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„Nein! Nein, Nein, Nein!“
Meine Hände krallten sich in das Bettlaken, kalter Angstschweiß rann über meine Schläfe.
„ NEIN!“
Ein Schrei, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ, hallte durch den Erebor und riss Kili aus seinem tiefen Schlaf.
Es war mittlerweile die dritte Nacht, nach der grausamen Schlacht vor dem einsamen Berg, in der ich von Alpträumen und Dämonen geplagt wurde.
Ich schnappte nach Luft, setzte mich zitternd auf und hielt mir die Ohren zu.
„ICH WILL NICHT MEHR!..Bitte..“
Ein ersticktes Schluchzen ertönte, warme Tränen kullerten über meine Wangen.
„LASST MICH IN RUHE!“
Schreiend strampelte ich, trat und schlug mit aller Kraft nach den grinsenden Monstern in meinem Kopf.
Ein starker Arm legte sich um meine Taille und zog mich an Kilis Brust.
„Sssh, Lea. Alles ist gut, alles ist in Ordnung...“
Verzweifelt schüttelte ich den Kopf.
„Niemand wird dir hier weh tun..“
Ich schluckte hart und schloss meine blutunterlaufenen Augen.
Atmete tief ein, schmiegte mich an meinen Freund und ließ meinen Kopf auf das durchnässte Kissen sinken.
Seine Hände strich über mein Gesicht, über meine Schulter und über meinen Rücken.
Jede Stelle, die Kili berührte, schien zu brennen, als würde er mich in Flammen setzten.
„Alles wieder in Ordnung?“ Er strich mir eine dunkelblonde Haarsträhne hinter das Ohr und wandte sich zum gehen, als ich langsam nickte.
„K-Kannst du bitte hier bleiben“, fragte ich bebend und schniefte hilflos,“bitte? Ich kann sonst nicht schlafen.“
Für einen kurzen Moment schien Kili nicht zu wissen, was er tun sollte, doch dann erkannte ich seine Silhouette in der Dunkelheit, wie er auf das Bett zu ging und schließlich unter die Bettdecke neben mir schlüpfte.
Vorsichtig  drehte ich mich um, schmiegte mich an Kili, während ich spürte, wie sein warmer Atem meine Wangen streifte.
„Es ist meine Schuld.“ Es war kaum mehr als ein heiseres Flüstern, dass die drückende Stille durchbrach. „Ich hätte Thorin retten können.“
„Nein, nein“, entgegnete der Zwerg neben mir und drehte seinen Kopf, um mir in das verweinte Gesicht sehen zu können,“das stimmt nicht!“
„Aber-..Aber ich hätte es verhindern können! Ich hätte die Prophezeiungen ändern können...“ Meine Stimme brach ab.
„Und vielleicht hättest du es nicht ändern können. Vielleicht war es am Ende vorausbestimmt, dass mein Onkel stirbt und Fili letztendlich über den Erebor herrscht.“
„Aber-..“
„Kein aber mehr“, unterbrach mich Kili und legte mir einen Finger an die Lippen,“ Schlaf jetzt. Morgen wird ein langer Tag.“
„Na gut.“ Ich lächelte schief, versuchte, die immer wieder aufwallenden Tränen weg zu blinzeln und schloss meine Augen.
Das laute Pochen seines Herzens in seinem Brustkorb lullte mich in den Schlaf, jeder kräftige Schlag, der das Blut durch seine Adern pumpte, beruhigte mich ein bisschen mehr.
Ich konnte fühlen, wie seine Lippen meine Nasenspitze berührten, wie er einen sanften Kuss auf meine Stirn presste und sein Kinn auf meinen Kopf legte, als würde er mich vor all den bösen Dingen auf der Welt beschützen wollen.

Als sich die ersten Sonnenstrahlen einen Weg durch die Vorhänge an den Fenstern bahnten, hatte ich das ungute Gefühl,  mich gleich übergeben zu müssen.
Ein leises zögerliches Klopf riss mich aus meinen Gedanken und ich setzte mich hastig auf.
„Herein!“
„Guten Morgen“, begrüßte mich Kili mit einem breiten Grinsen, dass viel zu glücklich für den eigentlichen Tag war. Schließlich wurde Thorin beerdigt, und, obwohl Filis Krönung eine fröhliche Zeremonie sein würde, wog die Traurigkeit über Thorins Tod schwer auf meinen Schultern.
Mein Blick fiel auf den schillernden Stoff in seinen großen Händen.
Ein Kleid, in einem wunderschönem Rot, dass mich an blühende Rosen an einem Frühlingsmorgen erinnerte.
Goldene Ranken wanden sich über den Stoff der langen Ärmel, schimmernde Blüten verzierten das enge Korsett und ließen es in der aufgehenden Sonne funkeln, wie tausend Sterne im Nachthimmel.
„Ich weiß-..Ich weiß das es nicht das passende Kleid für eine Beerdigung ist“, begann Kili und lächelte entschuldigend,“aber es ist das schönste, was ich finden konnte.“
„Das ist für mich?“ Ungläubig schüttelte ich den Kopf und ließ meine Fingerspitzen über den Stoff gleiten, als hätte ich Angst, dass er jeden Moment zu Staub zerfallen würde. „Es ist wunderschön. Woher hast du es?“
„In der Schatzkammer. Frag nicht, warum dort Kleider zwischen all dem Gold vergraben sind“, lachte der junge Mann, während er beobachtete,“ willst du es weiter anstarren oder willst du es endlich anprobieren?“
Für einen kurzen Moment versenkte ich meine Zähne in meiner Unterlippe, dann lachte ich Kili an und riss ihm das Kleid aus den Händen.
„Das musst du mich kein zweites Mal fragen!“
„Soll ich jemanden schicken, der dich ankleidet oder-...“
„Der mich ankleidet? Das krieg' ich alleine hin“, unterbrach ich ihn und schlug gegen seine Schulter.
„Na gut, wir sehen uns dann später.“ Seine Hände legten sich um meine Hüfte, mit einem Arm zog er mich näher und presste schließlich seine Lippen sanft auf meine.
Die Zeit schien stehen zu bleiben, die Welt hörte auf sich zu drehen und ich vergaß, wie zum Teufel man atmet.
„Du wirst wundervoll aussehen.“
Dann war er verschwunden, ohne eine einzige Spur zu hinterlassen.
Meine Lippen prickelten, Blut rauschte in meinen Ohren und ich starrte verdutzt an die Stelle, auf der Kili noch vor wenigen Sekunden stand.
„Ach du Scheiße“, wisperte ich und riss die Augen weit auf, während ich mit der Zunge über meine Unterlippe fuhr.

Eine Irre auf Abwegen(Kili Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt