6 Zain

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Die Gerüchteküche brodelte. Die einen sagten es wären Rentner mit militärischem Hintergrund, andere meinten Gott hätte Engel zur Hilfe gesandt. In jedem Fall schienen einige Lebensmüde aus ihren Verstecken zu kriechen und ein Jahr nach dem Ausbruch der Vampirplage endlich organisierte Gegenangriffe zu unternehmen. Besser spät als nie, doch es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, bis keiner mehr von ihnen übrig blieb...

V****V

Verzweifelt suchte er nach mehr, als nur Mordlust und Hass in ihrem Ausdruck, doch da war nicht mehr. Nichts was ihm Hoffnung gab. Drei Schritte vor ihr blieb er stehen. Ihre Haare waren offen und vom Wind zerzaust – sie hatte sich beeilt. Die Sonne war erst seit fünfzehn Minuten unter gegangen. Sie sagte kein Wort und seine Angst wuchs mit jeder Sekunde, die verging. Er versuchte den Blickkontakt zu halten, sie abzulenken, doch als Ina Gas gab, verlor er sie.

Mirandas Blick gab den Besitz seiner Augen auf und heftete sich auf das Auto hinter ihm. Er sah wie sie sich in Bewegung setzen wollte und wusste, er musste Handeln. Mit zwei Schritten war er bei ihr, packte ihre Schultern, sah von ihren stechenden Augen zu ihren blutigen Lippen und presste die eigenen darauf. Sie schmeckte schmerzhaft nach Eisen und doch zuckte seine Wünschelrute als hätte sie etwas Ersehntes gefunden. Er hörte wie sie die Luft anhielt – sie hatte schon so oft versucht ihn zu küssen, aber die Überraschung hielt nur kurz, denn sofort schob sie ihn grob von sich um ihren Plan umzusetzen.

„Mira." Seine Hände hielten sie noch immer fest, seine Stimme war sanft und er trat wieder so nah, dass seine Hüfte an ihre lehnte. „Bitte."

Ina fuhr an ihnen vorbei. Miras Lippen zitterten und er sah endlich Hoffnung in Form von Tränen in ihre Augen steigen.

Miranda starrte noch eine Weile Inas Wagen hinterher, während sich sein Magen umzudrehen schien. Dann sah sie zu ihm hoch und er musste schwer schlucken. Eine Entschuldigung lag ihm auf den Lippen, aber die würde nicht Ansatzweise genug sein. Sie sagte noch immer kein Wort und er wurde immer verzweifelter.

In ihrem Gesicht spiegelte sich nur wenig von dem Kampf wieder, den sie in ihrem Inneren führte. Sie sollte seinen Hals von seinem dummen Schädel befreien, doch ihr gefiel die Kombination einfach zu sehr.

Er trat näher und legte den Kopf zu Seite, wollte es irgendwie wieder gut machen, aber sie ballte ihre Hände zu Fäusten, kehrte ihm den Rücken und ging zum Motorrad. Dort nahm sie den Helm und sah ihn genervt wartend an. Um sie nicht noch wütender zu machen, setzte er sich schnell in Bewegung. „Der Wagen war gepanzert, ich hätte auch..." Vielleicht war es nicht die beste Idee sich so rauszureden.

Die Zähne bleckend, packte sie ihn am Kragen. Ihr Blick wanderte zu seinen Lippen. „Ich habe sie an dir geschmeckt."

Ihre Stimme klang so bitter, dass er schwer schlucken musste.

„Ich werde sie finden."

„Mi..."

Sie packte sein stoppeliges Kinn, sodass er nicht weiter reden konnte. „Ich will nichts hören. Du hast dich überwunden mich zu küssen! Nur wegen ihr! Wie soll ich je sicher sein, dass du nicht wieder ausreißt um nach ihr zu suchen."

Wieder zitterten ihre Lippen und sie drehte sich schnell weg, wollte ihn ihren Schmerz nicht sehen lassen. Aber sie hatte ihm schon mehr Beweise als nötig geliefert. Sie hatte sich schon lange in ihn verliebt.

Viktor rieb sich den schmerzenden Kiefer und trat an sie heran.

„Ich bin nicht vor dir geflohen, sondern vor Zain." Sanfter als je zuvor in seinem Leben, legte er seine Arme um ihre Taille und strich leicht über ihr Shirt, als würde er ein Kätzchen trösten. Er zwang sich langsamer zu atmen, wieder runter zu kommen. Sie bewegte sich nicht. Ihr Haar roch wie immer nach Pfirsichshampoo. Viktors Kinn legte sich an ihre Schulter. Er wollte ihr sagen, dass er Ina nur zufällig getroffen hatte, doch das würde sie ihm sowieso nicht glauben. Schlussendlich konnte er auch nicht leugnen, dass er Ina sehen wollte.

Blutbeutel einer VampirinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt