Die meisten hatten mindestens einen Teil ihrer Familie verloren, andere waren völlig auf sich allein gestellt. Einsam und träge, den Überlebenswillen abtretend.
Man wusste nicht, ob man innerhalb oder außerhalb der Mauern sicherer war. So oder so war die Entscheidung, die man darüber traf endgültig. Wer erst einmal draußen war, kam nie wieder hinein. Und wer drin geblieben war, konnte sich nicht ewig vor den anderen in seiner Stadt verstecken.
V****V
Ein leichter Hauch ihres Parfüms war noch daran, aber nicht so viel, dass es ihren Eigenduft verdeckt hätte. Es war perfekt. Dante schloss den Deckel des Wäschekorbs wieder und sog den Duft ein weiteres Mal tief in sich ein. Die ganze Wohnung war davon erfüllt, aber sobald er sie verließ, würde es harte Arbeit sein ihren Spuren zu folgen. Schließlich war sie schon seit Wochen fort. Er ging in die Küche, nahm eine Tüte und wickelte den Stoff darin ein. In seiner Hosentasche würde sein eigener Geruch ihren mehr überdecken als der von Plastik.
Die Wohnung war groß, ein Penthouse in der Mitte der Stadt mit einem genialen Ausblick. Dante konnte sich nicht vorstellen je so zu leben. Auf dem Weg zur Eingangstür musste er wieder durch das kitschige Wohnzimmer und erst auf den zweiten Blick wurde ihm klar, was hier nicht stimmte. Weder an den Wänden, noch auf den Möbeln waren Bilder. Blumen und andere Deko-Gegenstände gab es haufenweise, aber Nichts, dem man ansah, dass hier ein Mädchen lebte, das Familie oder Freunde hatte. Besonders als Russin sehr ungewöhnlich. Entweder waren alle tot und sie wollte keine Bilder von ihnen sehen, oder das alles waren gar nicht ihre Sachen und sie lebte in einer Wohnung, die verlassen wurde, überlegte er und erinnerte sich an die Bilder, die in seinem Elternhaus regelmäßig peinliche Geschichten preisgaben, wenn Besuch kam und schüttelte sie schnell wieder von sich.
Dante schloss die Tür hinter sich und nahm ihre Fährte auf. Viktor hatte ihm gesagt, durch welches Tor sie die Stadt verlassen hatten, aber es war inzwischen zu Ende gebaut und verschlossen, sodass er einen Umweg nehmen musste. Schon bald nach der Krönung der Stadtbesitzer hatten sie angefangen Mauern um ihren Besitz zu errichten. Allen war klar, dass der Vorrat an Blutbeuteln in kürzester Zeit zu Neige gehen würde und so machte man den Schutzwall auch sicher vor Vampiren. Menschen kamen nicht mehr raus, und fremde Vampire konnten nicht hinein.
Dante stellte das Radio an und ließ das Beifahrerfenster offen. Früher war er ständig gependelt, von Berlin nach Hamburg. Zwischen Freundin und Arbeit. Damals war er so verliebt gewesen, dass es ihm nichts ausgemacht hatte. Heute war alles ganz anders. Jede Minute, die er Zeit hatte zum Nachdenken, quälten ihn seine Erinnerungen.
Die meisten Bilder davon waren mit rot gemalt.
Und die einzige Person, die ihn davon ablenken konnte, rückte in weitere Ferne, solange er auf das Gaspedal drückte.
Die Fahrt schien eine Ewigkeit zu dauern.
V****V
Wind wehte ihm die strähnigen Haare ins Gesicht. Er hatte sich in den letzten zwei Tagen nicht die Zeit genommen für eine Pause, geschweige denn eine Dusche. Kaugummi kauend, überlegte er, wie er es anstellen sollte.
Soweit er wusste, hatte sie Waffen, aber sie war eine Frau, also machte er sich keine allzu großen Sorgen und klingelte einfach.
Er hörte wie sie ihre Schüssel mit Salat abstellte, aufstand und in den viel zu großen Hausschuhen zur Tür schlürfte. Sie schaute durch den Spion und stellte fest: „Ich kenn dich nicht."
Eine kurze Pause entstand, in der er sich fragte, warum sich ihr Herzschlag nicht merklich veränderte. Dann, bevor er den Mund aufmachen konnte, drehte sie schon an dem Schlüssel und öffnete die Tür.
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Blutbeutel einer Vampirin
VampireAus kontrollierter Ausbeutung wurde unkontrollierte Ausblutung. In nur einer einzigen Nacht, bei einem koordinierten Schlag, gaben sich Vampire der Öffentlichkeit zu erkennen. Angefangen mit der Wandlung eines Rothschilds, endete jedes hohe Amt in d...