~Herzschlag~
Meine Augen starrten an die Decke, sahen die Rillen, die sich durch das weiße Holz zogen und sahen sie doch wieder nicht. Meine Umgebung schien verschwommen, es war als existierte nur noch ich. Sein Brief hatte das überdeutlich gemacht, es gab nur noch mich und mit diesem Wissen konnte ich nicht atmen.
Meine Finger waren permanent kalt, ich konnte mich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal warm gewesen waren. Es war, als würden sie sich mit aller Kraft an etwas klammern wollen, das sie nicht erreichen konnte. Ich wusste, dass ich essen sollte, dass ich aufstehen sollte, doch ich konnte mich nicht dazu bringen das zu tun. Mein Gehirn schien leergefegt und doch voll mit tausend Gedanken.
Gedanken, die sich zu einem Strudel um mich herum formten und mich in ihren Sumpf zu ziehen schienen. Ich wusste, ich sank immer tiefer, doch ich hatte nicht die Kraft mich wieder herauszuziehen. Mir war auch klar, dass es dazu zu spät war. Mein Atem ging langsam, jedoch stetig. Auch mein Herz schlug noch, was mir sagte, dass ich am Leben war.
Jedoch hatte ich nicht das Gefühl zu leben, es war als würde lediglich mein Körper noch da sein, als wäre ich bereits tot. Ich fühlte mich wie ein leeres Haus, in dem der Schmerz in dumpfen Schlägen widerhallte, die im Takt meines Herzschlages an den Wänden abprallten. Im hintersten Teil meines Gedächtnisses war mir bewusst, dass es nicht immer so gewesen ist, dass ich einmal glücklich war.
Doch ich konnte mich an dieses Gefühl nicht mehr erinnern, ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wie es sich anfühlte glücklich zu sein. Es war, als hätte ich mein komplettes Leben in diesem unerträglich schmerzhaften Nichts verbracht. Jeder Tag, jede Stunde, jede Minute, jede Sekunde fühlte sich an wie ein Leben. Und nichts war hier, dass es erträglicher machen konnte.
Ich sah keinen Ausweg, fühlte mich gefangen und eingesperrt, auf den Boden getreten ohne die Kraft mich wieder aufzurichten. Ich wollte mich nie wieder aufrichten.
Kurz dachte ich daran, wie Nate davon geschrieben hatte sich eine Kugel in den Kopf zu jagen. Ich presste die Augen fester zusammen und versuchte nicht daran zu denken. Ich konnte ihm das nicht antun, ich konnte nicht auch noch den Tod bekommen, den er sich gewünscht hatte, wenn ich schon das Leben und das Herz hatte. Er hatte so sterben wollen und nicht einmal das hatte er tun können.
Ich wusste, dass das was ich tat Selbstzerstörung war und doch konnte ich mich nicht dazu bringen aufzuhören, ich fühlte mich zu schuldig. Schuldig wegen allem. lch hatte mich schon vor seinem Tod für das Geschehene verantwortlich gemacht und ich wusste, dass sein Brief mir das Leben hätte retten können, doch nun, da ich die Worte schwarz auf weiß gelesen hatte, war ich mir sicher, dass es einzig und alleine meine Schuld war.
Ich hätte besser für ihn da sein sollen, hätte ihm helfen sollen, egal wie. Ich hätte die Ärzte dazu zwingen müssen ihm ein neues Herz zu besorgen und nicht einfach tatlos zusehen. Ich hätte ihn nicht sterben lassen dürfen.
Irgendetwas trieb meine Beine schließlich doch dazu an sich zu bewegen. Irgendwie schaffte ich es mich aufzurichten und einen Fuß vor den anderen zu setzen. Es war inzwischen nach halb vier am Morgen und ich wusste, dass meine Mutter bereits schlief. Mein Verdacht bestätigte sich, als ich meinen Weg durch die Küche machte, wo sie auf dem Küchentisch eingeschlafen zu sein schien.
Kurz versetzte mir ihr Anblick einen Stich ins Herz. Sie schien in den wenigen Tagen, oder waren es vielleicht schon Wochen, seit Nates Tod um Jahre gealtert zu sein. Tiefe Furchen zogen sich über ihr Gesicht und Falten gruben sich in ihre sonst so jugendliche Haut. Mein Herz machte einen schmerzhafte Satz, als ich darüber nachdachte, wie schnell Dinge zuende gingen. Auch mit ihr ging es bald zuende. Sie stürzte sich verzweifelt in ihre Arbeit und arbeitete sich buchstäblich tot. Lange hielt ihr Körper nicht mehr mit, sie verstarb wenige Jahre nach Nate.
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Herzschlag
Teen FictionSein Herzschlag stand still, unsere Herzen schlugen weiter. Lautlose, dröhnende Herzschläge von Herzen, die sich schuldig fühlten zu schlagen. Weil es seines nicht mehr tat. Sterben ist nicht schön. Sterben ist scheußlich. Das Leiden endet nicht m...