10. Chapter

37 4 0
                                    

"Warum bist du... in diesem Spiegel? Und warum redest du mit mir? Was... Was soll das alles?", stotterte ich und stützte mich an der Wand ab.

Mein Spiegelbild verschrenkte die Arme und sah mich abschätzend an. Er schien zu überlegen, dann meinte er: "Du weißt die Antwort auf die erste Frage, die Zweite ist auch klar, du bist mein Bruder. Und Drittens, du bist hier in einer Raven-Kammer. Mich wundert, dass sie noch nicht da sind."

Nachdenklich strich Cazac über sein Kinn und sah mir wieder in die dunkleblaue Augen.

"Wer sind sie?", fragte ich, mittlerweile um meine Geduld ringend. Waren das Psychopathen, die mich mit irgendwelchen Bakterien infizieren wollten?

Jetzt verzog Cazac das Gesicht und lachte höhnisch.

"Die Raben. Eigentlich kommen sie in den ersten zehn Stunden. Aber jetzt sind schon zwei Tage vorbei. Die lassen sich ja richtig Zeit."

Meine Atmung setzte kurz aus, um dann noch schneller zu pumpen. "Raben? Erklär mir, was hier los ist!", hauchte ich gegen die Scheibe. Meine Stimme war ein heißeres Kratzen.

Was mein Bruder mir da erzählte, ließ mein Blut gefrieren.

"Du bist in einer Raven-Kammer. Hier wird getestet, wie stark dein innerer Raven ist und wie sehr du dich beherrschen kannst."

"Wie geht das?"

"Raben kommen hier rein und werden dich attackieren. Du wirst nach und nach umgewandelt, aus Angst und du musst die Raben töten. Alle miteinander. Du bekommst Zeit, um dich wieder zurück zu transformieren, dann werden deine Mom und Glassou dich holen."

Ich schluckte. Ich muss mit Raben in ein Zimmer...?

"Wie kann ich mich vor den Vögeln schützen?", fragte ich, doch meine Stimme drang nicht weit genug. Ich hatte viel zu leise gesprochen.

"Zacra, du darfst die Raben nicht töten. Du musst sie verscheuchen. Aber verletzte keinen!", warnte mich mein Bruder aus dem Spiegel und legte seine Hand an den Spiegel. An seiner Handinnenfläche waren drei tiefe Narben. Rabenklauen.

Ich wollte ansetzten, fragen, wer das war, doch ich kam nicht dazu.

Ein lauter, schriller Schrei hallte durch den Raum und ließ den Spiegel zittern. Der Schrei konnte von keinem Menschen stammen. Das mussten die Raben sein!

"Es geht los, Bruder. Du darfst nicht töten!", riet mir die Stimme aus dem Spiegel und plötzlich war die Luft von Flügelschlagen und Krächzen erfüllt.

Ich sah mich angsterfüllt um. Alles war wie davor. Ich drehte mich um meine eigene Achse und stellte mich neben das Bett, welches jetzt nur noch eine einfache Decke war. Hatte jemand das Bett aus dem Raum geholt?

Ich hörte noch einen markerschütternden Schrei, dann fiel mir etwas auf. An den vier Ecken des Zimmers konnte ich schwarze Federn erkennen. Sie flogen still an der Wand herunter und die Ecken verfärbten sich schwarz.

In dem Moment hörte und sah ich die Raben.

Zu viele, als dass ich sie zählen konnte, doch schwarz wie Pech. Der Raum war von ohrenbetäubenden Geräuschen erfüllt. Ich konnte meinen verzweifelten Schrei nicht hören.

Ich drückte mir die Hände auf die Ohren und fiel auf die Knie.

Raben schossen durch die Luft und kratzten über meine Haut, zogen an meinen Haaren. Schmerz fuhr durch meinen Körper, als ein Rabe seine scharfen Krallen über mein Gesicht zog. Ich fühlte die warme Lebensflüssigkeit meine Wange herab laufen.

Ich brüllte vor Schmerz, doch hören konnte ich mich nicht.

Die Luft war erfüllt von schwarzen Federn und blitzenden Augen.

Holt mich hier raus!

Ich wollte diese paar Wörter schreien, doch meine Stimme gehorchte mir nicht mehr.

Ich wollte dass es aufhört. Der unerträgliche Schmerz, gemischt mit Angst und Panik schnürrten mir die Kehle zu und ballten sich in meinem Magen zusammen.

Der Knoten in meinem Bauch wurde größer, schmerzhafter, verschluckte alles. Meine Haut an den Unterarmen zerrte und spannte. Mein Rücken beugte sich und straffte die Haut.

Nicht wieder diese Schmerzen! Ich biss die Zähne zusammen. Ich würde nicht wieder diese Folter ertragen!

Die Vögel um mich herum tobten und ich krümmte mich vor Schmerz. Meine innere Folter dauerte kaum zehn Sekunden. Meine Haut an den Unterarmen zerriss und die schwarzen Federn wuchsen aus meiner blutenden Wunde.

Meine Haut am Rücken zerriss ebenfalls und gaben meine blutenden, schwarzen Schwingen frei.

Meine Fingernägel verwandelten sich in Krallen. Meine Sicht schärfte sich auf das Zehnfache.

Eine unmögliche Wut und Angst erfasste mich.

"TÖTE DIESE RABEN!", erschall in meinem Kopf und hallte tausendfach wieder.

Ich hielt mir den Kopf, Cazac hatte gesagt, ich dürfte die Vögel nicht töten.

"TÖTE SIE!"

Ich wehrte mich gegen meine inneren Gedanken und konzentriert mich wieder auf den äußeren Schmerz.

Die Vögel waren lauter geworden. Schneller rauschten sie durch die Luft und ich konnte all die Schnittwunden der Krallen fühlen.

"Töte sie!"

"NEIN!", brüllte ich zurück, mir war klar, dass ich nicht darauf hören würde.

Ich presste die Augen zusammen. Von innen wurde ich langsam aber sicher zur Bestie und außerhalb war meine Kraft fast verbraucht.

Mein Körper war von Blut durchtränkt.

"Dann töte ich sie!"

Und plötzlich konnte ich mein Leib mehr kontrollieren. Ich saß in meinem Körper und sah tatenlos zu, wie ich mich aufrichtete und auf die Raben los ging.

"Du darfst sie nicht töten!"

Mein Körper realisierte diese Warnung nicht. Er ging weiter mit bloßen Händen auf die Tiere los und bekam schließlich einen Vogel zu fassen.

Der Rabe krächzte wütend und angsterfüllt. Ich musste ihn los lassen!

Doch mein Körper reagierte nicht. Er drückte dem Vogel die Kehle zu und wollte ihm den Hals umdrehen.

"Dann töte ich sie!" - "Du darfst sie nicht töten!"

Meine Gedanken fochten miteinander. Der Rabe krächzte nicht mehr, er röchelte nur noch.

"STOPP!"

Biester - RavenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt