A(rdy)mnesie

Wie in einem schlechten Film...

(Ich hab in letzter Zeit ziemlich viel über Amnesie recherchiert. Es gibt tatsächlich einige Fälle wo das Langezeitgedächtnis plötzlich weg war und man nicht mehr wusste wer man ist, aber das Allgemeinwissen noch da ist. Ob es zurück kommt ist unterschiedlich, manchmal bleibt es auch für immer weg und man beginnt ein neues Leben. Meine Geschichte ist also nicht so unrealistisch wie man vielleicht denken mag ;))

Meine Gedanken wurden aber wieder unterbrochen, denn die Tür ging auf und der Arzt Herr Müller kam wieder rein. Ardy rückte mit seinem Stuhl etwas von meinem Bett weg und sah auf den Boden, während sich der Mann in den weißen Klamotten auf die andere Seite des Bettes stellte. Mir schien die Reaktion von Ardy etwas merkwürdig aber ich konnte mich nicht weiter darauf konzentrieren, denn Dr. Müller begann zu reden:

"Körperlich gesehen, könnten Sie das Krankenhaus heute noch verlassen aber wir würden Sie gerne noch länger beobachten. So einen Fall von akuter Amnesie ist mir als Arzt noch nie untergekommen, deswegen möchte ich Ihnen noch ein paar Fragen stellen. Wissen Sie wie die deutsche Bundeskanzlerin heißt?"

Ich verstand nicht wirklich, was der Arzt damit bezwecken wollte aber ich beschloss mitzuspielen. Also sagte ich ohne lange zu überlegen:

"Angela Merkel."

Dr. Müller schrieb schnell was in seine Akte, bevor er wieder mit mir sprach:

"Ok, Ihr Allgemeinwissen scheint noch da zu sein, aber Ihre Erinnerungen sind verschwunden. Im Moment ist die Hoffnung noch groß, dass Ihr Gedächtnis wieder vollkommen zurück kommt aber wir können Ihnen nichts versprechen."

 Der Arzt sprach noch weiter, aber ich hörte nicht mehr richtig zu. Ich wollte einfach nur hier raus. Auch wenn ich mich nicht daran erinnern konnte ob ich schon jemals in einem Krankenhaus lag, hatte ich trotzdem ein mulmiges Gefühl dabei alleine in diesem kahlen Raum einzuschlafen. Während Dr. Müller noch redete und ich nicht viel verstand außer ein paar Fachbegriffen, wo ich keine Ahnung hatte was er meinte, unterbrach ich ihn einfach:

"Könnte ich nicht vielleicht doch heute schon hier raus?"

Er schien kurz wie aus der Bahn geworfen, da ich so schnell das Thema gewechselt hatte aber er fing sich schnell wieder und nach kurzem Überlegen meinte er zu mir:

"Sie könnten schon, die Frage ist nur wo Sie hin sollen."

Das hatte ich gar nicht bedacht. Ich hatte niemanden mehr und Geld hatte ich auch nicht um in einem Hotel oder Ähnlichen unterzukommen. Aber trotzdem wäre mir fast Alles lieber als hier zu bleiben. Plötzlich meldete sich Ardy wieder, den ich in der Zwischenzeit schon fast wieder vergessen hatte:

"Du könntest bei meinem Mitbewohner und mir schlafen, natürlich nur wenn es dir nichts ausmacht."

Wir sahen uns an und er erwartete eine Antwort von mir. Sollte ich wirklich bei einem völlig Fremden schlafen? Ich war etwas skeptisch, aber Ardy wirkte wirklich nett und es sprach eigentlich nichts dagegen. Also antwortete ich:

"Wenn es dir nichts ausmacht, gerne. Wann könnte ich denn hier raus?"

Ich wendete mich wieder Dr. Müller zu und dieser antwortete nach kurzem Überlegen:

"Eigentlich jetzt sofort. Sie müssten nur hin und wieder zur Kontrolle kommen und wenn Sie sich an irgendetwas plötzlich wieder erinnern können, melden Sie sich bitte sofort."

Dr. Müller drückte mir seine Visitenkarte in die Hand und ich nickte mit dem Kopf. Er wünschte mir noch alles Gute und verschwand dann aus der Tür. Kaum war die Tür zu, wand ich mich wieder zu Ardy:

"Ist es wirklich ok wenn ich bei euch schlafe?"

 "Klar, mach dir keine Gedanken rüber und jetzt schaffen wir dich hier raus."

 Er lächelte mich an und ich lächelte automatisch zurück. Schon verrückt, ich kannte Ardy höchstens eine Stunde und es fühlte sich schon so an wären wir irgendwie miteinander verbunden. Je länger wir uns ansahen, desto mehr hatte ich das Gefühl dass wir uns schon länger kannten.

Ich wollte aber nicht weiter darüber nachdenken und versuchte mich aufzurichten, was mir aber nicht ganz gelangen wollte da sich mein schmerzender Kopf wieder bemerkbar machte. Mir wurde kurz schwarz vor Augen, bis ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter spürte. Ardy war zu mir ans Bett gekommen und half mir langsam aufzustehen. Ich fühlte mich eigentlich noch zu schwach, aber ich wollte so schnell wie möglich hier raus.

Als ich festen Boden unter den Füßen hatte stützte ich mich an Ardy's Schulter ab und gemeinsam gingen wir aus dem Zimmer. Auf dem Weg raus aus dem Krankenhaus, bekam ich mit wie uns einige Leute komisch anschauten, aber das war mir in diesem Moment total egal.

An der frischen Luft angekommen atmete ich erstmal tief durch und versuchte dann ohne Ardy's Hilfe weiterzugehen. Es wurde tatsächlich mit jedem Schritt besser und ich konnte nach kurzer Zeit schon fast wieder normal gehen. Ardy und ich wechselten in der ganzen Zeit kein Wort, bis er nach einer Weile meinte:

"Ich ruf mal meinen Mitbewohner an, damit er nicht zu überrascht ist."

Ich nickte ihm als Antwort zu und konzentrierte mich wieder darauf einen Fuß vor den anderen zu setzen. Ich bekam nur nebenbei mit wie er wohl seinen Mitbewohner anrief und verstand nur ein paar Wortfetzen:

"Taddl? Ist ok wenn heute jemand bei uns schläft?" "Ja, ich erklär es dir später." "Danke, ciao."

Ardy legte auf und auch wenn ich weiterhin auf den Boden starrte, merkte ich wie er mich von der Seite musterte. Ich versuchte es aber zu ignorieren und starrte auf den Asphalt unter mir. Ich konnte in diesem Moment Ardy nicht in die Augen sehen, da ich genau wusste dass ich mich wieder in ihnen verlieren würde und das durfte ich nicht. Ich musste jetzt erstmal mein Leben einigermaßen auf die Reihe kriegen, wenn man es überhaupt Leben nennen konnte. Wie kann es sein, dass von einem Schlag auf den anderen alles weg ist und warum vermisst mich niemand? Ich fühlte mich wie in einem schlechten Film, nur war ich nicht sicher ob es ein Happy End geben würde.

So hier ist schon das 2. Kapitel :)

Hoffe es gefällt euch ♥