Kapitel 13

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Seit gefühlten Stunden wälzte ich mich von der einen auf die andere Seite. Ich sah ständig nur Erik vor mir, wie er total liebevoll zu mir war und mich dann plötzlich fallen ließ, bevor mein bester Freund mich vor der ganzen Nation gedemütigt und ausgelacht hatte. Dieser Schmerz saß so tief, dass ich nicht einmal beschreiben konnte, was ich in diesem Moment gefühlt hatte. Alles. Wirklich alles entglitt mir. Ich wusste nicht mehr was richtig oder falsch war. Was oben oder unten war. Alles stand Kopf. Meine Welt war nicht mehr dieselbe. Erik war nicht mehr derselbe. Er war anders zu mir. So distanziert und so unnahbar. Ich wusste nicht mehr wie er tickte geschweige denn was er mochte. Wir hatten uns entfernt. So sehr, dass ich meinen besten Freund nicht wieder erkannte. Ich verstand nur nicht warum? Warum war ich ihm plötzlich egal? Warum traf er Entscheidung, die auch mich betrafen? Warum erzählte Erik solche gemeinen Sachen über mich? Ich war doch immer für ihn da. Ich hatte immer alles für ihn gemacht beziehungsweise getan. Egal was es war. Ich hatte sogar seine Hausaufgaben gemacht, wenn der Fußball für ihn Vorrang hatte, ohne, dass ich etwas dafür zu verlangen. Ich hatte ihn doch noch nie fallen gelassen. Doch er tat es. Er ließ mich fallen. In die Tiefen. Mein kleines errichtetes Schloss fiel in sich - in kleine winzige Einzelstücke - zusammen. Alles machte Erik mit seinen Taten und Worten kaputt. Einfach alles. Am liebsten würde ich meine Taschen packen und wieder nach Hause fahren. Doch das konnte ich nicht. Ich konnte ihn nicht alleine lassen. Dazu war ich einfach nicht imstande. Erik brauchte mich. Ich war sein Glücksbringer. Doch war ich es wirklich noch? Ich meine, er könnte mich schon längst ausgetauscht haben. Gegen diese Jenny. Sollte ich mich wirklich auf dieses Niveau heruntergeben und hier bleiben, um um Erik kämpfen zu können oder war es doch die bessere Idee einfach zu verschwinden?

Er war einfach nicht mehr der kleine Junge aus dem Sandkasten, der mir nicht einmal böse war, wenn ich ihm die Sandburg kaputt gemacht hatte. Vielleicht lag es an meinem Lächeln, dass ich ihm immer geschenkt hatte - wenn ich es aus versehen getan hatte - sodass er mir immer verziehen konnte. Ich meine er hatte meine Sandburg genauso kaputt machen können - so wie ich seine - doch, das tat Erik nie. Er nahm mich meistens in den Arm und drückte mich. So wie auch heute. Oder eher gesagt vor ein paar Wochen, bevor sich alles verändert hatte.

Doch was sollte ich tun?

Ich wusste es nicht. Ich wusste es einfach nicht. Mein Herz sagt ich sollte bleiben, doch mein Kopf sagt ich sollte gehen. Auf wen soll ich nur hören?

Doch am Ende traf ich eine Entscheidung, die für mich die Richtige war, auch, wenn ich mir damit selbst weh tat. Es ging einfach nicht mehr. Ich konnte nicht mehr so weiter machen.

Erik Durm

Besorgt versuchte ich Josi nun zum gefühlt tausenden Mal anzurufen, aber sie ging einfach nicht ran. Entweder drückte mich meine beste Freundin weg oder sie ignorierte meine Anrufe gänzlich. Ich war verzweifelt. Josi war eigentlich die zuverlässigste Person, die ich kannte. Es war so untypisch für sie. Doch es musste einen Grund geben, warum sie es tat. Aber es verletzte mich, dass Josephine mit mir darüber nicht sprach. Ich war doch ihr bester Freund. Was war nur passiert, dass sie sich mit ihren Problemen nicht mehr an mich wandte? Ich war immer für sie da und fing sie auf, wenn es ihr nicht so gut ging. Ich würde alles für Josi tun. Aber wahrscheinlich hatte es mit Jenny zu tun. Vielleicht war es ein Fehler. Vielleicht aber auch nicht. Ich weiß es nicht. Ich fühle mich einfach so schlecht. Ich weiß einfach nicht mehr was ich denken soll geschweige denn was ich tun soll. Alles war plötzlich so anders und so kompliziert.

Josi und ich hatten uns verändert. Wir waren einfach nicht mehr die, die wir früher einmal waren. Alles war so anders. Alles war nicht mehr so einfach wie damals als wir zusammen im Sandkasten gespielt hatten und Josi mich mit einem ihrer bezaubernden Lächeln angelächelt hatte, als sie - aus versehen natürlich - meine Sandburg zerstört hatte. Aber ich war ihr nie böse. Ich konnte ihr einfach nicht böse sein. Aber wahrscheinlich konnte ich es so gut, weil Josi nie über mich gelacht hatte, als ich wie immer eigentlich, als verpeiltes Dürmchen betitelt wurde.

Wir waren beste Freunde seitdem ich denken kann. Ich möchte Josi einfach nicht verlieren, weil sie mir wichtig ist. Wichtiger als alles andere als auf der ganzen Welt. Wichtiger als der Fußball.

Vielleicht… Nein. Das war es auf keinen Fall.

Viel zu übermüdet, machte ich mich auf den Weg in die Cafeteria. Ich hatte eigentlich überhaupt keine Lust etwas zu frühstücken, aber so wie ich Joachim Löw kannte, würde er es keine einzige Minute dulden, wenn einer von seinen Schützlingen ein Essen versäumen beziehungsweise auslassen würde. Und ich war eigentlich immer Mal einer dieser Kandidaten, der ein Mahl vergessen hatte.

Josi war eigentlich immer die, die mich geweckt und mich daran erinnert hatte. Was würde ich nur ohne sie tun? Was wäre ich ohne sie? Ich wäre nicht der Mann, der ich heute war. Ich wäre ein Nichts. Ein Niemand.

Ich ging langsam zum Essenssaal, bevor ich von einer schrillen Stimme aufgehalten wurde. Warum tat ich mir das nur an?

Jenny, die mir heute dezent auf die Nerven ging, klammerte sich an meinen Arm und drückte mir mit ihren langen Fingernägeln halb das Blut ab. Warum nochmal hatte ich sie mitgenommen?

“Erik Schatz? Warum siehst du denn heute so schlecht aus?” Wenn sie wüsste - was sie glücklicherweise nicht wusste, würde Jenny mich nicht so besorgt danach fragen.

Doch ich konnte ihr darauf nicht antworten. Ich wusste einfach keine Antwort darauf. Mir ging es einfach beschissen.

Ich öffnete die Tür des Speiseraumes und würde sofort von Elena angesprochen. Konnten die mich heute nicht einfach alle in Ruhe lassen und sich um jemanden anderes kümmern?

“Erik, können wir uns kurz unterhalten? Es ist wichtig.” Ich spitzte sofort meine Ohren und sah Elena neugierig an. Wenn Josis beste Freundin auf mich zu kam, dann konnte es nur um sie gehen.Vielleicht sollte Elena mir eine Nachricht überbringen. “Allein”, fügte sie mit Nachdruck hinzu und sah dabei meine “bessere Hälfte” an.

Jenny löste sich von meinem Arm und ich atmete kurz erleichtert aus. Neugierig sah ich zu Elena, die vor mir stand und mich besorgt musterte. Doch es ging hier nicht um mich, sondern um Josi. Ich wollte endlich wissen was los war...

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