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Camanero brachte eine weitere Gruppe Überlebende, doch niemand von ihnen war Evangheline.
Unbewusst suchte Lewi immer wieder in der Dunkelheit der Nacht nach ihrem Gesicht, den kleinen Hörnern in der Lockenmähne, doch jedes Mal wurde seine Aufmerksamkeit zu einer anderen Aufgabe zurückgeholt, ohne dass er aufatmen konnte. Sie musste hier irgendwo sein. Die Vorstellung, dass ausgerechnet die Gazel nicht überlebt hätte, schnürte ihm die Kehle zu. Es fühlte sich wie eine Niederlage an, obwohl es noch so viel gab, für das sie weiterkämpften.
Und dann war da noch dieser Junge. Er immer wieder beobachtete er ihn sprachlos.„Hier drüben!" Ein ganzes Stück von ihnen entfernt, nahe dem Waldrande fuchtelte Camanero mit den Armen. Sein Zauber hatte gewirkt- er hatte die entflohenen Pferde gefunden. Wenigstens etwas.
Mit ein paar abgehakten Befehlen schickte Lewi drei Männer in seine Richtung. Er kannte die Flüchtigen nicht, doch genau, weil sie noch nie von ihm gehört hatten, zweifelte keiner von ihnen seine Autorität an.
Eine keuchende Kimia drängte sich an Lewi vorbei und hastete zurück zu der Stelle, wo sie Joell gegen die Steine gelehnt hatte. Immer wieder unterbrochen von Verletzten, die sich kaum noch auf den Beinen halten konnten, entglitt ihr Joell mit jeder Pause mehr. Dabei war der Blutverlust nicht ihr größtes Problem.
Und obwohl Lewi nichts für den nachtragenden Wichtigtuer übriggehabt hatte, spürte er den Kloß, der ihm das Schlucken erschwerte, wenn der Junge es nicht schaffen würde. Es war, als wäre auch er eine kleine Scherbe aus dem Spiegel seiner glücklichen Vergangenheit. Mit ihm verlor Lewi noch ein weiteres Stück dieses wunderschönen Bildes, das er so gerne zurückhätte.
Ein lauter Knall und das erschrockene Keuchen einiger Überlebenden, ließ Lewi zu der Schlucht herumfahren. Staub erhob sich hinter der Klippe, wie der Atem eines Drachens, und brachte mit sich jene Stille, die die Nerven vor Anspannung vibrieren ließ.
Was war jetzt schon wieder passiert?Lewis Puls rauschte durch seine Ohren, als er sich in Bewegung setzte. Erst zurückhaltend, dann mit immer größeren Schritten, kehrte er zum Abgrund zurück, die Augen im drohenden Unheil weit aufgerissen.
Unten, zwischen verteilten Steinbrocken und schwebenden Staubpartikeln, die um die einzelnen Gestalten tanzten, standen Oidlem und Balthar, die Schwerter hoch erhoben und bereit jeden Moment anzugreifen.
Blut hatte die grauen Haare des Suchers zur Hälfte in der dunklen Farbe getränkt und rann an seinem Ohr vorbei hinunter bis zum Kinn. Ein tiefer Schnitt zierte seinen linken Wangenknochen in der Form eines Pfeils.
Oidlem war dagegen unverletzt. Seine Kleidung war vollkommen dreckverschmiert, doch Lewi war sich sicher, dass es eben nur das war: Dreck und kein Blut.Sie beide auf den Füßen und immer noch kämpfend zu sehen, schickte eine Welle der Erleichterung durch Lewis Adern, die ihm das Gefühl in seiner Hand zurückgab. Ohne es zu wissen hatte er irgendwo ein Schwert aufgehoben und klammerte sich mit seiner Linken daran, als wäre sein Gewicht alles, was ihn noch am Boden verankern würde.
Dann fiel sein Blick auf die dritte Gestalt inmitten der Staubwolken. Sie stand leicht gekrümmt wie eine alte Frau, gepeinigt von dem Laster der Welt. Jemand hatte auch ihr die Haare geschoren, was ihr ein dämonisches Aussehen gab. Doch Lewi wusste besser als jeder andere, dass diese Hörner noch viel zu klein für eine ausgewachsene Gazel waren.
Um sie herum erbebten die Steine.
Sofort packten Balthar und Oidlem ihre Schwerter fester. Doch die absolute Entschlossenheit blieb bei ihnen aus. Ihre Augen huschten hektisch von Fleck zu Fleck, als wären sie nicht sicher, von wo aus der nächste Angriff kommen würde.
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Jagd der Verfluchten Kinder- Das Elfenkind III
FantasyTeil III der "Verfluchten Kinder"- Reihe. (ABGESCHLOSSEN) Beginn der Geschichte "Jagd der Verfluchten Kinder- Die Rebellentochter" *** Der Blick auf das Schloss war gigantisch. An einem anderen Tag, in einem anderen...