17| Spieka

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„Wirst du schon sehen", war alles, was er dazu noch sagte.
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Wir traten auf eine kleine Lichtung umgeben von Bäumen.
Ich runzelte die Stirn. Ein paar Meter entfernt konnte ich asphaltierten Grund erkennen, der von kleineren brüchigen Mauern umgeben war. Teilweise waren sie von Moos oder Unkraut bewachsen, einige waren sogar mit Graffiti mehr oder weniger verschönert.
Ebenfalls konnte ich mehrere Hindernisse, die eine Art Skateboard-Parcours darstellten, und ne Menge rumliegenden Schrott erkennen.
Wir steuerten auf die rechte Seite des Platzes zu, auf der ein kleines Basketballfeld mit zwei heruntergekommenen Basketkörben zu sehen war.

„Ehh?", brachte ich nur heraus.
„Cool was?" Yoongi schaute stolz auf den abgeranzten Spielplatz.
Aber ich musste zugeben: Yoongi hatte Recht. Auch, wenn der Platz total heruntergekommen war und vermutlich verschrottet werden sollte, hier hatte man seine Ruhe und ich konnte mir nur zu gut vorstellen hier zu Chillen und mit Yoongi abzuhängen.
„Na los", riss mich Yoongi aus meinen Gedanken. „Da hinten ist n Basketball versteckt. Lass mal sehen, was du so drauf hast."

Das ließ ich mir nicht zwei mal sagen.

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Schnaufend und total aus der Puste ließen wir uns auf die angrenzende Wiese des Spiekas fallen. Ich war total erledigt und japste immer noch nach Luft.
Auch Yoongi hatte Mühe seine Atmung wieder zu beruhigen.

Wir hatten die ganze Zeit Basketball gezockt. Yoongi hatte es echt drauf. Aber gegen mich hatte er keine Chance.
Sport war einfach mein Element.
Niemand konnte mich so leicht schlagen.
Yoongi nahm es mir aber nicht übel.
Er wollte, dass ich ihm ein paar Tricks beibringe und wir beschlossen öfter hier her zu kommen, um zu üben.
Wir lachten währenddessen eine Menge und alberten auch oft ausgelassen herum.
Ich fühlte mich zum ersten Mal richtig angekommen in Busan.
Und zum ersten Mal fühlte ich mich frei.
Nicht bedrängt von meiner Vergangenheit.
Von üblen Gedanken und nervenzerreißenden Gefühlen.
Durch Yoongi und dem Spieka konnte ich all das für einen Moment komplett vergessen.
Einfach mal abschalten und nicht dauerhaft in meinen Gedanken versunken für mich allein. Er brachte mich dazu, mich aus der Panzerung zu lösen, die ich mit der Zeit um mich herum gebaut hatte. Sie schütze mich zwar, allerdings konnte es hinter einem dicker Panzer aus düsteren, kalten Gefühlen sehr einsam sein.
Dafür war ich ihm sehr dankbar. Das würde ich aber nie einfach so zugeben.

Nachdem wir uns eine Weile auf dem Rasen ausgeruht hatten, sprang ich auf, rannte zu einem der vielen Schrotthaufen und zog eine Art Rollbrett heraus, an dem ein Griff angebracht war.
Auf einmal war meine Energie wieder zurück und ich hatte eine Idee, von der ich mir sicher war, dass Sie Yoongi gefallen würde.

Ich grinste Yoongi breit an, der immer noch auf dem Rasen saß und mich musterte.
„Spring auf, Hyung!", lachte ich auf.
Ich deutete mit meinem Kopf Richtung Skateboard Parcours und fing an zu Grinsen.
Yoongi verstand sofort und seine Augen begannen zu leuchten.
Ohne weiter drüber nachzudenken sprang auch er auf, rannte zu mir rüber und setzte sich auf das klapprige Rollbrett.
„Wehe wir machen eine Bruchlandung, KOOKS, WUUUHUUU!" Die letzten zwei Worte rief er laut aus, da ich bereits mit einem Affenzahn auf den Parcours zustürmte - Yoongi, sitzend auf dem Rollbrett, vor mir her schiebend.

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Inzwischen ging die Sonne schon fast unter. Der Himmel färbte sich in wahnsinnigen rottönen und es wurde allmählich frischer.
Also beschlossen wir langsam nach Hause zu gehen, damit sich Mrs. Min keine Sorgen machte.

Nun standen wir in unserem Stockwerk. Wir klatschten einmal mit den Händen ab und gingen dann jeweils zu unseren Wohnungstüren.
Wir schlossen beide die Türen auf und noch bevor wir in unseren Wohnungen verschwanden und die Türen wieder zuschlugen, rief ich ihm noch ein: „Danke, dass du mir den Spieka gezeigt hast, Hyung." zu.
„Klar, doch. Bis morgen dann.", sagte Yoongi noch, bevor wir beide die Türen ins Schloss zogen.

Erschöpft schlüpfte ich aus meinen Schuhen und meiner Jacke, schlurfte den kleinen Flur bis hin zum Wohnzimmer entlang und ließ mich auf meine braune Ledercouch fallen.
Ich wühlte kurz zwischen den Kissen der Couch, um die Fernbedienung nach einer gefühlten Ewigkeit in den Polsterungen wieder zu finden.
Gähnend schaltete ich den Fernseher ein und döste ein wenig vor mich hin.

Plötzlich hörte ich ein kaum wahrnehmbares elektronisches Brummen, was mich aus dem Halbschlaf hochschrecken ließ.

Mein Gott ich war doch sonst nicht so schreckhaft..

Das Geräusch ertönte ein zweites Mal. Ich richtete mich auf und versuchte das komische Brummen zu orten.
Als ich in Richtung meines Zimmers blickte, konnte ich grade noch erkennen, wie der Bildschirm meines Handys aufgeleuchtet war.

Oh nein bitte nicht.

Sofort bildete sich kalter Schweiß auf meiner Stirn und mir lief es eiskalt den Rücken hinunter.
Augenblicklich fiel mir die Nachricht auf Instagram von diesen Unknown User wieder ein und Panik stieg in mir hoch.
Es fühlte sich an, als hätte ich mit einem mal einen dicken, fetten Kloß im Hals, der mir die Luft zum Atmen nahm.
Meine Kehle schnürrte sich zu und der Kloß blieb weiter in meinem Hals stecken.
Meine Hände begannen leicht zu zittern.

Was ist, wenn er mich aufgespürt hatte?
Was ist, wenn er nach Busan kommt?
Was ist, wenn er mich wieder nach Seoul zurück schleift und der ganze Alptraum wieder von vorne begann?
Nur dieses Mal würden es nicht nur Alpträume sein.. es wäre dann wieder die bittere, stahlharte Realität, die auf mich einprasseln würde.. so wie damals.
Was ist, wenn er nun noch wütender ist?
Was ist, wenn..

Oh Gott ich drehte langsam durch.
Hastig sprang ich vom Sofa auf, sprintete in mein Zimmer und rammte vor lauter Eile den Türrahmen meiner Zimmertür mit der Schulter.

Ah fuck, fuck, fuck..

Sofort explodierte der Schmerz in meiner linken Schulter, doch das war mir im Moment sowas von egal.
Das Adrenalin in meinen Adern unterdrückte plötzlich jedes Schmerzempfinden.

Panisch griff ich nach meinem Handy, klickte auf die Hometaste, sodass der Bildschirm erneut aufleuchtete und ich 2 Nachrichten von einer unbekannten Nummer auf WhatsApp erkennen konnte.

Für eine quälend lange Sekunde setzte mein Herzschlag aus, als ich begann die Nachrichten zu lesen.

Your love is killing me. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt