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„Chase! Komm raus, verdammt, das ist nicht lustig!", schrie ich durch die Wohnung, während ich zum dritten Mal durch die Räume hastete. Er war weg, einfach verschwunden. Als ich nach Hause gekommen war, wollte ich ihn gerade begrüßen, doch keine Antwort war gekommen. Chase war gegangen.

Mitgenommen hatte er nichts, kein Geld, keinen Schmuck, nichts mit irgendwelchem Wert. Nur eine, kleine Sache war mit ihm verschwunden. Mein grauer Pulli, der mir viel zu groß war und den ich abends immer angehabt hatte, lag nicht mehr da, wo ich ihn ausgezogen hatte.

Ich lehnte mich mit dem Rücken an die Wand neben mir und senkte den Kopf:"Gerade habe ich Zero noch erzählt, dass ich auf ihn aufpasse", murmelte ich vor mich hin, schlurfte dann ins Schlafzimmer, zog mich bis auf meine Boxershorts aus und schmiss mich ins Bett:"Dann musst du selber auf dich aufpassen Tiger", murmelte ich noch bevor ich in einen tiefen Schlaf fiel.

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„Charlie. Charlie werd wach", seine Stimme floss mir wie flüssiges Gold ins Ohr. Sofort schlug ich die Augen auf, sah Chase an, welcher  frech grinste:"Dachtest du wirklich ich gehe?", kam es von ihm und plötzlich, als wäre es unfassbar normal beugte er sich runter und küsste mich.

Überrascht riss ich die Augen auf, spürte seine Hand an meiner Wange. Seine Lippen schmeckten nach Honig, nach Frühling und sie fühlten sich unfassbar warm und weich an. Doch plötzlich, von der einen auf die andere Sekunde wechselte der Geschmack. Seine Lippen wurden eiskalt, der Geschmack von Blut lag mir auf der Zunge und auf einmal stand Chase viel weiter von mir weg.

Polizisten hatten ihn umzingelt, er sah anders aus, verängstigt und so gar nicht nach Chase. Er warf mir einen hilfesuchenden Blick zu, seine Augen wurden plötzlich schwarz und ein Schuss ertönte, als....

Dumpf fiel ich auf den Boden, ich öffnete meine Augen, mein Zimmer war leer, von draußen schienen der Mond und die Sterne rein und ich sah hoch zum Bett. Ich hatte geträumt, doch ich hatte ein ungutes Gefühl, hatte das Gefühl, dass Chase in Schwierigkeiten steckte.

Ich zog mich am Bett hoch, rieb mir die Augen und kaum merklich berührte ich mit meinen Fingern kurz meine Lippen, es hatte sich so verdammt echt angefühlt. Schnell schüttelte ich über diesen Gedanken den Kopf, der Traum war einfach verwirrend gewesen.

Das Gefühl, dass irgendwas nicht stimmte wurde ich allerdings nicht los, ich blieb einen Moment stehen, starrte die Decke an, bis ich den Entschluss fasste, der mir vorher nur nebelig im Kopf rumgewandert war . Ich muss nach Chase schauen, ich muss ihn finden.

Meinen plötzlichen Sinneswandel über einen Schwerverbrecher, der mich selber schon fast umgebracht hatte, verstand ich selbst nicht. Trotzdem lief ich in den Flur nachdem ich mir was angezogen hatte, zog mir Jacke und Schuhe an und lief dann sofort raus aus der Tür. Es war verdammt kalt, schon als ich die ersten Schritte durch den Schnee gelaufen war, bereute ich rausgegangen zu sein.

Was dachte ich mir eigentlich dabei? Ich lief dem Mann nach, der MICH verletzt hatte, dem ICH böse sein sollte und außerdem, mal so ganz am Rande, war er auch noch ein Verbrecher. Schimpfend über mich selber lief ich weiter, sah mich ein wenig um und dachte nach, wo wäre ich hin, wenn ich er wäre. Sofort erinnerte ich mich an das Viertel, in dem Ian und ich ihm zum ersten Mal richtig begegnet waren, in dem er mich das erste Mal angesehen hatte und sofort fasste ich den Entschluss, ihn dort zu suchen.

Kein besonders guter Plan, wie sich später herausstellte. Gestalten, dunkel gekleidet und mit Kapuzen ins Gesicht gezogen starrten mich auf meinem Weg an. Je weiter ich in dieses Viertel lief, desto mehr von ihnen wurden es. Ich hörte von überall irgendwelche Schritte, fuhr immer zusammen, wenn jemand hustete oder sich auch nur kurz bewegte.

Ich weiß nicht genau, wie ich bemerkt hatte, dass mir jemand folgte. Wahrscheinlich hatte er einfach nur laute Geräusche gemacht. Er lief mir nach, ganz deutlich kam er mir immer näher und wenn ich beschleunigte, beschleunigte er auch. Irgendwann, aus reiner Panik, rannte ich los. Meine Beine trugen mich so schnell sie konnten durch die engen Gassen und ab und zu sah ich mich um. Es war so dunkel hier, würde der Typ mich überfallen, würde mich weder jemand sehen, noch hören.

Mein Blick wanderte immer öfter nach hinten, meine Atmung beschleunigte sich immer mehr und meine Lungen begannen zu brennen. Ich spürte wie meine Kraft langsam nachließ, die Hand meines Verfolgers meine Hand streifte, als plötzlich...

Bumm! Ich knallte gegen etwas hartes. Ich erkannte sofort seinen Geruch, erkannte sofort gegen wen ich gerannt war und drückte mich an ihn, meine Arme fest um ihn presste ich meinen Körper gegen seinen. Die beiden redeten nicht, sie sagten gar nichts und das machte mir enorme Angst.

Die Brust, an die ich mich drückte, begann zu vibrieren. Chase knurrte, und zwar so laut und tief, dass selbst ich Gänsehaut bekam. Seine Muskeln waren angespannt, seine Körperhaltung verkrampft. Irgendwann wagte ich es, mich etwas zu dem Jungen zu drehen, der mir gefolgt war und erkannte, dass er eine Waffe in seiner Hand hielt, die genau auf mich gerichtet war.

„Mein alter Freund", grinste mein Verfolger, trat näher an uns ran bis der Lauf seiner Pistole an meinen Kopf drückte und ich wimmernd zusammenzuckte. Meine Hände krallte ich in Chases grauen Pulli:"Wir haben uns ja echt lang nicht mehr gesehen. Wen hast du denn da?", die Waffe drückte fester an meinen Kopf und mein Herz begann zu rasen.

„Lass das George. Er gehört mir", knurrte Chase nur, zog mich enger an sich und ich bekam die Chance, darüber nachzudenken, was ich jetzt machen sollte. Solche Situationen hatten wir spezifisch in der Ausbildung nicht gelernt und überhaupt war ich viel zu panisch.

Mein Herz donnerte an meine Brust, meine Augen hatte ich zusammengepresst und meine ganze Körperhaltung war verspannt. Ich spürte einen Atem an meinem Ohr, doch er roch nicht nach Chase, weswegen ich die Augen fester zupresste. „Aber, aber. Wir haben doch sonst auch immer geteilt", grinste er, sein Atem kam mir näher und ich presste meinen Kopf fester an Chases Brust:"Ich sagte er gehört mir!", hörte ich diesen aufgebracht knurren und sofort war der Atem in meiner Nähe verschwunden.

„Nagut. Wie du meinst", knurrte der Mann nur, grinste mich nochmal an:"Du weißt ja jetzt wo du mich findest", mit diesen Worten verschwand er hinter einer Straßenecke. Mein Körper entspannte sich etwas und ich löste mich langsam von Chase, der mich wegschob:"Verzieh dich Zwerg", knurrte dieser nur und völlig verwirrt sah ich ihn an.

„Du sollst verschwinden", wiederholte er nochmal und mir fiel erst jetzt richtig auf, dass er meinen grauen Pulli anhatte.

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Nanana, was ist denn mit Chase los?

Lucy x.

beauty in the beastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt