Kapitel 13

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Seit Weihnachten sind Mini Marc und ich uns viel näher gekommen. Wir haben fast täglich geredet, doch niemals über unsere Familien. Wir lebten total im 'Hier und Jetzt' und genossen unsere gemeinsame Zeit. Doch je glücklicher ich mich verhielt, umso mehr musste ich mich verstellen. Ich lachte unbewusst, doch innerlich war ich traurig. Ich konnte nicht weinen, da ich niemanden hatte der mich verstand und bei dem ich mich ausweinen konnte. Meine Trauer staute sich auf, ohne dass ich es merkte.

Die Zeit ohne Marc wurde immer schlimmer. Ich fühlte mich allein ohne ihn. Selbst wenn es nur für ein paar Stunden war, Marc war wie eine unbewusste Ablenkung. Ohne diese Ablenkung, versank ich in meinen dunklen Gedanken.

Mittlerweile waren wir etwas älter geworden und ungefähr 12 Jahre alt. Über unsere Zukunft machte ich mir keine Gedanken, da ich immernoch Hoffnung hatte, dass meine Mutter aufwachen würde. Mini Marc und ich sind in einem Freundschaftsstadium steckengeblieben, sodass wir gute Freunde, doch noch keine Familie für einander waren. Wir redeten Tag für Tag über unsere Erlebnisse ab dem Heim, doch von der Zeit davor hatte noch niemand etwas gesagt.

Wir saßen beide auf einer Bank unter einem Baum. Es war noch kalt und wir hatten noch unsere Winterjacken an, doch die Sonne war schon warm auf der Haut zu spüren.

"Du weißt doch, das Frühjahr fängt an und bald sind die Osterferien... fährst du mal zu deiner Familie?", brachte ich schließlich nach tagelanger Überwindung aus mir heraus. Es war war das erste Mal, dass ich dieses Thema ansprach.
Erschrocken sah Mini Marc mich an: "Was? Hmm.. nein.. also ich denke nicht. Was ist mit dir?" "Bhah wohin soll ich den gehen? Sind doch alle tot.", sagte ich sarkastisch, doch das Grinsen verschwand ganz plötzlich und ich merkte, wie sehr mich das beschäftigte. Meine Augen wurden nass, doch ich versuchte -mal wieder- alles zu unterdrücken und mir nichts anmerken zu lassen.

Mini Marc war ernst. Das war er nicht so häufig. Unsicher fragte ich nach: "Was ist eigentlich mit deiner Familie? Ähh.. ich meine.. warum bist du hier im Heim?" Er sah mich an, unglaubwürdig dass ich das Thema vertiefen wollte, doch ich blickte stechend zu ihm, sodass er sich schlecht herausreden konnte. "Nun ja, also, du fragst doch sonst nie? Warum jetzt?" "Ich wollte dich schon länger fragen, wusste aber nie, wann der richtige Zeitpunkt ist.. du musst nichts erzählen."

Er schaute auf den Boden und war sehr ruhig. Dann fing er an zu reden: "Meine Elt.. nein.. die Personen, die mich geboren haben, haben mich immer geschlagen und misshaldelt. Ich habe mir oft eine 'Auszeit' genommen und mich für ein paar Tage versteckt. Es hat ihnen nichts ausgemacht. Wenn's nach ihnen ginge würde ich jetzt noch in meinem selbstgebauten Tippi wohnen. Da mich der Hunger und die Kälte geplagt haben, war ich nie länger als 3 Tage weg. Irgendwann habe ich es aber nicht mehr ausgehalten und bin abgehauen. Ich war so frustriert, dass ich weinend und schreiend weggerannt bin. Irgendwo hin. Ich habe nicht aufgepasst und bin über eine Straße gerannt, doch da hat mich ein Lastwagen erwischt und ich bin im Krankenhaus wieder aufgewacht."

Sprachlos sah ich Marc an. Er hatte keine einzige Träne in seinem Auge. "Was war dann mit deinen El..tern?", vervollständigte ich unsicher den Satz. "Sie habe ich seit her nicht wieder gesehen. Ich habe alles getan um es nicht mehr zu müssen. Das haben die Ärzte gemerkt und mich auch hier in das Heim getan."

"Warum weinst du nicht?", platze einfach so aus mir heraus. "Weil ich mir vorgenommen hatte, nach diesem Tag nicht wieder zu weinen. Es vernebelt einem die Sinne und man wird unachtsam."

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