Kapitel 2

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Lian

Ich trommelte mit meinem Beistift auf meinem Block herum. Ich saß mal wieder beim Nachsitzen und starrte Löcher in die Luft, wenn da so weiter ging dann würde ich nicht versetzt werden und das wollte ich um jeden Preis vermeiden. Welcher Schüler mochte es schon großartig das Schuljahr zu wiederholen und das in einer völlig fremden Klasse, in der man niemanden kannte und ich hatte es sowieso schon so schwer Freunde zu finden.
Warum ich mal wieder beim Nachsitzen bin? Ich wie so oft wieder einmal im Unterricht eingeschlafen und das fand meine Lehrerin nicht besonders toll. Ich verübe ihr das auch nicht, schließlich macht sie auch nur ihren Job und schaut das alles seinen rechten Gang geht.
Warum ich im Unterricht schlafe? Ich habe wieder die halbe Nacht gearbeitet und somit nicht sehr viel Schlaf bekommen, natürlich hatte ich dann auch nicht meinen Wecker gehört und war spät dran. Aber wenigstens konnte ich beim Nachsitzen meine Hausaufgaben machen und musste mich zuhause nicht noch damit abquälen und konnte mich auf andere Dinge konzentrieren, die einfach wichtiger waren.
Einige werden sich fragen wie ich immer in solch eine Situation kommen kann, um ehrlich zu sein Frage ich mich das jeden Tag auch aufs neue.
Alles hatte im Frühjahr angefangen, meine Großmutter hatte Geburtstag und wir wollten als Familie dorthin fahren und das ganze Wochenende über bleiben. Doch es fing damit an das ich mich nicht gut fühlte und es mir im laufe des Tages immer schlechter ging. Meine Familie wollte bei mir bleiben und nach mir schauen, doch ich drängte sie dazu zu fahren, ich würde schon klar kommen versprach ich meiner Zwillingsschwester. Also ließen sie mich alleine und fuhren los, ich machte mir einen Tee und ruhte mich aus, als mich Sturmklingeln weckte. Es war die Polizei. Mein Vater würde im Krankenhaus liegen, es wäre kritisch und man wusste noch nicht genau ob er es schaffen würde. Ich bekam mitleidige Blicke. Die Beamten hatten nichts zu meiner Mutter oder meiner Schwester gesagt und ich befürchtete sofort das schlimmste. Sie sagten mir das meine Mutter und meine Schwester den Unfall nicht überlebt hätten, sie waren auf der Stelle tot. Ich glaube das sagt einem die Polizei immer, damit man glaubte das die Familienangehörige nicht lange leiden mussten. Doch ich glaubte kein Wort davon, sie hatten bestimmt gelitten. Ich brach noch auf der Türschwelle zusammen und wurde zu meinem Vater ins Krankenhaus gebracht.
So weit ich weiß ist er gefahren, ein anderer Fahrer ist auf seine Spur und hat ihn Frontal gerammt. Mein Vater hat ganz knapp überlebt, sonst wäre ich eine Vollwaise geworden. Mein Vater hat sich von dem Unfall zwar körperlich erholt, aber nicht Seelisch. Er hat das meiste in seinem Leben verloren, er machte sich schwere Vorwürfe und versank im Alkohol. Ich kam nicht mehr an ihn heran und er wollte sich auch nicht helfen lassen, also blieb zuhause alles an mir hängen. Schule, Haushalt, kümmerte mich um meinen Vater, Arbeit und die Rechnungen. Jeder Tag endet für mich um vier Uhr morgens und beginnt um sechs Uhr von neuem, kein Wunder das ich so selten meinen Wecker höre und dann zu spät komme, oder sogar im Unterricht schlafe. So lande ich also jedes mal wieder beim Nachsitzen. Die Lehrer bekamen meine Probleme zuhause gar nicht mit, es interessierte sie nicht wirklich und ich stand völlig alleine da.
Meine ganzen Freunde, die ich mal hatte, haben sich nach einer Zeit alle von mir abgewandt. Sie würden meine Probleme eh nicht verstehen und ich hatte einfach keine Zeit mehr für sie. Ich musste das ganze einfach alleine schaffen, auch wenn es unmöglich schien, ich würde nie aufgeben.
Seufzend schaute ich wieder auf meine Matheaufgaben, diese waren wirklich schwer und wollten sich einfach nicht lösen lassen. Ich kaute auf meinem Bleistift herum. Warum konnte bei mir nicht auch einmal etwas funktionieren, oder hatte ich kein Glück verdient? Das Leben war manches mal doch recht unfair zu einem, besonders zu mir hatte ich so im Gefühl.
Nach zwei weiteren endlosen Stunden in der Schule war das Nachsitzen endlich vorbei und ich wurde entlassen. So schnell ich konnte rannte ich nach Hause, zog mir meine Schuluniform aus, schlüpfte in etwas bequemes und sprintete zur Arbeit. Ich arbeitete in einem Lokal, als Kellnerin und Tellerwäscherin, man verdient nicht die Welt aber besser als nichts. Schließlich konnte ich von meinem Vater nicht viel Hilfe erwarten. „Lian du bist echt spät dran!" Donnerte hinter mir eine Stimme, ich zuckte zusammen. „Tut mir echt leid Ben, ich bin schon weg." Ben brummte etwas unverständliches vor sich hin und verschwand dann in seinem Büro. Ich ging in die Küche und zog mir dort meine Schürze an und fing an das Geschirr einzuräumen.
Ich arbeitete wirklich gerne im „Schlüssel 17" und Ben war ein super Chef, obwohl er für mich mehr wie ein Onkel war als ein Chef. Er und meine Mutter hatten zusammen dieses Geschäft aufgezogen, sie war eine wundervolle Köchin gewesen. Ich vermisste sie schrecklich.
Ins „Schlüssel 17" ging wirklich jeder, es war nicht einfach nur ein Restaurant in dem man etwas konnte. Nein! Man konnte Cocktails trinken, tanzen, einfach nur einen Kaffee trinken oder man spielte einfach Billard. Es gab hier für jeden etwas, deswegen war es auch ein beliebter Treffpunkt für Jugendliche und gerade für die Leute aus meiner Klasse, die traf ich hier regelmäßig an.
Ben vermisste meine Mutter und meine Schwester genauso wie ich es tat, doch er wusste nichts über unsere Situation zuhause, ich hatte das gut vor ihm versteckt. Auch wenn ich eigentlich mal jemanden bräuchte mit dem ich darüber reden kann, doch ich hatte genug zu tun.
Sobald diese Schicht vorüber war, würde ich zu meinem nächsten Job antreten. Von dem wusste Ben nichts und auch sonst niemand, das war auch besser so. Ich war nicht besonders stolz drauf, aber es war Geld ab, Geld das ich dringen brauchte. Ich kellnerte noch in einer Oben ohne Bar. Dort kamen hauptsächlich nur ältere Männer hin und ließen sich bedienen. Meine Arbeitskleidung bestand nur aus einem knappen Höschen und High Heels. Zum Glück war ich bereits achtzehn. Es machte mir wirklich keinen Spaß, doch etwas anderes blieb mir nicht wirklich übrig.
Nachdem ich das Geschirr fertig hatte, zog ich mir eine Bluse an und fing an die Leute draußen zu bedienen. Das würde ein sehr langer Tag werden.


Verwunschene LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt