14| Narben der Vergangenheit.

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Mittwoch.
Wieder ein ätzender Schultag.
Wieder lahmer Unterricht.
Wieder gähnende Langeweile.
Wieder war ich unendlich müde.
Das konnte doch nicht so weiter gehen.
Ich hätte jetzt schon genug von dieser Woche und es war erst Mitte der Woche ..

Als ich heute morgen sogar schon vor dem Wecker um 5:17 wach geworden war, konnte ich nicht mehr einschlafen.
Ich wälzte mich hin und her, doch Ruhe fand ich keine mehr.
Die Bilder der Vergangenheit saßen mir noch tief in den Knochen. Der Alptraum ließ mich einfach nicht los. Er hielt mich gefangen in seinen Klauen, ohne jede Chance zu entkommen.
Die Bilder waren Narben meiner Vergangenheit, die für immer mein Leben zeichnen würden. Genau wie die Narben auf meinem Rücken.

Nachdem ich mich ca 40 Minuten im Bett hin und her gedreht habe und keinen Nerv mehr hatte auch nur eine einzige Sekunde lang weiter im Bett liegen zu bleiben, hatte ich nur noch einen Gedanken:

Ich brauchte dringend frische Luft.

Mein Kopf dröhnte nur noch und die wirren Gedanken bereiteten mir Kopfschmerzen. Mir war total schwindelig und zwischendurch sogar kurz schwarz vor Augen.

Verdammtes Schwein.

Immer noch kontrollierte er mich.

Ich war aus Seoul abgehauen, um genau das zu beenden.
Und naja, auch um andere Dinge nicht wieder passieren zu lassen und um diese Dinge zu vergessen.
Obwohl ich das glaube ich niemals hinbekommen würde.
Ich werde für immer damit leben müssen.

Die ganzen Alpträume wühlten jede Nacht erneut alles auf.
Genau wie der Traum der heutigen Nacht.
Aber dieses Mal war es etwas anders.
Er fühlte sich viel realer an, ich konnte die Kälte, die meinen Körper durchzogen hatte, und seinen starken Griff um meine Handgelenke immer noch spüren.
Als wäre es erst gestern gewesen..

Das Alles.. Es machte mich wütend, wahnsinnig wütend.
Ich tobte innerlich.
Hin und her gerissen zwischen geballter, zerstörerischer Wut und niederschmetternder Verzweiflung und Trauer.
Ich hielt es nicht mehr aus.
Die Gefühle zerrissen mich innerlich.
Es fühlte sich wirklich an, als ob mein Körper sich in zwei Hälften zu teilen versuchte.
Mir wurde heiß, dann plötzlich wieder kalt und meine Hände begannen zu kribbeln.
Ich konnte nicht mehr still sitzen und die Wände meiner Wohnung wirkten plötzlich so, als würden sie immer näher und näher rücken.

Ich hielt das hier drinnen nicht mehr lange aus..
Also stand ich auf, zog meine schwarze Jogginghose, ein enges graues Thermoshirt, Laufschuhe und eine Sportjacke an, schnappte mir Handy, Kopfhörer und Hausschlüssel und sprintete aus dem Haus in die Dunkelheit hinaus.
Die kühle Morgenluft tat mir gut und machte mich wach.
Sie strömte in meine Lungen und erfrischte meinen kompletten Körper.
Es fühlte sich an, als ob ich aus der Luft, aus der Atmosphäre um mich herum, Energie saugen würde.
Immer tiefer drang die wohltuende Luft in meinen Körper ein und durchflutete jede Zelle mit neuer Kraft.
Ich lief immer schneller. So schnell wie meine Beine mich tragen konnten.
Ich hielt es nicht länger aus und fühlte mich, als müsste ich gleich schreien.
Ich wollte vor allem weglaufen.
Alles hinter mir lassen.
Mein Atem ging immer schneller, meine Verletzung am Bauch und die meiner Meinung nach leicht geprellten Rippen schmerzten und meine Lungen brannten und lächzten nach reiner, frischer Luft.
Die Musik ballerte mir laut um die Ohren und spornte mich weiter an.

20 Minuten schaffte ich es dieses schnelle Tempo aufrecht zu erhalten, bis ich schließlich einfach nicht mehr konnte, langsamer wurde und nur noch im lockeren Joggtempo weiter laufen konnte.
Mein Atem ging nur stoßweise.
Meine Beine schmerzten, wie auch meine Lungen und ca. alles andere an meinem Körper, doch es tat gut.
Ich genoss den Schmerz, der mir durch die Muskeln fuhr, denn er ließ mich lebendig fühlen.
Leicht grinsend lief ich die letzten 200 Meter nach Hause zu meiner Wohnung.
Erleichtert, dass mein Kopf nun nicht mehr voller wirrer, zerstörerischer Gedanken war.
Es ging mir etwas besser als zuvor.

Zuhause angekommen stellte ich mich unter die kalte Dusche und ließ mich erschöpft von dem Lauf ein wenig vom Wasser berieseln.
Die einzelnen Tropfen fielen mir auf Kopf und Schultern, hinterließen durch die Kälte eine Gänsehaut auf meiner Haut und kullerten meinen Körper weiter hinab, über meinen Rücken, an den Narben meiner Vergangenheit entlang, bis hin zu meinen Waden und schließlich meinen Füßen, von denen die Wassertropfen auf den Boden abperlten und wieder im Abfluss verschwanden.

Your love is killing me. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt