Kapitel 2

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~Herzschlag~

 Mein Bewusstsein kehrte angenehm langsam in meinen Körper zurück und die Wolken in meinem Kopf lichteten sich eine nach der anderen. Ich blinzelte einige Male und rollte auf die andere Seite, die Arme langsam nach oben streckend. Dann legte ich meine Arme zufrieden auf meinen Bauch und seufzte einmal tief aus. 

Danach lag ich wieder still da. Ich hatte geschlafen wie ein Stein in dieser Nacht, doch ich fühlte mich nicht wirklich gut. Nach wenigen Sekunden bemerkte ich, dass meine Nase vollkommen verstopft war und dass sich mein Gesicht geschwollen anfühlte. Ich stöhnte und warf mich wieder auf die andere Seite. Ich musste mich gestern wohl erkältet haben. Scheiße.

Dann fiel mein Blick auf die Uhr neben meinem Bett und mir wurde klar, dass es fast an der Zeit war aufzustehen, um zur Schule zu gehen. Fünf nach Sieben. Wenn ich mich nicht beeilte, dann würde sich Nathan wieder aufregen, weil-...

Dann brach die angenehme Wolkendecke über meinem Kopf zusammen und die harte Wahrheit schien mich mit ihrem plötzlichen Gewicht erschlagen zu wollen. Ich schnappte nach Luft wegen der plötzlichen Attacke des Schmerzes, die sich aus heiterem Himmel wie eine unglaublich mächtige Welle in mir zusammenballte und dann mein Herz zu attackieren schien. 

Ich schnappte nach Luft und rollte mich ganz fest in meine Decke ein, presste sie gegen meine Brust, um dieses schwarze Loch zu füllen und diese hilflose Leere nicht spüren zu müssen. Wie zu erwarten war, half es fast gar nicht. Ich konnte nur vor mich hin starren und warten, bis der Schmerz so weit nachließ, dass ich mich wieder bewegen konnte.

Eine kurze Sekunde fragte ich mich, ob er sich wohl so gefühlt hatte, als sein Herz aussetzte. Dann verbannte ich diesen Gedanken strikt aus meinem Kopf und zwang mich an Nichts zu denken, das kraftvolle Schlagen meines Herzens immer in meiner scheinbar hohlen Brust weiter schlagend. 

Keine Ahnung wie viele Minuten später hörte ich wie die Tür langsam geöffnet wurde. Es konnte nur meine Mutter sein.

In meiner Erinnerung keimte ein kleines, unschuldiges und doch so gefährliches Bild auf: Nate, wie er ganz vorsichtig die Tür öffnete und sich auf Zehenspitzen an mein Bett heranschlich, wie er sein Kichern unterdrückte und versuchte so leise als möglich zu sein, auf seinem Weg zu meinem Bett. Wie er einen kleinen Anlauf nahm, bereit auf das Bett zu hüpfen und mich ziemlich unsanft aus meinem Schlummer zu reißen-

Ich fuhr herum und traf auf das ausgezehrte Gesicht meiner Mutter, die mich aus traurigen, mit Augenringen untermalten Augen und einem leichten Lächeln ansah. Sofort ließ ich mich zurücksinken und schloss die Augen, um dieses Bild zu vertreiben und meinen Puls ein wenig zu beruhigen. Dabei hätte ich schwören können...

Die Stimme meiner Mutter riss mich auch meinen Gedanken. Ihr besorgter Blick traf meinen erschrockenen und ich wusste, in welche Richtung dieses Gespräch führen und auch welchen Ausgang es nehmen würde. Schon seit Tagen versuchte sie mich dazu zu bringen wieder in die Schule zu gehen, doch immer erhielt sie die gleiche Antwort. Ich fühlte mich noch zu krank. Sie hatte es mir immer durchgehen lassen, obwohl wir beide wussten, dass das nicht wahr war.

Ich war nicht krank, zumindest nicht wirklich. Ich befand mich in einem viel schlimmeren Zustand, denn eine Krankheit konnte man heilen. Mich nicht mehr.

Sie wollte, dass ich wieder unter Menschen komme, sie dachte meine Trauer zu teilen würde mir helfen über all das hinweg zu kommen, doch sie lag falsch. Nichts konnte mir helfen darüber hinwegzukommen, dass es ihn nicht mehr gab.

Alleine bei dem Gedanken wieder "unter Menschen zu gehen" wurde mir schlecht. Ich könnte es nicht ertragen jetzt mit jemanden reden und ihm vorspielen zu müssen, dass es mir gut ginge.

HerzschlagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt