Sterbehilfe

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Eine Zeit lang verging und erschöpft setzte ich mich auf eine Kiste. Ein Akrobat nickte mir zu, dass ich nach Hause gehen könne. Ich holte mir meine Belohnung ab und ging in Richtung meines Hauses. Doch plötzlich sah ich eine junge Dame vom Zirkus die sich anscheinend schwer tat einen großen Spiegel zu schieben. Er war aufgestellt und größer als sie mit einer dicken verzierten Umrandung. Ich eilte zu ihr um ihr zu helfen, indem ich vorne zog. Sie war zuerst verwundert und schaute nach vor, um ihren mysteriösen Helfer zu begutachten. „Habe gesehen, dass sie Hilfe brauchen.", sprach ich stolz und lächelte. Der Gesichtsausdruck der Frau wurde sanfter und sie bedankte sich herzlich. Nachdem wir den Spiegel an seinen Platz gebracht hatten (am Straßenrand) stellten wir uns neben ihn. „Danke nochmal für die Hilfe, Kleiner. Dieses Ding ist richtig schwer und so zerbrechlich.", „Wofür brauchen Sie den Spiegel eigentlich?", „Ich führe Tricks mit ihm auf, nichts weiter. Doch wir fanden ein besseres Teil."

Wir redeten noch ein paar Minuten miteinander. Mir fiel auf, dass der Zirkus eigentlich recht weit von hier war. Als sie meinen verwirrten Blick erkannt hatte, antwortete sie mir, dass sie den Spiegel entsorgen wollte und ein LKW ihn abholen würde.

Ich verabschiedete mich und machte mich wieder auf den Weg. Ich war gerade bei meiner Abkürzung im Wald angekommen, als ich Schreie hinter meinem Rücken vernahm. Schnell schaute ich zurück und erkannte den Spiegel nicht mehr. Ich lief zurück wo ich die Frau alleine ließ. Sie lag unter dem Spiegel begraben. Einzelne große Scherben schauten hervor, zusammen mit ihrem Blut und ihrem Kopf. Es sah so aus als hätte der Spiegel, oder bessergesagt die schwere Umrandung, sie tödlich verwundet. Ich verstand nicht wie das passieren konnte. So schnell es mir möglich war versuchte ich das Ding von ihr loszuwerden; vergebens, es war viel zu schwer. Bei genauerem Hinsehen, erkannte ich jedoch etwas. Die Rückseite des Spiegels hatte ein Loch, wie von einer Pistolenpatrone, jedoch hörte ich nichts. Wer war das? Die Frau die begraben war hustete: „Bitte bring es zu Ende. Ich habe nicht mehr viel Zeit...Hilfe wäre bloß...Verschwendung." Ich schaute sie unbeeindruckt an. Ich fühlte nichts für sie, aber ich konnte nachvollziehen, dass sie nicht qualvoll sterben wollte. Ich erfüllte ihren Wunsch und nahm eine große Scherbe. Die Dame schloss ihre Augen. Ich setzte die scharfe Kante an ihrem Hals an und sagte noch zum Schluss: „Leben Sie wohl." Mit einem festen Zug durchschnitt ich ihre Halsschlagader. Es rann Blut über meine Finger und plötzlich spürte ich etwas... Es war Erleichterung.

Ein paar Tage nach dem vermeintlichen Unfall wurde ich von der Polizei mitgenommen. Sie fragten mich mühselige Stunden aus und ich wiederholte mich tausende Male, bis sie feststellten, dass ich als Täter ausgeschlossen war. Der Polizei gefiel es zwar nicht, dass ich der armen Frau die letzte Ehre erwiesen habe und so ihren Tod schneller hervorrief. Vor allem machten sie sich Sorgen, dass ich gerade erst neun war und nicht weinend nach Mami und Papi rief und dieses Ereignis nie wieder vergessen könne. Natürlich werde ich es nie vergessen. Immerhin war es meine aller erste Sterbehilfe.

BlutsuchtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt