Kapitel 1

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Ich konnte nicht länger mit geschlossenen Augen herumliegen. Der Kopfschmerz hatte nachgelassen. Ich befürchtete allerdings, er würde wiederkehren, sobald ich die Augen öffnete. Es half aber nichts. Ich musste. Atemluft strömte regelmäßig in meine Lungen und meine zwei – zwei? –zwei! – Herzen schlugen im Takt. Waren körperliche Veränderungen nicht nahezu ausgeschlossen? Energie kribbelte in meinem Körper und wollte in Taten umgesetzt werden. Ich fühlte mich wie ein ADHS-Kind auf Drogen.

Ich öffnete die Augen. Schon wieder Pink. Ich war in einem runden Raum, der, obwohl alles pink war, sehr technisch auf mich wirkte. Wände, Rohre, Hebel, Knöpfe, Computer, Kabel, Ohrensessel mit Plüschbezug, Fußboden, Tür – alles pink, magenta, rosa. Ich sah an mir herab: pinke Pumps, Feinstrumpfhosen in Hautfarbe– Gott sei Dank!-, pinker Rock in knielänge, Blazer mit dreiviertel Armen und Schößchen ebenfalls in pink. Dieses Outfit erinnerte mich dunkel an etwas. Nur an was? Eine pinke Haarsträhne fiel mir ins Gesicht. Ich befürchtete das Schlimmste. Mein Verstand begann langsam zu arbeiten und teilte mir mit, dass ich in einem Raumschiff war. In meinem Raumschiff. Ich kramte ein wenig herum und fand einen Spiegel. Wider Erwarten waren meine Haare nicht komplett pink. Der größte Teil war eine Mischung aus braun und rot und ordentlich zu einer Banane aufgesteckt. Ich erinnerte mich dunkel daran, dass dies keine große Veränderung darstellte. Mein Gesicht war das einer Puppe: große Augen, Kussmund, nettes Make-Up, Doppelkinn. Uhhh! Erst jetzt wurden mir meine körperlichen Ausmaße bewusst. Ich war eine ziemlich runde Matrone mit Fußballerwaden. „Nun ja" dachte ich mir „Es ist, wie es ist." Nur wenige später entdeckte ich die ernüchternde Wahrheit: Ich sah genauso aus wie vorher. Lediglich die pinke Strähne war neu.

Ich griff in die dezente Innentasche meines Blazers. Eine Brille?! Eine schwarz gerahmte Cateye-Brille, offensichtlich ohne Stärke, bahnte sich ihren Weg nach draußen. Erstaunlich, wo sonst alles pink war. Sie konnte nichts Besonderes, außer mich etwas nerdig aussehen lassen. Meine Allzweck-Nagelfeile war auch da und einsatzbereit. Ebenso mein Ausweis mit gedankenmanipulierendem Papier und Nummer 15, mein Schallschraubenzieher. Wo war meine Tasche? Ich suchte in dem Chaos um mich herum nach meinem pinken Gucci-Shopper und fand ihn unter einem der plüschig-pinken Cocktailsessel. Puh! Niemals ohne Tasche!

Ich bereitete einen mentalen Check vor:

Körperlicher Status: einsatzbereit.

Nagelfeile: einsatzbereit

Schallschrauber: einsatzbereit

Schiff: einsatzbereit

Tasche: einsatzbereit

So weit, so gut.

Ich bin eine Timelady.

Ich stamme vom Planeten Gallifrey, der im letzten Krieg zerstört wurde. Ich schlug mir leicht gegen die Schläfe und revidierte diese Erinnerung. Ich stamme von der Erde.

Ich bin die letzte meiner Art. Diesmal schlug ich auf die andere Schläfe. Ich bin die erste meiner Art, zumindest in dieser Dimension.

Ich reise durch die Zeit und schaffe Probleme aus dem Universum. Zumindest war so der Plan. Geleistet hatte ich in dieser Hinsicht noch gar nichts.

Ich habe eine besondere Beziehung zur Erde. In gewisser Hinsicht.

Mein Raumschiff ist ein lebendiger Organismus. Es heißt Tardis. Die Kurzform für Time and relative Dimensions in Space. Und es ist pink! Fast alles ist pink! Wie kann man nur pink mögen? Ich stockte kurz. Ich mochte Pink. Zumindest mochte ich es vor der Verwandlung. Daher werde ich wohl Pink in dieser Größenordnung ertragen können, auch wenn es einen leichten Brechreiz bei mir hervorruft.

Ich checkte kurz den Computer um zu sehen, wo ich gelandet war. Mein Gespür für die Zeit hatte mich doch gerade etwas im Stich gelassen. Theoretisch sollte ich zu Hause sein, in meiner Zeit. Die Tardis verriet mir etwas anderes: Erde, Europa, Deutschland, Berlin, 2352. Damit konnte ich etwas anfangen. Aber sollte ich nicht eigentlich zu Hause sein, im Berlin 2017? Da war doch was mit dem roten Knopf? Ich schob den Gedanken beiseite. Diesen Punkt im Zeitstrom hatte ich noch nie besucht um Katastrophen von der Menschheit abzuwenden. Ha! Genauer gesagt, hatte ich noch gar keine Katastrophe von der Erde abgewendet und keine anderen Punkte im Zeitstrom passiert, als die linear verlaufenden meiner Existenz. Das änderte sich jetzt. Gleich. Etwas später. Vorerst drehte ich mich inmitten der Tardis langsam um mich selbst und ließ dazu zur Motivation „Don't stop me now" von Queen laufen. Wer wusste schon, was mich außerhalb der Tardis erwartete. In dieser anderen Zeit. Ich atmete tief ein, drückte den Rücken durch, zog den Riemen meines Shoppers über die Schulter und schritt zur Tür. Auf in ein neues *pardon* erstes Abenteuer. Ich öffnete die Tür und trat hindurch in...

The Doctoress - Think Pink! (1) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt