Kapitel 5

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Noel

Diese Frau hat einen Affenzahn drauf, das musste man ihr auf jeden Fall lassen. Völlig verdattert blickte ich ihr hinterher und bewunderte sie, auch wenn es schon das zweite mal heute ist das sie mich einfach so stehen lässt. Ich fragte mich nur was genau ich falsch gemacht hatte, wenn ich das wusste dann könnte ich es beim nächsten Mal besser machen. Zumal wir nicht wirklich viele Worte miteinander gewechselt hatten. Ich war enttäuscht, verwirrt und erstaunt. Schließlich nahm ich unsere Tabletts und brachte sie wieder zurück, dann schnappte ich meine Tasche und verließ die Cafeteria und machte mich auf die Suche nach Sina. Insgeheim hatte ich ja noch immer gehofft das die Kleine mich ein wenig herumführen wurde, doch daraus wurde ja leider nichts.
Sina kam mir bereits auf halben Weg entgegen, umarmte mich sofort und hakte sich bei mir unter. Sofort versteifte ich mich, ich stand nicht sonderlich auf Körperkontakt.
Bei ihr hast du es aber genossen, meldete sich eine kleine Stimme in meinem Kopf und sie hatte recht, ich habe es genossen sie in meinen Armen zu halten und ich glaube ihr ging es genauso. Ich wollte sie noch sehr oft in meinen Armen halten und ihre Körperwärme spüren, ihren blumigen Duft einatmen. Schnell schüttelte ich diese Gedanken wieder ab. „Schön dich kennenzulernen Noel, ich bin Sina die Klassensprecherin unserer Klasse und somit bin ich für die Neulinge zuständig. Wollen wir los?" Sie wartete gar nicht erst meine Antwort ab, sondern zog mich gleich hinter sich her. Ich stolperte ihr mehr oder weniger nach.
Sina zeigte mir wirklich jeden Winkel der Schule und erklärte mir alles sehr ausführlich, doch ich hörte ihr keinen Moment lang richtig zu. Meine Gedanken waren immer noch bei dem Mädchen mit den rostroten Haaren und den Smaragdgrünen Augen. Sie hat mich so was von verzaubert. So etwas ist mir zuvor noch nie passiert, klar gab es immer mal wieder hübsche Menschenmädchen, aber keine hatte mich so umgehauen wie sie. „Noel? Hallo?" Sina stupste mir in die Seite und fuchtelt mir ihrer anderen Hand vor meinem Gesicht herum. „Was hast gerade gesagt?" Ich war gedanklich so weit weg, ich habe nichts mitbekommen. „Ich habe gesagt, ich hoffe dir hat die Führung gefallen und falls du noch fragen an mich hast, dann kannst du mir diese gerne stellen." Hatte ich irgendwelche Fragen an sie? Sina sah mich erwartungsvoll an, was sie jetzt wohl dachte? „Um ehrlich zu sein habe ich wirklich eine Frage, wer ist die kleine rothaarige neben mir?" Mit dieser Frage hatte sie wohl nicht gerechnet, denn ihre Lippen verzogen sich von einem lächeln zu einem Schmollmund und sie schaute mich enttäuscht an. „Wirklich nur das willst du wissen? Nichts anderes?" Vermutlich hat sie gedacht ich frage sie nach ihrer Nummer, da war zu weit gedacht von ihr. Ich gab niemals so leichtfertig meine Nummer heraus. „Und?" Erwartungsvoll sah ich sie weiterhin an, sie konnte es wohl wirklich nicht glauben das ich das wissen wollte. Jetzt schnaubte sie mich an, so als ob ich etwas total abfälliges gesagt hätte. Ich glaube ihr passte es nicht so recht das ich mich mehr für die Kleine interessierte als für sie, schließlich war sie Klassensprecherin und sehr beliebt. Das war mir alles völlig egal. Ich dachte schon sie wollte mir gar nicht antworten, da seufzte sie und gab schließlich auf. „Das ist Lian Wolfe. Doch an deiner Stelle würde ich mich von ihr fernhalten, sie ist verrückt, irre und total durchgeknallt. Es ist nur zu deinem besten, glaub mir." Mit diesen Worten warf sie ihre Haare über die Schulter, stolzierte davon und ließ mich einfach stehen. War mir auch ganz recht so das ich sie nicht mehr am Hals hatte und sie würde mein nächster Meister werden, das konnte ich einfach nicht glauben. Doch dann kamen die Gedanken. Gedanke Nummer Eins, was genau war zwischen den beiden vorgefallen das Sina so sauer auf Lian war? Gedanke Nummer Zwei, Lian war wirklich ein schöner Name und passte super zu einem schönen Mädchen. Da ich jetzt endlich ihren richtigen Namen wusste, musste ich sie nicht mehr die Kleine nennen, obwohl mir der Spitzname auch sehr gefiel.
Bevor ich genau wusste was ich da tat, liefen meine Füße auch schon los und ich machte mich auf die Suche nach Lian, doch leider konnte ich sie die restliche Pause über nicht finden. Sehr schade. Verzweiflung und leichte Panik machte sich in mir breit und schnürten mir meine Kehle zu, hoffentlich ging es ihr gut und hoffentlich war ihr nichts passiert.

Es klingelte zum Ende der Mittagspause und die Schüler strömten zurück in ihre Klassen, auch ich machte mich auf den Weg zum Biologie Unterricht. Dort angekommen atmete ich erleichtert auf, Lian saß an ihrem Tisch und hatte ihren Kopf auf ihre Tasche gelegt und die Augen geschlossen. Sie sah so friedlich und wunderschön aus. Ich ging an ihr vorbei und setzte mich auf meinen Platz, behielt sie dabei aber im Blick. Es war als ob sie meine Anwesenheit spüren würde, sie öffnete die Augen und sah mich an. Ihre Augen waren leicht rot gerendert, vermutlich hatte sie geweint, aber warum nur? Ein kleines lächeln huschte über ihre Lippen, ich erwiderte es sofort. Vor lauter Scham schloss sie ihre Augen wieder, die langen schwarzen Wimpern lagen dunkel auf ihrer weißen, zarten Porzellanhaut, so sah Lian unglaublich zerbrechlich aus. In mir stieg das Gefühl auf sie zu beschützen, sie in den Arm zu nehmen und nie wieder loslassen.
Mir gefiel es das sie mir wenigstens ein kleines lächeln geschenkt hatte, das war immerhin ein kleiner Anfang. Vielleicht würde daraus etwas großes werden. Moment! Was dachte ich denn da? Diese Gedanken waren absolut tabu und ich musste sie am besten schnell wieder loswerden.
Ich holte meine Bücher aus der Tasche und unterhielt mich ein wenig mit Lion, als plötzlich neben mir ein kleiner Zettel landete. Überrascht blickte ich mich um. Von wem war der bloß? Hoffentlich nicht von Vanessa. Ich schaute nach ob Miss Bell zu uns schaute, aber die schrieb gerade etwas an die Tafel, ich wollte ja nicht das sie den Zettel an sich nahm und der Klasse laut vorlas. Langsam öffnete ich den Zettel und meine Augen flogen über die wenigen Worte die da standen. „Ich wollte mich nochmal für das Mittagessen bei dir bedanken und mich dafür entschuldigen das ich einfach so abgehauen bin, ohne etwas zu sagen. Ich hoffe du kannst mir verzeihen. Lian"
Überrascht schaute ich auf und begegnete ihrem Blick aus den Smaragdgrünen Augen, sie funkelten mich an. „Danke" Formte ich mit meinen Lippen in ihre Richtung. „Kein Problem" Antwortete sie mir zurück. Da war wieder das leichte Lächeln auf ihren vollen Lippen, dieses mal erreichte ich lächeln ihre Augen und sie strahlten regelrecht. Ich sog scharf die Luft ein. Jetzt strahlte ihr Gesicht richtig, so wunderschön. Mit offenem Mund starrte ich sie einfach nur an unfähig wegzuschauen, bis mir Lion unsanft in die Seite stieß. Ich warf ihm einen bösen Blick zu und rieb mir meine schmerzende Rippe, die hatte er gut getroffen. Lion grinste mich breit an. „Versuch dein Glück bei ihr erst gar nicht, Sina wäre nicht gerade sehr begeistert und unsere Eiskönigin lässt eh keinen Mann an sich heran. Vermutlich ist sie lesbisch, bei der ist alles möglich." Mit diesen Worten schaute er wieder auf sein Arbeitsblatt. Ich sah ihn rätselhaft von der Seite an und konnte mir seine Worte nicht ganz so erklären. Hatte er es vielleicht mal bei ihr probiert und war gescheitert? Wenn es so wäre, dann waren seine Worte alle andere als nett, klar er war verletzt doch trotzdem sagte man so etwa nicht. Und Sina ging mir langsam sehr gegen den Strich, benahm sich wie die Prinzessin auf der Erbse, doch das war sie nicht. Die Zusammenarbeit mit ihr würde sehr lustig werden, zumal ich noch nicht so recht verstand warum ausgerechnet sie einen Dschinn brauchte, ihr Leben war jetzt nicht wirklich schrecklich. Ganz im Gegenteil sie war beliebt, hatte alles was man sich nur wünschen konnte. Ich musste diesbezüglich nochmal meinen Laptop zu rate ziehen, doch ich konnte mich einfach nicht vorstellen das ein Fehler unterlaufen war.
Ich wandte mich von Lion ab und schaute zu Lian hinüber, die ebenfalls in unsere Richtung blickte. Sie musste Lions Worte wohl gehört haben, denn in ihren Augen glitzerten Tränen, die sie jedoch schnell weg wischte und eisern auf ihr Blatt blickte.
Ich hatte gedacht das zwischen uns wieder alles gut war und wir jetzt eine Basis hätten, doch das wurde durch die Aussage von Lion wieder zu Nichte gemacht. Ich hatte echt das Bedürfnis ihn zu schlagen. Wütend ballte ich meine Hände zu Fäusten.
Die ganze restliche Stunde schaute sie nicht mehr auf, ignorierte mich ganz gekonnt und arbeitete still vor sich hin. Ich fluchte innerlich vor mich hin. Ich wünschte sie würde mir nur einen kleinen Blick zuwerfen, dann wüsste ich das zwischen uns alles in Ordnung war. Doch dem war nicht so, ich musste unbedingt mit ihr sprechen.
Die restliche Stunde über blickte ich vor mich hin und träumte, das Klingeln riss mich aus meinen Gedanken und brachte mich zurück in die Gegenwart. Lian packte in Windeseile ihre Sachen zusammen und rauschte davon, ich hatte absolut keine Chance sie abzufangen. Die anderen Schüler drängten sich ebenfalls durch die Tür und nahmen mir die Sicht. Traurigkeit breitete sich in mir aus, enttäuscht packte ich auch meine Sachen zusammen und verließ das Klassenzimmer.

Verwunschene LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt