicht, weil ich merke, wie unangenehm ihm diese Situation ist oder weil ich ihm das Gefühl geben möchte, nicht alleine zu sein. Aber die nächsten Worte sprudeln einfach aus mir heraus: "Ich war damals 10. Meine Mutter, mein grosser Bruder, er war 15, und ich waren auf dem Weg zu meiner Ballettaufführung. Wir waren in der Metro und haben auf den U-Bahn gewartet. Es war eines der wenigen Male, in denen wir nicht den Wagen genommen haben und ich kann mich auch nicht mehr an den Grund daran erinnern. Genauso wenig habe ich eine Erklärung dafür, dass dort unten so gut wie kein Mensch war. Naja, irgendwann sind dann vier Typen aufgetaucht. Sie waren total betrunken und bestimmt auch high." Ich wische mir die Tränen von der Wange und starre konzentriert auf meinen Schoss, als ich plötzlich eine Hand spüre, die sich mit meiner verschränkt. Sofort weiss ich, dass das Sunny ist. Ich drücke sie und fahre fort. "Die Typen sind dann auf uns zugekommen und haben mich mehrmals angerempelt. Ich habe nichts gesagt, da ich Angst hatte, aber mein Bruder wurde wütend und hat gesagt, dass sie sich gefälligst entschuldigen und mich in Ruhe lassen sollen. Sie haben gelacht und dann wurde mein Bruder noch wütender und hat einen von ihnen geschubst. Der Typ ist total ausgerastet und hat auf meinen Bruder eingeprügelt. Mein Bruder hat versucht sich zur Wehr zu setzen, doch der Andere hatte dann plötzlich ein Messer in der Hand. Er hat meinem Bruder in den Bauch gestochen. Meine Mutter begann zu schreien und stürzte auf meinen Bruder. Ich war jedoch wie versteinert, ich konnte mich einfach nicht rühren. Mom war ausser sich und ist auf den Typen losgegangen, woraufhin seine Kumpels sie gepackt haben und der Typ ihr eine Ohrfeige verpasst hat. Sie hat ihn weiter angeschrien und beschimpft und so hat er sie noch einmal geschlagen. Irgendwann hat sie dann mich angesehen und geschrien ich sollte wegrennen, ich war immernoch wie betäubt und starrte meinen blutenden Bruder an. Meine Mutter hat immer und immer wieder geschrien, dass ich wegrennen soll, aber erst, als ein Typ dann auf mich zukam, bin ich aufgewacht und so schnell ich nur konnte weggerannt. Irgendwann bin ich direkt in die Arme eines Polizisten gerannt, der mir sagte, dass man mich schon gesucht hatte. Er nahm meine Hand und brachte mich nach Hause. Ich war davon überzeugt, dass alles gut war, da die Polizei ja da war. Als wir dann zu Hause ankamen und ich meinen weinenden Vater sah, bekam ich Angst. Dad hob mich hoch und drückte mich ganz fest an seine Brust. Irgendwann liess er mich los und einige Polizisten kamen auf uns zu. "Es tut uns Leid ihnen mitteilen zu müssen, dass ihre Frau und ihr Sohn auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben sind." Haben sie uns gesagt und meine Dad weinte noch mehr. Ich verstand zuerst nicht was er meinte, bis mir dann alles klar wurde. Meine Mom und mein Bruder waren tot. Einfach so", die letzten Worte sind nur ein leises Krächzen und meine Wangen sind getränkt von meinen Tränen. Sunny umarmt mich und ich schluchze in ihre Schulter. Niemand rührt sich, alle versuchen zu realisieren, was ich gerade gesagt habe. Bis sie dann aufstehen und mich alle umarmen. Alle gleichzeitig. Ich weine noch bitterlicher und spüre von allen Seiten den warmen und tröstenden Druck, ausgeübt von meinen neuen Freunden. Den Freunden, die mir beistehen wollen, die für mich da sein wollen.

Let me goWo Geschichten leben. Entdecke jetzt