3. Chapter

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Meine Schulterblätter zogen schmerzhaft.

Ich stieß mich von dem Waschbecken ab und stolperte in mein Zimmer.

Dort stützte ich mich an der Wand ab.

Der Schmerz brannte in meinem Rücken.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der ich nur am Boden zusammengekauert lag, ließ der Schmerz etwas nach und ich konnte meine Schultern entspannen.

Ich stand auf.

Was zum Teufel ist gerade mit mir passiert?

Ich verrenkte mich zu meinem Rücken und befühlte meinen Buckel.

Kam es mir nur so vor, oder war er größer geworden?

Ich seufzte und zog mir das Kapuzenshirt über den nackten Oberkörper.

Dann setzte ich mich an meinen Schreibtisch und holte meinen Zeichenblock und meine Kohle aus meinem Rucksack.

Und dann begann ich zu zeichnen.

Ich zeichnete immer, wenn ich nachdachte, verwirrt war oder wütend war.

Aus leblosen Strichen und Kreisen formte sich nach kurzer Zeit ein prächtiger Rabe, der stolz auf dem Wipfel einer Tanne saß.

Ich zog die letzten Striche und studierte das Bild mit sehensüchtigem Blick.

Ich hatte größe Angst vor Raben. Deshalb zeichnete ich sie auch immer. Ich versuchte meine Angst zu kontrolieren und zu verdrängen. Aber es ging nicht.

Ich signierte das Bild, stand auf und verstaute es in einer Mappe, in der nur Bilder von dem Raben waren. Seit ich denken könnte, zeichnete ich nur Raben.

Ich habe nie ein Bild gemalt, auf dem nicht das Haupttier ein Rabe war.

Deshalb bekam ich damals viel Ärger von meiner Kunst- und Werklehrerin.

Letztes Schuljahr musste ich Kunst und Werken abwählen, da ich keine Raben zeichnen durfte.

Aber war ist schon Schulkunst?

Rein gar nichts.

Wütend verschloss ich die Mappe. Die Gedanken an Schule machten mich wütend.

Ich legte die Mappe zurück in meinen Rucksack und wusch meine Finger, die durch die Kohle schwarz geworden waren.

Dann verließ ich das Zimmer um mir in der heruntergekommenen Küchen etwas zu Essen zu machen.

Wie immer hatte ich vergessen, zu Mittag zu essen und mein Magen knurrte verlangend.

Aus Reflex sah ich auf meine Armbanduhr.

19:30Uhr.

Verdammt.

Schon so spät?

Ich aß mein halb vergammeltes Brot und verließ die Küche.

Nach kurzem Zögern entschied ich mich dazu, meine Mom zu begrüßen.

Ich trat in das Wohnzimmer ein.

Nicht größer als fünf Quadratmeter.

Überall standen Eimer herum, die das von oben tropfende Wasser auffingen sollten.

Ich hörte das Plätschern, konnte es aber nicht sehen.

Meine Sicht wurde von dichtem Zigarettenrauch vernebelt.

Ich unterdrückte ein Husten.

Meine Mom saß in dem zerfetzten Sessel und sah mich an.

Sie war klein, sehr klein und sah verdammt alt aus. Genau genommen wie achtzig oder älter. Dabei war sie erst zweiunddreißig.

Das kam vom Rauchen.

Frühes Altern und kein Bock mehr auf alles und jeden.

Aber ich war nicht besser.

"Was schaust du so grimmig, Zacra. Hast du schon wieder Koks geschnupft?", fragte meine Mom drohend mit rauchiger Stimme.

Ja, ich nahm Drogen. Schon seit ich vierzehn war.

Kokain, Crystal-Meth, Haschisch und so. Eben diesen ganzen Drogenshit.

Aber nicht gerade eben.

"Mom, das ist ganz allein meine Angelegenheit!", fauchte ich zurück.

"Nein, ist es nicht! Wie soll ich denn bitte meine Zigaretten bezahlen, wenn du kein Geld verdienst? Durch deine kleinen Einbrüche kann ich mir grad mal eine Packung im Monat kaufen! Wie soll ich denn bitte damit überleben?"

Es ging immer nur um ihre Zigaretten Sucht. Kettenraucherin extrem.

Und so roch es auch.

"Ich hab was gefragt!", ertönte die rauchige Stimme meiner gereizten Mom.

"Man, ich geb dir kein Geld mehr! Nimm dir einen Job und verdien dir deine eigene Kohle.", brüllte ich die Frau an und verließ wutschnaubend das Wohnzimmer.

Meine Zimmertür knallte laut, als ich sie übertrieben fest zuschlug.

Ich setzte mich an meinen Schreibtisch, rauft mir die Haare, stand wieder aus, öffnete meinen Rucksack und holte eine kleine schwarze Dose daraus.

Ich öffnete sie und schüttete mir ein bisschen weißes Pulver auf den Handrücken und hielt meine Nase darüber.

Ich atmete ein.

Das Kokain kitztelte in meiner Nase und mir wurde kurz schwindelig.

Mein Blick wurde wieder scharf und ich setzte mich auf.

Ein Glücksgefühl stieg in mir auf, meine Sicht war wieder so scharf, wie ich es erwartet hatte.

Meine Aufmerksamkeit war wieder voll da.

Ich konnte jetzt unmöglich hier drinnen bleiben.

Aber wenn ich raus gehen würde, würde der erste Bulle mich in den Knast bringen.

Meine Strafakte grüßte freundlich.

Ich fuhr mir über die Augen und ging in das Zimmer neben meinem. Das war im Prinzip auch mein Zimmer. Hier stand so was wie Hanteln, Gewichte, Fahrräder und dergleichen rum.

Keine Sorge, die waren von einer Schrotthalde, hab sie nicht geklaut. Nur ein paar Ersatzteile, um zu reparieren.

Aber das war ja nicht die Welt.

Ich zog mir mein Kaputzenshit wieder über den Kopf und legte es auf einen Stuhl. Dann zog ich mir ein weißes Stirnband über die Haare, sodass sie mich nicht störten.

Ich trieb lange Sport.

Bis tief in die Nacht hinein.

So gegen 1:42 Uhr hörte ich auf, duschte mich, zog mir eine einfache Boxershorts an und sah noch schnell bei Alve vorbei. Sie war auf dem Sessel eingeschlafen.

Ich drückte ihre glimmende Zigarette komplett aus und legte mich schließlich auch schlafen.

Und ich träumte.

Diesen Albtraum, der mich schon seit ich Denken kann verfolgte.

Biester - RavenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt