Kapitel 11

58 22 12
                                    

Ich hatte mir auf der Reise einen optischen Illusions-Transmitter gebaut, der mich anders aussehen ließ und den ich per Druck auf meine Brosche am Revers meines Kostüms an und ausschalten konnte. So trat ich als langbeinige, superschlanke Blondine aus der Tardis. Das einzige, was ich nicht umprogrammiern konnte, war diese dämliche pinke Strähne meines Haares. Sie ließ sich einfach nicht übertünchen.

Ich hatte mir Zeit gelassen und traf ein halbes Jahr nach meiner Abreise wieder in Berlin ein. Die Zeit hatte ich genutzt um Ordnung in mein Hirn zu bringen, mich vertrauter mit der Tardis zu machen und in ohrenbetäubender Lautstärke meine Musik zu hören.

Ich brachte in Erfahrung, dass alles wieder in gewohnten Bahnen lief und Marcus Chef der Plus-Size-Model-Agentur „48+" geworden war.

Das Glück war mir hold. Er suchte eine neue persönliche Assistentin. Und ich bekam einen Termin für ein Vorstellungsgespräch.

„Guten Tag Frau Schmidt." Er blickte auf und taxierte mich ab. „Setzen sie sich doch bitte."

Ich setzte mich.

„Ihre Strähne im Haar erinnert mich an jemanden."

Verdammt.

Er griff einen Bilderrahmen auf seinem Schreibtisch und zeigte mir ein Foto. Es war das von der Fensterbank. Ich schluckte.

„Ist das ihre Frau?"

„Nein, das Foto ist bei einem Shooting entstanden." Er blickte verträumt drein. „Sie ist eine gute Freundin von mir. Ich habe sie lange nicht gesehen und frage mich... Okay, aber sie sind hier, weil sie einen Job brauchen oder? Nicht um sich meine privaten Gedanken anzuhören."

„Oh, ich denke, dass es durchaus hilfreich sein kann, wenn man ein guter Zuhörer ist."

„Da haben sie wohl Recht." Er sah mich mit aufrichtigem Interesse an. „Sie kommen mir so bekannt vor. Haben wir uns schon einmal gesehen?"

Autsch. Hoffentlich versagte die Technik nicht. Wie lange konnte ich diese Schmierenkomödie noch aufrechterhalten?

„Also ich für meinen Teil habe sie schon öfter gesehen." Ich lächelte ihn an.

Er begann mit dem allgemeinen Vorstellungs-Bla-Bla. Ich genoss es, ihn reden zu hören und antwortete, wenn es nötig war. Dann kamen wir zu dem Teil, an dem er fragte: „Haben sie noch Fragen?"

Und ich konnte nicht mehr. Meine Hand wanderte zur Brosche. „Einen Wunsch hätte ich da noch..."

„Der wäre?"

Ich schaltete die optische Illusion aus.

„Eine Umarmung?"

Wie der Wind war Marcus um den Tisch herum geflitzt und ließ sich nicht davon abhalten mich zu drücken.

„Du bist hinterhältig.", nuschelte er in mein Haar.

„Ich weiß."

„Du bist gemein. Hast mich so lange warten lassen."

„Ich weiß. Aber jetzt bin ich da."

„Ich könnte heulen vor Glück."

„Untersteh dich. Deine Wimperntusche könnte verlaufen. Ich habe dir aber noch etwas mitzuteilen."

Wir lösten uns aus der Umarmung. Ich atmete tief durch.

„Wenn ich dich diesmal verlasse wird es für immer sein.", sagte ich resolut.

Er erstarrte.

„Das kannst du nicht tun."

„Doch, das kann ich. Du hast ein Leben in Frieden und Freiheit verdient. Ein Leben, in dem du eine tolle Frau kennenlernen wirst. Mit der du Kinder produzieren solltest, reichlich. Und ihr sollt glücklich und zufrieden in einem Haus am Rand der Stadt wohnen und zusammen alt werden. Ich wünsche mir das so sehr für dich."

Er dachte nach. Einen kleinen Augenblick.

„Hast du dich schon einmal gefragt, was ich möchte?"

Ich druckste herum. Das hatte ich nämlich nicht. Es stand nicht zur Debatte. Er ließ die Frage erstmal im Raum stehen: "Ich habe recherchiert, weil mir diese Sache so unheimlich surreal vorkam, und bin dabei auf diese gewisse Fernsehserie gestoßen. Kennst du sie?"

„Ja, die kenne ich."

„Diese Serie hat ziemlich viel Ähnlichkeit mit dem, was du tust. Und ich habe noch weiter recherchiert. Es hat mir keine Ruhe gelassen. Es gab da so einen Vorfall in England. Ab September 2017 wurde dort eine Frau vermisst, die eine Seniorenreise begleitet hat. Zufällig gab es da einen Flohmarkt mit der größten Doctor-Who-Merchandising-Sammlung."

Ohoh, mir schwante da so einiges. Spoiler!

„Sie wurde jahrelang gesucht. Ihre Fotos hingen überall. Kennst du sie?"

„Japp.", sagte ich kurz und knapp

„Was ist damals passiert?"

„Etwas ganz Wundervolles und zugleich ziemlich Verrücktes."

„Ich wünsche mir, dass du mir davon erzählst, und ich wünsche mir, dass du es tust, wenn wir zusammen weitere unglaubliche Sachen erleben." Er hatte mich wieder umarmt. „Wir sind so ein gutes Team. Jeder Doctor und verdammt noch mal auch jede Doctoress braucht einen Assistenten. Ich kenne dein Geheimnis und ich kenne deinen Namen, R...."

Ich presste ihm einen Finger auf die Lippen.

„Sag ihn nicht. Mit diesem Kapitel meines Lebens habe ich abgeschlossen. Ich kann nie wieder dorthin zurück und will es auch nicht." so dachte ich zumindest in diesem Augenblick. Nicht wissend, was noch geschehen würde.

„Aber, wir können ein neues Kapitel schreiben. Das erste einer anderen spannenden Geschichte. Lass mich mit dir gehen."

„Du willst es wirklich, hä?"

„Um alles in der Welt."

„Bis du genug hast oder stirbst?

„Bis ich genug habe oder sterbe."

„Und du wirst mir keine Vorwürfe machen, dass ich dich zu irgendwas verleitet habe oder an irgendwas schuld bin?"

„Nein."

„Sag das nochmal." Ich zückte mein Handy um einen Videobeweis zu haben.

Ich rief die Tardis mit meiner neuen Funkfernbedienung und zog ihn hinter mir her durch die Tür.

Auf in ein neues Abenteuer.    

The Doctoress - Think Pink! (1) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt