#36 Happy

565 65 39
                                    

Taehyungs P.o.V.

*kurz zuvor*

Wie auf heißen Kohlen sitze ich auf meinem Stuhl, rutsche unruhig hin und her und tippe angespannt mit dem Fuß auf den Linoleumboden. Vor mir auf dem Tisch liegt eine letzte Krankenakte, die darauf wartet, fertig ausgefüllt zu werden.
Das Gute daran: sobald ich das hier fertig habe, kann ich gehen, und dann schaffe ich es vielleicht noch zu Hoseok ins Krankenhaus, rechtzeitig zu seinem Termin.
Das Dumme ist nur: der Kerl, dessen Diagnose ich hier vor mir habe, ist überhaupt nicht mein Patient. Ich hab also keine Ahnung von ihm. Das heißt, ich muss auf meinen Kollegen warten, damit der mir sagt, was Sache ist. Am Liebsten würde ich das Zeug einfach liegen lassen, damit er es selbst macht, aber das würde Ärger geben. So wie so ziemlich alles Ärger gibt, was ich tue, ob es nun richtig war oder nicht.

Sie können mich schlicht und einfach nicht leiden, und das, obwohl ich mich eingearbeitet habe und mit vollem Körpereinsatz alles tue und mache, was mir gesagt wird. Ich kann mir gar nichts anderes erlauben, denn sonst bin ich dran. Überhaupt bin ich dauernd dran. Die anderen haben das Talent, die Schuld grundsätzlich auf mich zu schieben, und unser Chef hat das Talent, denen die unglaubwürdigsten Ausreden auch noch abzukaufen. Einmal soll ich schuld an etwas gewesen sein, das passiert ist, als ich im Urlaub war. Ich hatte also seit über einer Woche das Kankenhaus nicht betreten, soll aber angeblich trotzdem jemandem falsche Medikamente verabreicht haben. Und was passierte? Natürlich. Ich bekam einen Satz heiße Ohren und eine Verwarnung. Na, vielen Dank.

-

"Minho!" Ich springe auf, als mein Kollege den Raum betritt. Er wirft mir einen desinteressierten Blick zu und nimmt sich ein Glas aus dem Schrank.

"Was ist?", fragt er, während er Wasser in sein Glas füllt.

"Kannst du das hier fertig machen?", bitte ich ihn und deute mit dem Kugelschreiber auf die Akte. Er dreht sich um und wirft einen gelangweilten Blick darauf.

"Warum sollte ich deine Arbeit machen?"

"Das hier ist dein Patient. Ich hab keine Ahnung, warum ich seine Akte ausfüllen sollte.", entgegne ich kühl und lege energisch den Stift auf den Tisch.

Minho leert das Glas in einem Zug und tritt auf mich zu. "Ich hab eigentlich zu tun, das weißt du schon, ja?"

"Jaja.", winke ich ab. "Aber ich muss dringend weg, und der Chef hat gesagt, wenn ich das hier fertig hab, kann ich gehen."
Ihm zu sagen, wo ich hin will, hätte keinen Zweck. Er würde sich bloß darüber lustig machen.

"Ach.", macht er abfällig und betrachtet die Akte. "Aber gut. Ich mach das, weil du irgendwie Recht hast. Und weil du mir irgendwie leid tust."

Ich will schon den Mund aufmachen, um mich bei ihm zu bedanken, doch er hebt die Hand und deutet mit dem Kuli auf mich, als wollte er mich damit erdolchen. "Aber freu dich nicht zu früh. Als Gegenleistung drück ich dir demnächst auch mal meine Arbeit auf, klar?"

Ich schließe den Mund wieder und nicke. Ist ja irgendwie fair. Oder so.

Er setzt sich auf den Stuhl, auf dem ich zuvor gesessen habe, und beginnt, die Akte auszufüllen. Nach ein paar Worten und Kreuzchen hält er inne und schaut auf.

"Du stehst ja immer noch da. Ich dachte du musst weg?"

"Ehm..."

"Dann geh auch!"

Hastig nicke ich also, nuschle ein eiliges 'Dankeschön' und flüchte aus dem Raum.

-

Außer Atem stürme ich die Treppen hoch. Natürlich kommt kein Aufzug, wenn man ihn braucht. Und natürlich hat die Bahn Verspätung, wenn man es eilig hat. So stürze ich jetzt also durch die vertrauten Gänge, eile um Ecken herum und sprinte Stufen rauf und runter. Das wilde Gerenne geht solange gut, bis ich frontal und auf Vollspeed in jemanden hineinlaufe.

RacerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt