Prolog

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Eine Woche vor der Vampirismus Epidemie

„Ach komm schon Ralf, du weißt, ich könnte keinem Zwerg etwas zuleide tun."

„Trotzdem darfst du nicht in anderer Leute Garten rumhängen. Erst recht nicht in dem von Olaf."

„Ich schwör's dir, mit deinem Kollegen stimmt was nicht! Als er mich vorgestern mitgenommen hat, hab ich genau gesehen, dass seine Augen rot geworden sind! Ich denk mir sowas nicht aus, glaub mir, so viel Langeweile hab ich jetzt auch wieder nicht."

„Wieso sollte ich dir glauben, wenn nicht einmal dein Bruder dir glaubt?"

Viktor ließ den Kopf hängen. Inzwischen war er vom Hinterhof auf die Rückbank des Streifenwagens verfrachtet worden und trat den allzu bekannten Weg an.

Sonst, wenn das Gesetzt seine Wege kreuzte, sah man seinen Bruder, den schlechtesten Schmieresteher aller Zeiten, mit wehenden Fahnen davonlaufen. Nur heute war er nicht mitgekommen, weil eine an der er schon lange dran war endlich angebissen hatte, und er Viktor auch wirklich nicht glaubte.

Aber die roten Augen ließen Viktor keine Ruhe. Nach einer schlaflosen Nacht und einem Tag voller anderer Augen, die ihm plötzlich auch verändert vorkamen, hatte er sich bei Einbruch der Dunkelheit, hinter dem Haus von Olaf versteckt. Dort konnte er hinter einem Busch durch die bodenlangen Fenster ins Wohnzimmer spähen. Beobachten, ob er etwas Ungewöhnliches tat. Schweben oder an der Zimmerdecke kleben. Oder auch nur zuerst die Milch in die Schüssel kippen und dann die Cornflakes reingeben. Irgendetwas, egal was, da musste etwas sein. Aber leider war der auserkorene Busch wohl spärlicher bewachsen als gedacht und Ralf erschien, noch bevor er eine Bewegung im Haus erkennen konnte. Dafür waren seine Arme von Büschen zerkratz und ein unschuldiger Stein mit Hundescheiße beschmiert, in die er getreten war.

Regen fing an zu prasseln und Ralf machte die Scheibenwischer an. Sie waren alt, laut und hinterließen Schlieren. Am Rückspiegel baumelte ein gelbes Bäumchen. Viktor beugte sich nach vorn und krallte sich ins Gitter, um besser gehört zu werden. „Probierst du einen neuen Duft aus?" Ralf legte ihm schon zwei Jahren keine Handschellen mehr an, aber Viktor hatte dieses Mal auch so nicht vor wegzulaufen. Ein Polizist war genau das, was er gerade zum ersten Mal in seinem Leben brauchen könnte. „Also bist du offen für Neues. Das ist gut! Vielleicht hat Olaf eine neue Droge gefunden, irgendwo an einem Tatort und sich gedacht, hey was ist das, probieren schadet nicht, wir müssen doch auf dem neusten Stand bleiben und hat was weggeschnüffelt? Wieso nicht? Er wechselt sein Bäumchen fast jeden Monat. Wer weiß was er noch drauf hat? Oder er hat unabsichtlich in einer Fabrik was eingeatmet. Und das hat ihn total verändert, innerlich, im Gehirn, und die Augen sind das einzige Anzeichen dafür? Wer weiß schon was es für Fortschritte in der Scene gibt, also ich kenne mich ja auf dem Gebiet nicht so gut aus, vielleicht kann er jetzt im Dunkeln sehen oder sowas, hörst du mir überhaupt zu?" Viktor erzählte ihm noch seine anderen Theorien bis sie auf dem Revier vorfuhren.

Er kam zu den anderen in die Ausnüchterungszelle. Da es mitten in der Woche war, waren es nur die üblichen zwei Verdächtigen.

„Tach Holger, was geht Igor", grüßte Viktor und drehte sich wieder zu Ralf um, der klimpernd abschloss. Die beiden murmelten zur Antwort: „Tach" und „sadknies" was halt die Fresse bedeutete und dösten weiter.

Einen letzten Versuch startete Viktor noch und sagte so eindringlich wie möglich: „Ralf, ich meins ernst. Du musst das untersuchen, nimm eine Blutprobe oder sowas, das ist doch nicht normal."

„Halt endlich den Mund, bevor ich von dir eine Blutprobe nehme."

Viktor wollte grinsen, doch dann gefror ihm jede Regung im Gesicht, als er für einen Wimpernschlag, dasselbe rote Leuchten wie bei Olaf in Ralfs Augen sah.


Blutbeutel einer VampirinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt