Teil 12

29 5 1
                                    


Yoongi war so nah an mich herangetreten, dass ich meinen Kopf in den Nacken legen musste, um ihm in die Augen sehen zu können. Zart strich er mir über die Wange und holte somit das ziehen in meinem Bauch zurück, welches ich vorher bei Jungkook verspürt hatte. Anders als bei Jungkook fühlte ich mich von ihm jedoch nicht bedrängt. "Hmm?" "Ich würde nie zulassen, dass dir etwas passiert." Wärme breitete sich in meinem ganzen Körper aus und ich schaute ihm verträumt in die Augen. "Ich weiß", hauchte ich. Langsam beugte er seinen Kopf zu meinem hinunter und ließ mir somit genug Zeit zum Ausweichen. Als sich unsere Lippen berührten, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten und drückte mich gegen ihn. Sofort schloss er seine Arme um mich und zog mich in eine sanfte Umarmung. Ich öffnete meinen Mund, um seiner Zunge Einlass zu gewähren. Doch statt die Gelegenheit zu nutzen, wie es Jungkook garantiert getan hätte, stupste er meine Zunge nur leicht an und zog sich dann zurück, als wolle er um Erlaubnis bitten. Diese Zurückhaltung ließ mich alle Schranken vergessen. Stürmisch drang nun ich mit meiner Zunge in seinen Mund vor und verbannte Jungkook aus meinen Gedanken. Nur noch auf Yoongi konzentriert, strich ich über seine Brust. Warum laufen hier nur alle mit freiem Oberkörper rum? Seine harten Muskeln bildeten einen starken Kontrast zu seiner weichen Haut. Ich spürte seine Wärme unter meinen Fingerspitzen und fragte mich, wie es wohl wäre seine Haut auch an anderen Stellen zu berühren. Mit seinen Finger strich mir Yoongi über meinen Rücken. Als ich das Knarren einer Tür aus dem ersten Stock vernahm, löste ich mich von Yoongi. Verlegen schaute ich zu Boden. "Ich muss zu meinem Vater." "Ich habe gleich eine Audienz beim König, um ihm die Lage in den Dörfern zu schildern. Möchtest du mich begleiten?" Eigentlich wollte ich zunächst etwas Abstand zwischen mich und Yoongi und auch Jungkook bringen. Ich musste dringend meine Gedanken sortieren. "Nein, nein, redet ihr lieber mal in Ruhe zu zweit. Ich geh währenddessen in mein Zimmer. Lasst mich einfach wissen, wenn ihr fertig seid, ok?" Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte ich mich um, rannte die Treppe hoch und verschwand in meinem Zimmer. Dort warf ich mich auf das Bett und versuchte herauszufinden was überhaupt mit mir los war. 

So wirklich ordnen konnte ich meine Gedanken allerdings nicht. Das Einzige, was ich für mich feststellen konnte, war, dass ich sowohl auf Jungkook, als auch auf Yoongi stark reagierte. Sie waren beide vollkommen unterschiedlich, wie Tag und Nacht. Jungkook, der typische Aufreißer, der sich gerne als Macho und Playboy aufspielte und mich auf eine erotische Weise fasziniert wie keiner vor ihm. Und Yoongi, bei dem ich mich geborgen und verstanden fühlte, der mich durch sein Einfühlungsvermögen und seine Besonnenheit anzog. Meine Frage, warum ich so stark auf die beiden reagierte, wurde dadurch aber immer noch nicht beantwortet. Taehyung würde sich über mein Problem garantiert schlapp lachen. Ich konnte mir gut vorstellen, was er in dieser Situation sagen würde: 'Mensch Jimin, sei doch nicht immer so verklemmt. Schnapp dir einen der beiden, oder von mir aus auch alle beide, und hab endlich mal ein bisschen Spaß'. Dabei würde er mir ein verschwörerisches Zwinkern zuwerfen. Ach Taehyung, wenn du wüsstest, was bei mir gerade los ist. In diesem Moment fasste ich einen Entschluss. Ich wollte hier weg und ich würde auch weggehen. Es war mir egal, dass ich angeblich ein verschollener Prinz war. Mein Vater war all die Jahre wunderbar ohne mich zurechtgekommen, also würde er das auch in Zukunft tun. Meine Schwestern waren eh nur irgendwelche fremden Mädchen, in deren Leben ich geplatzt war, und das Problem mit Jungkook und Yoongi würde sich dadurch auch von selbst erledigen. 

Energisch schwang ich die Beine vom Bett und stand auf. In diesem Moment klopfte es zaghaft an der Tür. Ich ging hin und öffnete sie. Draußen stand ein Mädchen in Dienstuniform und begrüßte mich mit einem Knicks und einem schüchternen 'Hoheit'. Entnervt verdrehte ich die Augen. "Was gibt's?" "Ich soll Euch zum König geleiten." Da ich eh gerade vorgehabt hatte zu meinem Vater zu gehen, und notfalls auch sein Gespräch mit Yoongi zu stören, folgte ich dem Mädchen bereitwillig. In dem langen Flur vor dem Thronsaal kam mir Yoongi entgegen. Ich nickte ihm kurz zu und ging zielstrebig in den großen Saal. Das Mädchen blieb draußen. Als mein Vater mich sah, erhob er sich vom Thron und kam auf mich zu. "Jimin." Er lächelte mich an, blieb jedoch unschlüssig stehen, als ich das Lächeln nicht erwiderte. "Hallo Markes." Dass ich ihn diesmal mit seinem Namen und nicht mit 'Dad' ansprach, schien ihn sichtlich zu treffen. "Du hast mir also immer noch nicht verziehen?" Ich stieß ein lautes Schnauben aus und sah ihn verächtlich an. Durch seine Erklärung gestern, konnte ich sein Verhalten vor siebzehn Jahren zwar zum Teil nachvollziehen, aber für mein Vorhaben musste ich so sauer wie möglich auf ihn sein. Ich baute mich, soweit es bei meiner Größe möglich war, vor ihm auf und sah ihn durchdringend an. "Ich möchte nach Hause." Er erwiderte meinen Blick einige Sekunden schweigend, bevor er traurig den Kopf schüttelt. "Das ist nicht möglich." "Was soll das heißen?", entgegnete ich aufgebracht. "Dass du mich auch gegen meinen Willen festhalten wirst?" "Jimin, lass es mich bitte erklären." "Mir sind deine Erklärungen egal. Ihr habt hier bis jetzt auch wunderbar ohne mich gelebt. Ich braucht mich nicht. Mum hingegen schon." Der der Erwähnung meiner Mutter, zuckte Markes zusammen. "Wenn du jetzt gehst, schadest du ihr mehr, als dass du ihr hilfst." "Klar doch." Ich glaubte meinem Vater kein Wort. Er wollte mich nur nicht gehen lassen. Enttäuscht ließ er die Schultern hängen. "Gib mir bitte nur noch die Gelegenheit dir zu erklären was ich gestern nicht mehr geschafft hab. Dann kannst du für dich selbst entscheiden, ob du bleiben oder gehen möchtest." Ich war mir sicher, dass nichts was er mir zu sagen hatte meinen Entschluss ändern würde, also stimmte ich zu. 

Wir gingen in das kleine Zimmer hinter dem Thronsaal, in dem wir auch schon am Tag zuvor mit Jungkook und Yoongi gesessen hatten. Mein Vater setzte sich wieder in den Sessel und ich nahm erneut auf dem Sofa gegenüber von ihm Platz. "Was hast du mir zu sagen?" Markes sah mich mit seinen gelb- braunen Augen intensiv an. Ich hatte das Gefühl er wolle mir direkt in die Seele schauen und ergründen was für ein Mensch ich war. Schließlich begann er, jedes Wort abwägend zu sprechen. "Ich hatte gestern Abend schon angedeutet, dass noch eine zweite Bürde auf dir lastet. Du bist nicht nur ein Prinz, du bist dazu auch noch nur ein halber Mensch. "Fragend zog ich die Augenbraue hoch. "Weißt du wo du hier überhaupt bist?" "Ich weiß nur das dieser Ort Schattenwelt heißt. Mehr hat Yoongi mir nicht verraten." Nach dem Schock meinem Vater gegenüberzustehen, hatte ich gestern ganz vergessen zu fragen, wo ich eigentlich bin. "Stell dir die Erde als einen Ball vor, der mit Luft gefüllt ist", fuhr mein Vater fort. "Die Menschenwelt befindet sich auf der äußeren Schale, außerhalb der Erde. Die Schattenwelt befindet sich innerhalb der Erde. Jetzt wurde es mir zu verrückt. "Das ist doch Schwachsinn!", rief ich empört. "Mit solchen Märchen überzeugst du mich nicht gerade zum bleiben." "Waren Gestaltenwandler und Griever für dich bis vor kurzem nicht auch noch Märchen? Yoongi hat mir erzählt, dass ihr einer Fee begegnet seid. Wie erklärst du dir das?" Dem hatte ich nichts entgegenzusetzen, also begnügte ich mich damit ihn wütend anzufunkeln. "Ihr Menschen glaubt alles zu wissen und alles erforscht zu haben. Leider ist unsere Gesellschaft nicht so gierig aufs Forschen wie die Menschen. So wissen wir lediglich, dass sich im Zentrum der Erde eine Lichtquelle befindet, die unsere Welt erleuchtet. Ein Tag hat hier zum Beispiel auch nur dreiundzwanzig Stunden anstatt vierundzwanzig. Vor vielen hundert Jahren haben wir und die Menschen auf der inneren Erdkruste zusammengelebt, geschützt vor Einflüssen des Weltalls. Doch damals waren schon Verrat und Intrigen an der Tagesordnung. Einige Menschen konnten sich dem anpassen, doch da die Natur der Menschen zum Großteil freundlich und gutmütig ist, litt die Menschheit unter der Verdorbenheit der Schattenweltler. So beschlossen die damaligen Führer der Menschen die Schattenwelt zu verlassen und von nun an auf der äußeren Erdkruste zu leben. Also baten sie den ältesten Rat der Schattenwelt darum ein Portal zu erschaffen, das ihnen ermöglichte ihr Volk auf die äußere Erdkruste zu führen, um es vor dem verderben, das sich auch langsam unter den Menschen ausbreitete, zu retten. Sie fertigten das Portal so an, dass jeder Mensch hindurch schreiten konnte, doch von den Schattenweltlern nur jene, die frei von bösen Absichten waren. Da aber selbst ihre Macht nicht reichte, den mächtigsten Bösen den Zutritt vollkommen zu verweigern, knüpfte der Rat für sie eine Bedingung an das Durchschreiten des Portals. Jeder der niederträchtige Ziele verfolgte, musste für das Passieren des Portals mit einigen seiner Lebensjahre bezahlen, je nachdem wie Böse sein Vorhaben war. Doch auch für das Böse gibt es eine Möglichkeit unbeschadet durch das Portal zu gelangen. Es muss sich nur in Begleitung eines Menschen befinden. Jeder Mensch hat freien Zutritt, das gilt auch für seine Begleiter." Verständnislos sah ich meinen Vater an. "Du bist ein halber Mensch, Jimin. Das reicht aus." 

Als ich begriff was er damit sagen wollte, weiteten sich meine Augen vor entsetzten. "Das kann nicht dein ernst sein." Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. "Jungkook hat mir von eurem Zusammenstoß mit den Griever und dem Garuda berichtet. Ich verstehe zwar nicht, warum sie sich nicht einfach irgendeinen beliebigen Menschen geschnappt haben, aber ich versteh auch nicht viel von schwarzer Magie." Ein Garuda. Das war also dieses Vieh, das entfernt einem Schäferhund ähnelte. "Warum hat man das Portal nicht geschlossen, nachdem die Menschen durchgegangen waren?" "Man wollte ihnen nicht die Möglichkeit nehmen zurückzukommen, falls sie das eines Tages wollen würden." Ich wusste nicht, ob ich anfangen sollte laut zu lachen oder laut zu schreien. "Du willst mir also weiß machen, dass ich, sobald ich das Schloss verlasse, von den Schurken dieser Welt gejagt werde, damit das Böse durch meine Hilfe von der Schattenwelt in die Menschenwelt gelangen kann?" "Ja." Forschend blickte ich meinem Vater in die Augen. Ich konnte in ihnen keinerlei Irrsinn erkennen, nur tiefe Überzeugung. Ein ungutes Gefühl machte sich in meinem Bauch breit. Bis jetzt war mir in meinem ganzen Leben noch nie auch nur eine einzige Lüge entgangen, seitdem ich wusste, was das Wort bedeutete. Auch wenn es mir missfiel, langsam begann ich meinem Vater zu glauben. 

Shadow Shapes || BTS FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt