Kapitel 6

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Ohne etwas zu sagen lief ich langsam in mein Zimmer zurück.

In Gedanken verloren lief ich in die Cafeteria. Ich sah mich um. Es waren hauptsächlich ältere Leute im Krankenhaus. Keinem könnte ich es zutrauen, einfach in mein Zimmer zu gehen und dieses Wort auf mein Blatt zu schreiben. Keiner könnte das Gefühl wiedergeben.

Nach dem Essen lief ich zu meiner Mutter. Es hatte sich nichts verändert zu den Tagen davor. Sie lag immer noch da. Mit einem ausfruckslosen, doch irgendwie auch friedlichem Gesicht.

Das Pipsen. Ich wusste nicht, ob es positiv oder negativ war. Einerseits hieß es, dass meine Mutter am Leben war. Andererseits bedeutete es, dass sie immernoch an diesen Kabeln hing und sich nicht rühren konnte. Nein. Sie war noch nicht einmal bei Bewusstsein.

Nach ungefähr 2 Stunden lief ich wieder zu meinem Zimmer zurück. Ich wusste nicht mehr was ich tun sollte. Deswegen nahm ich erneut ein Papier und den selben schwarzen Kugelschreiber, wie auf dem Blatt mit den Mustern.

Meine Hand führte von ganz alleine. Die Mine des Kugelschreibers zog langsam über das ganze Blatt. Schwarze Farbe kam aus ihr heraus und hinterließ einen Strich. Die Linien überkreuzten und verbunden sich.

Dieses Mal wurden es keine Muster. Ich schloss meine Augen und ließ meine Gefühle malen.

Als ich meine Augen wieder öffnete bekam ich einen Schock.  Die Linien waren an manchen Stellen viel dunkler und dominanter als an anderen. Sie wurden zu einem Bild. Es war nur schwer zu erkennen, doch ich denke es war ein Bett. Es sah so aus, als hätte ich ein Bett gemalt. Es glich eher einem Rechteck mit Füßen, aber was sollte es sonst sein? Wieso malte ich ein kahles Bett?

Auf einmal klopfte es an der Tür. Nachdem ich 'Ja?' gerufen hatte, kam der Doktor herein. Ich setzte sich neben mich auf mein Bett, ohne etwas zu sagen. Schnell legte ich mein Blatt unter die Bettdecke.

"Also. Ich weiß, dass das alles sehr schwer für dich ist und du momentan in einer harten Situation steckts, doch du weißt auch, dass du trotz alle dem nicht ewig in diesem Krankenhaus bleiben kannst. Da du im näheren Umfeld keine Verwandten oder Ähnliches hast, haben wir in einem Kinderheim für dich nachgeschaut. Es wird im November ein Platz frei.", sagte der Arzt. Ohne auf eine Antwort zu warten stand er wieder auf und wollte aus der Tür gehen.

Auf einmal wurde mir etwas bewusst: "Heißt das es geht meiner Mutter schlechter? Heißt das es ist aussichtslos? Heißt das ihr gebt auf?" Verdutzt blieb der Arzt stehen: "Wir haben alles versucht, aber wir wissen nicht, wielange sie noch in diesem stabilen Zustand bleibt. Wir merken jetzt schon Veränderungen und haben die Befürchtung sie könne bald Hirntot werden. Wir wollen dir die Möglichkeit geben auf Abstand zu kommen, damit du es nic..." "Nein! Ich will wissen wie es ihr geht. Ich will wissen wann sie wieder ihre Augen öffnet. Ich will sie ansehen. Sie soll mich ansehen." Ich brach in Tränen aus.

Seit langem hatte ich wieder geweint es war irgendwie auch eine Erleichterung, zusammenbrechen zu dürfen.

Der Arzt wollte mich in den Arm nehmen, doch ich stieß ihn weg. "Ihr wollt sie doch gar nicht retten. Ihr wollt nur euer Geld. Hauptsache ein gut bezahler Beruf. Ich wollte auch Arzt werden, aber ich wollte Menschen helfen. Ich wollte die Möglichkeit sie zu retten. Und nicht wie sie!", rief ich. Mein Wein-Gerede glich eher einem Geschrei. Der Arzt blieb ruhig: "Ich bin auch Arzt geworden, um helfen zu können. Aber..." "Nein! Sind sie nicht. Dann hätten sie sich um mich gekümmert. Dann hätten sie mir auch geholfen." Der Doktor war erstaunt. "Wir haben unser Möglichstes für deine Mutter getan", war das Einzige was er sagen konnte. Er drehte sich um und verließ den Raum.

Er hatte nichts verstanden. Jetzt war ich wieder alleine.

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Entschuldigt, dass gestern kein Kapitel rauskam. Deswegen heute ein bisschen früher (ne Spaß. Sowas nennt man auf den bus warten hehe :)).

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