6. Chapter

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Schwer hing etwas an meinem Rücken. Wärme floss über meine Hinterseite. Meine Sicht war scharf und etwas verdunkelt. Meine Stimme war stumm, ich konnte nicht reden. Nur ein Krächzen erklang aus meiner Kehle, als ich versuchte zu sprechen.

Ich stand vorsichtig auf und stützte mich auf dem Tisch ab. Ich stutzte. Meine Fingernägel waren lang und schwarz, wie Krallen. Aus meinen Unterarmen sprießten senkrecht schwarz glänzende Federn, die etwa zwanzig Zentimeter lang waren.

Was zum Teufel...?

Ich führte meine Hand zu meinem Unterarm und zog sanft an einer Feder. Meine Haut spannte sich. Die Federn waren an meiner Haut fest.

Ungläubig streichelte ich über deine sonst so glatte weiße Haut, die jetzt an der Unterseite gefiedert war.

Das musste ein Traum sein! Mir konnten keine Federn wachsen! Das war unmöglich!

Ich richtete mich komplett auf, an meinem Rücken hing etwas schwer herunter. Ich fuhr mir durch die Haare, zog leicht daran. Dann riss ich eine Feder aus der schmalen schwarzen Linie, die sich auf meinem Arm gebildet hatte.

Ein bohrender Schmerz verteilte sich auf meinem kompletten Arm. Ich zog die Luft scharf ein. Dunkelrotes Blut lief über meinen Unterarm. Die Federn waren mit meinem Körper verwachsen und gehörten zu mir.

Das war nicht wahr, wie sollte das möglich sein?

Ich schluckte, als mir etwas schwerwiegendes klar wurde. Wenn ich schon Federn am Arm hatte, was war dann an meinem Rücken?

Ich stürzte in mein Zimmer und weiter in das angrenzende Bad. Ich stützte mich an dem Waschbecken ab, atmete durch und sah in den Spiegel.

Ich prallte zurück. Konnte nicht atmen. Mein Körper konnte sich nicht mehr bewegen.

Aus meinem Rücken ragten zwei große rabenschwarze Schwingen, die von meinen Knien bis kurz über den Kopf gingen.

Mein Nacken war mit schwarzen Federn überdeckt und ließen an meiner Kehle einen dünnen Streifen weiße Haut sehen. Doch das schlimmste waren meine Augen. Sie waren komplett schwarz. Nicht mal das gewohnte Weiße des Augapfels war mehr zu sehen.

Ich fasste nach meinem Rücken. Warme Flüssigkeit klebte an meinen Fingern. Geschockt sah ich meine Finger an. Sei waren dunkelrot. Zitternd hob ich meine Hand und probierte die Flüssigkeit.

Blut. Mein Rücken war blutüberströmt.

Ich brach zusammen. Das musste ein Traum sein, eine Halluzination. Ich konnte nicht atmen. Nur Krächzen erklang.

Ich kämpfte mich in eine sitzende Position und drückte mir auf den Bauch. Ich hustete und konnte wieder atmen, schwer, aber ich bekam Luft.

Hechelnd saß ich in dem viel zu kleinem Bad und schloss erschöpft die Augen.

Das Schwarz hinter meinen Lidern war noch dunkler als sonst.

Lag das an meinen komplett schwarzen Augen?Ich fuhr mir durch das Gesicht. Es fühlte sich normal an. Mir war kein Schnabel oder Federn im Gesicht gewachsen.

Mit einem imaginären Schlag wurde mir etwas klar. Falls die Flügel und die Federn zu meinem Körper gehören, dann würde ich nie wieder aus dem Haus gehen können. Falls die Schwingen nicht verschwinden würden, dann könnte ich nicht mal meiner Mom unter die Augen treten können. Ich müsste das einsamste Leben der Welt leben.

"Scheiße!", krächzte ich heißer.

Ich zog mich kraftlos an dem Türramen hoch und schwankte durch das Zimmer. Ich musste mir diese Federn entfernen. Ich taumelte in die Küche und holte eine Zange. Ich sank an dem Schrank zu Boden und nahm eine Feder zwischen die Greifer. Die Federn waren hart und ich konnte sie schlecht mit der Hand ausreißen.

Ich atmete aus, riss die Feder mit Gewalt aus meiner Haut und brüllte. Der Schmerz bohrte sich in meinen ganzen Körper, mit meinem Arm als Zentrum. Blut strömte über den Boden.

Ich wartete den schlimmsten Schmerz ab und nahm eine weitere Feder ins Visier.

Und so riss ich eine Feder nach der Anderen aus meinem Unterarm. Blut tränkte den Boden und meine Klamotten. Der rechte Arm war mittlerweile entstellt und federnfrei.

Meine Augen fielen erschöpft zu. Ich hatte nicht gedacht, dass ich so viel Blut verlieren würde. Ich legte die Zange kraftlos auf den blutroten Boden neben mich und atmete tief durch. Ich war so dumm!

Wie kam ich auf die bescheuerte Idee, meinen Körper zu stutzen? Ich hatte die komplette Küche vollgeblutet und mein Bad wahrscheinlich auch noch. Was zum Teufel war in mich gefahren?

Ich versuchte krampfhaft meine Augen zu öffenen, doch die Lider waren zu schwer. Ich wollte nur schlafen. So erschöpft. So müde.

Mein Atem wurde langsamer und unregelmäßiger. Ich würde das nicht überleben. Das wurde mir auf ein mal klar. Wenn nicht bald Hilfe kam, würde ich hier in der Küche verrecken.

In dem Moment klickte die Tür. Jemand betrat die Wohnung. Mom?

Jemand zog die Nase hoch, dann fiel etwas zu Boden, es hörte sich so an wie Plastiktüten, die gefüllt waren.

"Zacra?!", ertönte sofort die schrille Stimme meiner Mom. Ich hustete, als ich reden wollte, doch meine Kehle war stumm.

Schwere Schritte erklangen, als meine Mom durch die Wohnung in ein Zimmer rannte.

"Oh mein Gott!", schrie meine Mom aus dem Zimmer. Sie musste mein Blut an der Wand gesehen haben.

"Zacra?! Wo bist du?"

Ich krächzte, hustete, konnte jedoch nicht sprechen. Ich war so erschöpft. So müde. Wollte schlafen. Ich schloss meine Augenlider und genoss die Dunkelheit. Die Welt um mich herum drehte sich.

"Zacra!"

Der Ruf kam von so weit her. Ich brauchte nicht reagieren, es war so schön in der Stille hinter meinen Augen.

Ich ließ mich von der angenehmen Schwärze entführen und gab der endgülitgen Ruhe endlich nach. Dann war selbst das Schwarz aus meinem Kopf gelöscht. Und ich hatte keinerlei Erinnerung mehr.

Biester - RavenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt