♕ 11 • Der Fremde aus dem Norden ♛

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Jungkook

Die Spannung ist praktisch bei jedem einzelnen Anwesenden spürbar und das bereits seit heute Morgen. Vater hat sich unglaubliche Mühe gegeben um alles für unseren Gast vorzubereiten. Es sollte nur das beste Fleisch für das spätere Essen geben und selbst wir mussten uns heraus putzen, vor allem natürlich meine Schwester.

Ich kann mir gut vorstellen, dass sie versucht hat sich zu weigern, dass sie den Bediensteten sogar Probleme bereitet hat, aber letztendlich haben wir beide wohl keine Wahl. Niemand wollte das hier, am aller wenigsten sie, aber wenn Vater sich etwas in den Kopf gesetzt hat und wenn er einen Entschluss fasst, dann kann man ihn nicht wieder rückgängig machen. Er ist unglaublich Stur, vor allem dann, wenn es der Festigung der Macht unseres Landes dient.

Alle Blicke richten sich auf die Kutsche, die durch das Tor gefahren kommt und die das wohl kostbarste Gut in der Geschichte von Skravis transportiert. Kostbar in dem Sinne, dass das, oder besser gesagt der, der sich darin befindet, von äußerster Seltenheit und Wert ist. Seit Ilkvid damals in Norden und Süden und damit in Illiora und Skravis geteilt wurde, gab es keinen Versuch den Frieden wiederherzustellen, der es so weit geschafft hat. Dieser Prinz in der Kutsche könnte also tatsächlich den Waffenstillstand bewirken, zusammen mit meiner Schwester.

Alle bediensteten haben sich jeweils links und rechts von der Kutsche postiert und versuchen voller Neugier einen Blick in das innere zu erhaschen als sie vor uns hält. Es sind unglaublich viele Menschen auf Geheiß meines Vaters hier, hunderte bedienstete und Adelige, die gekommen sind, weil er es ihnen sagte und weil sie den verfluchten Prinzen sehen wollen.

Vater, Joohyun und ich stehen knapp Elf Meter von der Kutsche entfernt, direkt gegenüber von der Tür, die sich jeden Moment öffnen und aus der der Prinz kommen könnte. Gestern hatte ich nicht mehr die Chance mit meiner Schwester zu sprechen, sie hat jeden meiner Versuche abgeblockt nachdem sie mir die Tür vor der Nase zu geschlagen hat, aber jetzt, wo wir direkt nebeneinander stehen, nutze ich die Chance bevor die Tür sich öffnet und beuge mich zu ihr.

"Hast du Angst?", frage ich und versuche sie mit einem Lächeln zu trösten, aber ihr Blick verrät bereits was sie von meinem Versuch der Annäherung hält. Ihr Kiefer ist angespannt, das sonst so wunderschöne und friedliche Gesicht wirkt Gefühllos, sie macht fast schon einen resignierten Eindruck. Sie sieht mich nicht an, ihr Blick ist starr nach vorne gerichtet, aber ich weiß, dass sie in Gedanken bei mir ist.

"Ich habe keine Angst. Ich weiß, was man sich über ihn erzählt, dass er schwach und kränklich sein soll und das er Menschen umbringen kann ohne sie zu berühren, aber ich habe keine Angst. Weißt du warum?" Sie verschränkt die Hände ineinander und spricht weiter ohne mich anzusehen. "Mein Leben ist mir schon lange nichts mehr Wert."

Das Lächeln verschwindet langsam aus meinem Gesicht und mein ganzer Körper versteift sich bei ihren Worten. Mir war bereits klar, dass sie, außer in den Sternen, schon lange keine Freude mehr im Leben gefunden hat, aber sie hat es mir noch nie so direkt, noch nie so voller Abscheu ins Gesicht gesagt und ich weiß was das bedeutet. Sie möchte mir damit sagen, dass auch ich Schuld daran habe. Vielleicht nicht an dem Tod des Lords, ihres verstorbenen Ehemannes, aber an der jetzigen Situation.

Ich öffne erneut den Mund um ihr zu sagen, dass es mir leid tut und das sie mich bitte nicht hassen soll. Ich möchte ihr sagen, dass Vater sich das in den Kopf gesetzt hat und er es sich nicht ausreden lässt, aber das ich alles versuchen werde um diese Hochzeit zu verhindern, aber in dem Moment verändert sich irgendetwas ganz klar in ihrem Gesicht.

Der angespannte und kalte Ausdruck darin weicht zuerst der Verwunderung und der Fassungslosigkeit. Ihr Mund bleibt ihr offen stehen während sie etwas voller Faszination und mit großen Augen anstarrt. Es ist erschreckend, wie sich die Gefühle im Gesicht eines Menschen so schnell von der einen Sekunde auf die andere verändern können, vor allem bei Joohyun. Verwirrt über das ganze folge ich ihrem Blick und brauche nicht lange nach dem Ursprung für all die Bewunderung suchen.

Die bediensteten, die in Scharen links und rechts von ihm stehen, starren ihn an wie jemanden aus einer ganz anderen Welt, genau wie Joohyun und verübeln kann ich es ihnen in keinem Fall. Die Art und Weise, wie er an ihnen vorbeimarschiert, das Kinn erhoben, den Rücken gerade und den Blick fest nach vorne gerichtet, zeigt wie sehr er von sich selber überzeugt ist. Alleine sein Gang auf uns zu strahlt unglaublich viel Macht aus, aber das ist sogar das unspektakulärste an ihm.

Mein Blick wandert seine überwiegend blauen Gewänder, ganz in der Farbe des Wappens seines Landes, entlang nach oben, bleibt kurz an den Fingern stehen, die beschmückt sind mit so vielen Ringen, dass man sie nicht zählen kann, etwas was nicht untypisch ist für Illiorische Bräuche, sie lieben Schmuck, und wandert dann anschließend nach oben zu seinem Kopf.

Es ist sein Haar, das mir als aller erstes auffällt, aber das mag wohl keinen groß wundern, wenn man bedenkt in was für einer Farbe es leuchtet. Ein silber, so wunderschön, dass es ihn unwirklich erscheinen lässt. Ich wusste bereits, dass verlorene Kinder sich durch ihr ungewöhnliches Aussehen auszeichnen, zumindest wurde es mir so erzählt, aber das hier ist nicht ungewöhnlich, es ist besonders und es sind nicht nur seine Haare, die es sind.

Seine Augen sind ebenso besonders, vielleicht sogar noch besonderer, denn die fallen einem noch viel mehr auf als all der Schmuck an seinen Fingern und seinen Ohren. Sie sehen einen kühl an, ebenso wie sein ganzes Gesicht mit dem er uns vollkommen Ausdruckslos mustert, noch mehr als meine Schwester bis vor kurzem, aber sie sind dennoch wunderschön. Sie leuchten praktisch, in einem Gold so satt, dass es selbst das beste Gold des Kontinents in den Schatten stellt.

Er hat nichts mit dem Prinzen gemein, von dem man sich überall erzählt. Er sieht weder furchteinflössend, noch hässlich und kränklich aus, ganz im Gegenteil. Dieser Prinz strotzt nur so vor Macht, vor stärke und er ist wunderschön, schöner als es irgendein Mensch je sein könnte.

Das Gemurmel, das ich erst bemerke als er bei uns ankommt, verstummt Augenblicklich als er sich vor meinem Vater und Joohyun verbeugt. Seine Haare fallen ihm kurz ins Gesicht, aber er lässt den Blick meines Vaters keinen Moment lang los, als würde er ihm zeigen wollen das er keine Angst vor ihm hat.

Joohyun, die von ihrer Abneigung gegenüber gar nichts mehr zu wissen scheint, beantwortet seine Begrüßung mit einem Knicks und starrt ihn die ganze Zeit über an, als könnte sie nicht fassen das dieser Mann tatsächlich existiert, aber wer kann es ihr verübeln?

Nur kurz wandert sein Blick zu mir, streift mich nur bevor er ihn wieder abwendet und meinen Vater ansieht, als wäre ich nichts weiter als ein Bediensteter, vollkommen unwichtig für ihn. Ich muss zugeben, dass sich Enttäuschung in mir breit macht, auch wenn ich nicht weiß warum. Von Anfang an war ich dagegen ihn hierher einzuladen, einerseits weil er mir vollkommen fremd ist, ein verfluchter Prinz, der für uns alle zur Gefahr werden könnte und zum anderen, weil mein Vater nichts gutes mit ihm vor hat, aber jetzt bin ich anderer Meinung.

Er ist nach wie vor der fremde, verfluchte Prinz aus dem verfeindeten Norden, etwas was normalerweise sofort das Verlangen in mir weckt auf Abstand zu gehen und noch dazu ist er der verlobte meiner Schwester, aber dennoch kann ich nicht anders als ihn anzusehen und mich auf die Zeit zu freuen, die er bis zur Hochzeit hier verbringen muss.

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