~Herzschlag~
thump thump thump
Ich wusste auf der Stelle, dass diese Schläge nicht von meinem eigenen Herzen stammen konnten. Sie waren leiser, viel zu schwach und kamen noch nicht einmal annähernd an das kraftvolle Pumpen eines gesunden Herzens heran. Ich fühlte mich wie zurückversetzt in die Zeit, aus der die Erinnerung stammte.
Die Wände waren genauso blassweiß wie immer und der unangenehme Geruch von Krankenhaus schwebte in der Luft, als das Bild klarer wurde. Das schwache Schlagen seines Herzens verwandelte sich immer mehr in das stetige Piepsen eines Elektrokardiogramms, das die Schläge aufzeichnete und überwachte. Ich erinnerte mich daran, dass ich das Zimmer nur zögernd betrat, nicht wirklich darüber im Klaren, was hier vorging.
Gefühle aus meiner Erinnerung überschwemmten mich, als mein Blick seinen traf. Zuerst war da Schock, gefolgt von einer unglaublichen Welle aus Sorge, die mich dazu veranlasste sofort zu dem Krankenbett zu laufen, auf dem er lag. Die Erinnerung wurde immer klarer und zog mich immer mehr in ihren Bann.
Ich erinnerte mich an diesen Tag. Viel zu genau war er in meinem Gedächtnis verankert. Mir fiel wieder ein, was an diesem verhängnisvollen Tag passiert war.
Es war ein Schultag wie jeder andere. Nate und ich gingen gemeinsam zur Schule, da wir Nachbarn waren. Die aufgedrehten, siebenjährigen Kinder, die wir damals waren hatten an diesem Tag keine Lust auf den Bus zu warten, weshalb wir uns früher von unseren Müttern verabschiedeten, natürlich unter einem Vorwand, denn aus irgendeinem seltsamen Grund erlaubte Nates Mutter nie, dass wir zu Fuß zu Schule liefen.
Das machte das Ganze natürlich nur noch viel reizvoller für uns. Ich war schon immer abenteuerlustig und Nate hatte selbst ein dauerhaftes, schelmisches Funkeln in den Augen. Wir kamen uns vor wie Verbrecher, weil wir etwas Verbotenes taten und wir lachten und kicherten die ganze Zeit, versteckten uns vor jedem zweiten Auto, immer mit dem aufregenden Gefühl im Magen, das uns vor dem Erwischtwerden warnte. Leider waren wir leicht abgelenkt und sahen somit noch nicht einmal bei der Hälfte des Weges angekommen unseren Bus an uns vorbeirasen.
Damit stand fest, dass wir zu spät sein würden, was wieder dazu führte, dass unsere Mütter von unserer kleinen Aktion erfahren würden. Ich erinnerte mich noch an den Blick, den wir uns damals zuwarfen, beide mit unglaublich großen Augen und mit kleinen, zu einem "o" geformten Mündern. Das war kurz bevor wir in einem vernichtenden Lachanfall untergingen.
Ein kleines Lächeln schlich sich auf die Lippen meines jetzigen Ichs, als ich diese Erinnerung vor meinem inneren Auge abspielen sah. Wir sahen so glücklich aus, so sorgenfrei und unbeschwert.
Nachdem wir wieder aufgestanden waren beschlossen wir zu rennen um den Bus einzuholen und es vielleicht doch noch rechtzeitig in die Schule zu schaffen. Wir rannten und rannten, immer wieder vom gelegentlichen Kichern unterbrochen, dass uns zusätzlich den Atem nahm und immer mit dem aufregenden Prickeln im Nacken, das unseren Herzschlag zusammen mit der Anstrengung unglaublich schnell in die Höhe schießen ließ.
Unsere Herzen schlugen immer schneller und schneller, bemüht genug Blut in unsere Adern zu pumpen, um unseren Körper mit Sauerstoff zu versorgen, dröhnend hallte mein Herzschlag in meinen Ohren wieder. Starke, sichere Schläge. Nates Gesicht wurde mit jedem Meter, den er rannte weißer, er fiel ein wenig zurück und sein Kichern erstarb allmählich. Man konnte sehen, dass es ihm nicht gut ging, als er schließlich stehen blieb.
Schwache, zittrige und vor allem viel zu langsame Herzschlage pumpten durch seinen Körper, bald hatte er nicht mehr die Kraft sich aufrecht zu halten und lehnte sich völlig außer Atem gegen eine Hauswand. In ihm versuchte ein enorm geschwächtes Kinderherz mit aller Kraft das Blut weiter zu pumpen, den Strom am Laufen zu halten. Das Atmen wurde schwer für Nate, er schien weder genug Luft zu bekommen noch zu wissen was ihm fehlte.
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Herzschlag
Teen FictionSein Herzschlag stand still, unsere Herzen schlugen weiter. Lautlose, dröhnende Herzschläge von Herzen, die sich schuldig fühlten zu schlagen. Weil es seines nicht mehr tat. Sterben ist nicht schön. Sterben ist scheußlich. Das Leiden endet nicht m...