Luca konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich forderte ihn auf weiterzusprechen. Drängte ihn trotz des offensichtlichen Zusammenbruchs seiner steinharten Fassade.
Er verdeckte sein Gesicht mit seinen großen rauen Händen und atmete laut ein und wieder aus. Bevor er mir antwortete, schluckte er noch ein Mal, um etwas Zeit zu schinden. Mir war klar, dass er gerade nach den richtigen Worten suchte. Doch ich wollte nicht die richtigen Worte. Nur die Wahren. Ich ließ ihm keine Zeit sich zusammen zu raufen, sondern bohrte immer weiter. „Luca, sprich endlich mit mir, was ist mit ihr?" - „Sie ist tot, verdammt!", schrie er mir die von mir erwartenden Worte an den Kopf.
Ich hielt den Atem an, erschrocken von seiner Reaktion. Erschrocken von der Tatsache.
„Es war vor einem Jahr. Ich war mit ihr in Portugal an der Küste. In dem Haus der Familie meiner Urgroßmutter. Wir beide hatten viel Zeit dort verbracht. Das war unser Zufluchtsort. Doch jemand hatte geplaudert. Und als wir da ankamen, fand ich meine Wachen tot vor. Ich ließ Emilia im Wagen, weil sie auf dem Rücksitz eingeschlafen war und ich dachte sie wäre dort sicher. Ich wollte nur kurz nachschauen, was da los war." Luca machte eine Pause, bevor er weitersprach und ich sah wie ihm eine Träne die Wange hinunter rollte.
„Als ich wieder kam, lag sie mit 17 Messerstichen auf dem Boden. Meine kleine Prinzessin. Tot. Neben ihr ein kleines silbernes Messer mit den eingravierten Buchstaben GC." Er wandte sich von mir ab und ging zu den großen Fenstern. Mein Kopf dröhnte und ich wusste nicht, was ich glauben sollte. Diese ganze Geschichte war so absurd und doch so glaubhaft. So verstörend und doch klang es genau nach meinem Vater. Doch sein eigenes Enkelkind?
„Warum sollte ich dir das alles glauben?" fragte ich ihn ruhig.
„Welchen Grund habe ich, diese Geschichte zu erfinden? Das Foto ist dir nicht genug? Komm mit ich zeig dir mehr!"
Luca war wütend. Sehr wütend. Das immer noch von Tränen feuchte Gesicht war nun wutverzerrt. Er packte mich am Arm und zog mich mit sich, ohne auf meine schmerzenden Beine zu achten. Ich hatte Schwierigkeiten ihm zu folgen, doch er ging schnurstracks weiter.
In einem kleinen Zimmer, dass nach einem Büro aussah, ließ er meinen Arm dann endlich los. Schnellen Schrittes durchquerte er den Raum und stand vor einem Gemälde eines seiner Vorfahren. Er schob es zur Seite und ein Tresor kam zum Vorschein. Augenblicklich begann ein Countdown von 30 runter zu zählen. Luca stellte sich direkt davor als ein roter Laser ihn mit seinem Strahl erfasste. Keine drei Sekunden später stoppte der Countdown und die Tür öffnete sich. Nachdem er etwas herausgenommen hatte, drehte er sich langsam zu mir um.
„Hier hast du Alles, was mir etwas bedeutet!" Ich blickte auf den vor ihm stehenden Tisch.Dort lag ein großes Fotoalbum und irgendetwas, dass in ein Tuch eingewickelt war. Zögernd ging ich auf das Album zu.
Als ich es öffnete, strahlte ich mir selbst entgegen. Jede einzelne der vielen Seiten waren beklebt mit Bildern von mir oder Luca oder uns Beiden. Lächelnd. Umarmend. Küssend.
Schließlich kamen Bilder eines kleinen Mädchens hinzu. Bilder, wie es Brei zu essen bekam, wie es schlief, von seiner Taufe, wie es laufen lernte und im Garten spielte. Es waren Auszüge, die etwas in mir zu bewegen schienen. Das letzte Bild in dem Album war ein großes Bild von Luca und dem kleinen Mädchen auf dem Arm, das angeblich meine Tochter gewesen war. Sie standen vor einem großen Kuchen mit 2 Kerzen darauf. Ich schloss das Album mit zitternden Händen. Wie konnte es nur sein, dass ich mich an nichts davon erinnerte?Voller Angst, vor dem, was mich in diesem Taschentuch erwartete, griff ich langsam danach. Als ich es öffnete, kam ein kleines silbernes Messer zum Vorschein und mir blieb die Luft weg.
Dieses Messer. Ich erkannte es sofort, denn es hatte einmal meinem Vater gehört. Ich kannte dieses Messer deshalb ganz genau, da ich selber es für ihn hatte anfertigen lassen. Es war sein Geschenk zum 50ten Geburtstag. Und damit soll er ein unschuldiges Kind getötet haben. Mein unschuldigen Kind.
Sein Enkelkind.Konnte Luca wirklich Recht haben?
„Ich muss mich hier raus!", war alles, was ich rausbrachte und schritt so schnell ich konnte aus dem Zimmer. Ich brauchte Luft. Dringend. Frische Luft.
All das konnte doch nicht wahr sein. Trotz all der Beweise konnte ich einfach nicht glauben, dass es wirklich die Wahrheit sein sollte.Vorsichtig kam Luca hinter mir her. Er trat an mich heran. Zögerlich aber entschlossen.
„Aurora, der Mord an unserer Tochter, war der Grund, weshalb ich nicht mehr warten konnte. Ich musste dich wieder haben. Ich plante alles ganz genau. Und kaum hatte sich mir die erste Gelegenheit dazu geboten, ließ ich meinen Plan in die Tat umsetzen. Ich wusste du würdest niemals freiwillig mitkommen..", er machte eine kleine Pause, während ich mich zu ihm umdrehte. „Aber ich dachte wenn ich dich erst mal hier hin bringen würde, an dein wahres Zuhause, dann würdest du dich schon an alles erinnern." - „Wir haben tatsächlich hier gelebt? In diesem künstlichen Urwald?"
Lucas Blick erhellte sich. Seine Züge wurden weich. Es war echte Freude, die sein Gesicht zum Strahlen brachte, weil ich endlich bereit dazu war, ihm zu glauben.
„Na ja, ehrlich gesagt, habe ich bei deiner Ankunft etwas geschwindelt. Wir sind nicht unter der Erde. Und das...", er zeigte in Richtung Himmel. „...ist auch keine Projektion. Ich wollte nur nicht, dass du versuchst abzuhauen." Ich stockte kurz.
Touché. Diese Lüge hatte ich ihn tatsächlich abgekauft.
Luca wollte mich in den Arm nehmen, doch ich wandte mich von ihm ab und setzte mich auf den kühlen Rasen.
„Wahrscheinlich ist es besser, dass Emilia nicht mehr lebt. Und dass sie mich niemals kennengelernt hat."' sagte ich traurig vor mich hin.
„Das darfst du niemals auch nur..." - „Es ist aber die Wahrheit!", unterbrach ich Luca.
„Was bin ich nur für eine Mutter, wenn ich mein eigenes Kind vergesse? Selbst bei dem Anblick der Bilder regten absolut keine Erinnerungen in mir."
Ich konnte meine Tränen nun nicht mehr zurückhalten. All' die Anspannung der letzten Tage, ja, sogar Wochen entlud sich in diesem Augenblick. Luca trat vorsichtig an meine zitternde Gestalt heran. Er legte sanft erst einen Arm um mich und schließlich, als er keine Gegenwehr von mir spürte, auch den anderen. Er hielt mich einfach fest und ich spürte diese Vertrautheit zwischen uns, das Prickeln unter meiner Haut, die Sehnsucht nach ihm und ich wusste, dass ich ihm glaubte.
Ich kannte meinen Vater besser als alle anderen. Und ich weiß, dass er im Stande wäre, diese grässliche Tat zu vollführen. Liebe war für ihn nur so lange vorhanden, wie man bereit war, seinen Anweisungen zu folgen. Wie groß konnte die Liebe eines Vaters zu seiner Tochter sein, wenn er sie von unzähligen Männern foltern ließ? Aus dem einzigen Grund sie „härter" werden zu lassen?
Natürlich würde er sich rächen wollen. Und mein größter Schwachpunkt war nun mal mein Herz. Meine Liebe. Und zu wem hätte die Liebe größer sein können, als zu meiner Tochter?Langsam beruhigte ich mich und lehnte meinen Kopf an die starke Brust, die sich mir als Halt bot. Lucas Herz klopfte langsam aber laut. Sein Blutdruck müsste wohl ziemlich in die Höhe geschossen sein. Es ließ ihn also tatsächlich nicht kalt, was sich hier gerade abspielte.
Er strich mir sanft mit seiner großen, rauen Hand über die langen Haare. Ich blickte zu ihm hoch und schaute in seine geröteten Augen. Auch er hatte die eine oder andere Träne vergossen. Er schaute sanft zu mir herunter.Zögernd kam er mir mit seinen Lippen näher. Als ich mich nicht bewegte und ihm so meine Erlaubnis signalisierte, schloss er seine Augen und vergrub seine Hand in meinen Haaren.
Als seine Lippen die meinen berührten, entfachte sich ein loderndes Feuer in mir. Meine ganze Haut prickelte.
Es war ein sanfter Kuss. Wir lösten uns kurz von einander und ein Lächeln schlich sich auf unsere Gesichter. Ich lehnte meine Stirn gegen seine Lippen und genoss diese unglaubliche Intimität zwischen uns.„Komm...", unterbrach Luca die Stille. „... Ich bringe dich ins Bett!"
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Seine Tochter
RomanceAls Tochter des größten Mafiabosses der heutigen Zeit war Aurora Carbone schon immer klar, dass es dazukommen wird, entführt zu werden. Sie wurde von klein auf darauf vorbereitet sowohl physischer als auch psychischer Folter stand zu halten. Doch au...