Jeden Morgen erwachte ich in der Hoffnung Luca neben mir im Bett liegen zu sehen. Wenn ich ihn dort nicht entdecken konnte, stellte ich mir vor, er wäre einfach schon vorher aufgestanden, stünde im Bad oder in der Küche oder telefonierte bereits in seinem Arbeitszimmer.
Jeden Morgen seitdem er gegangen war, lief ich das gesamte Haus ab. Ging in jedes Zimmer. Öffnete jede Tür in der Hoffnung ihn hinter einer dieser Vielen zu entdecken.Doch ich fand ihn nirgends.
Mir war klar, dass ich ohne es gemerkt zu haben, mich in Luca verliebt hatte. Wahrscheinlich schon zum zweiten Mal. Zumindest wenn man dem glaubte, was Luca mir da aufgetischt hatte.
Doch in der Abwesenheit von Luca war mir auch klar geworden, dass es einfach zu viele Beweise gab, die seine Geschichte bewiesen, als dass ich ihm nicht glauben könnte.Mein Vater hatte meine Tochter umgebracht.
Er hatte Luca das Wertvollste geraubt, was er besaß... weil Luca genau dasselbe getan hatte. Zumindest in den Augen meines Vaters. Er hatte meinem Vater mich geraubt und natürlich hatte dieser es ihm heimzahlen müssen. Er konnte meine Entscheidung nicht auf sich beruhen lassen.
Wie sollte ich ihm das jemals verzeihen?
Nein, verzeihen würde ich das nicht.Wie sollte ich ihm das jemals zurückzahlen?
Lucas Abwesenheit bekräftigte mich in meinem Entschluss lediglich. Ich würde bei ihm bleiben. Für immer. Und egal was kommen mag, ich würde mich immer wieder für ihn entscheiden.
Für Luca.
Gegen meinen Vater.
Gegen denjenigen, der mir das alles angetan hatte. Der Schuld daran war, dass ich meine Tochter verloren hatte. Er war Schuld daran, dass ich mich nicht einmal mehr an sie erinnern konnte.
Und das war mit Abstand das schlimmste an Allem.
Nicht einmal in meinen Erinnerungen würde mein kleiner Engel weiter leben.
In diesem Moment überkam mich eine Welle von so großer Trauer, die ich nur von einem Moment kannte. Der Moment als mein Vater nach Hause kam, und mir erzählte, dass Mutter nie wieder kommen würde, dass sie gestorben war.
Ich weinte wie so oft in letzter Zeit.Das waren nicht nur Tränen der Trauer. Die Wut über all das, über diese Situation in der ich mich befand, war beinah noch größer.
Doch plötzlich, mitten in dem Augenblick, überkam es mich. Es war wie eine höhere Macht, die mich weiter zog. Ich stand auf und ging mit tränenüberströmten Gesicht geradewegs die Treppe hoch. Ich ging auf ein Zimmer im Obergeschoss zu. Eine weiße Tür mit silberner Klinke. Genau wie alle anderen auch. Sie schien nichts besonderes zu sein. Luca hatte gesagt, dass eine der Haushälterinnen hier wohnte. Doch ich hatte nie jemanden hier hineingehen sehen.Doch jetzt, gerade in diesem Moment musste ich wissen, was sich dahinter verbarg.
Die Tür war verschlossen. Mit einem Zahlenschloss. Ohne zu Wissen warum, was mich da antrieb, tippte ich eine mir vollkommen wahllos vorkommende Kombination ein.
582836.
Ein kleines Lämpchen leuchtete grün auf und auf dem kleinen Display unter dem Ziffernblatt blinkte ein Fingerabdruck.
Ein Fingerabdruckscanner. Den kannte ich ganz genau. Die gab es hier an jeder Tür. Luca hatte sie installiert, um so von jedem Zimmer aus, das Haus in den Notstand versetzen zu können. In diesem Zustand wurde jeder Raum durch eine schwere Metalltür verschlossen. Nur mit einem Sicherheitscode, der sich regelmäßig änderte, ließen sich dann die Türen einzeln öffnen, sodass man sich entweder auf den Eindringling zu- oder aber von ihm wegbewegen konnte.
Doch an dieser Tür war der Scanner nicht nur zum Schutz eingebaut worden. Ich musste mich mit meinem Fingerabdruck identifizieren, um hier hineingehen zu können. Was zog mich so an? Warum musste ich unbedingt hinter diese Tür schauen? Was war nur mit mir los?
Ich hatte zwar eine dumpfe Vorahnung, schob den Gedanken jedoch schnell beiseite. Ich hoffte lediglich auf ein kleines, privates Waffenarsenal zu treffen, oder ein Spielzimmer, wie es andere Männer hatten. Egal, in welche Richtung diese Spiele gehen sollten.
Ich zögerte nicht länger und drückte meinen Finger auf das kleine Display. Und die Tür klickte nur einige Sekunden später. Dann ein kurzer Piepton, als Zeichen, dass die Tür nun geöffnet sei. Vorsichtig drückte ich die Türklinke hinunter und schob sie auf. Ganz langsam.
Absolute Stille im gesamten Haus als ich in das große helle Zimmer eintrat und mich umblickte. Sofort war mir alles wieder bewusst. Ohne auch nur eine Sekunde des Zweifels.
Ich sah mein Leben in kurzen Szenen vor mir.
Kindergeburtstage mit meinem Vater.
Die Nachricht über den Tod meiner Mutter.
Die Ausbildung.
Die Einladung zu dem Maskenball.
Der Abend an dem ich Luca das erste Mal sah.
Damals wusste ich nicht, wer er war. Er wusste nicht, wer ich war. Die Masken führten dazu, dass wir einfach der Anziehungskraft folgten und uns nicht auf irgendwelche Namen fixierten. Wir hatten einfach Spaß. Auch wenn ich ursprünglich nicht deswegen da gewesen war, landete ich spät in der Nacht in Lucas Zimmer. Es war eine heiße Nacht komplett im Dunkeln. Alles worauf ich mich konzentrierte, waren die sinnlichen Berührungen. Die feuchten Liebkosungen Lucas überall auf meinem Körper. Die harten Stöße als er in mich eindrang. Diese erste Nacht war genau das, was ich mir unter perfekt vorstellte. Diese Innigkeit zwischen uns war, als ob wir uns bereits eine Ewigkeit kannten. Er wusste genau, was er machen musste, um mich auf Hochtouren zu bringen. Ich war augenblicklich hin und weg.
Der Zeitraffer vor meinen Augen lief weiter.
Der nächste Morgen als ich erfuhr, wer er war. Als er erfuhr, wer ich war. Der Streit danach.
Die Sehnsucht nach ihm.
Die heimlichen Nachrichten.
Die heimlichen Dates.
Die Verlobung.
Der Schwangerschaftstest.
Die Hochzeit
Mein riesiger Bauch.
Die Bewegungen meiner kleiner Tochter in mir.
Luca, wie er sich liebevoll um mich kümmerte. Wie er dem Bauch vorlas. Meine geschwollenen Füße massierte.
Wie er immer wieder ging, um an Fällen zu arbeiten. Fälle, in die er mich nicht einweihte. Um mich nicht zu beunruhigen.
Die Geburt.
Der erste Schrei meiner kleinen Emilia. Des schönsten Wesens, dass ich jemals gesehen hatte.
Die unglaubliche Liebe, die ich verspürte, als ich sie auf meiner Brust liegen hatte.
Die Schüsse.
Luca, wie er Emilia nahm und ich ihn anflehte zu gehen. Sie in Sicherheit bringen sollte.
Die Jagd durch das Krankenhaus.
Ich, die gejagte. Mein Vater, der Jäger.
Die Dunkelheit als ich nicht mehr fliehen konnte.
Ich erinnerte mich an alles. An jeden Augenblick. Wie konnte mein Vater, mein eigener Vater mir das nur antun? Wer, war so kaltblütig, dass er diesen Schmerz, seinem eigenen Fleisch und Blut antun konnte? Der einzigen Person, die ihn liebte. Das war der Moment, in dem ich zusammenbrach. Ich fiel auf den Boden, weinte, schrie. Ich hielt den Schmerz einfach nicht mehr aus. Es zerstörte mich.
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Seine Tochter
RomanceAls Tochter des größten Mafiabosses der heutigen Zeit war Aurora Carbone schon immer klar, dass es dazukommen wird, entführt zu werden. Sie wurde von klein auf darauf vorbereitet sowohl physischer als auch psychischer Folter stand zu halten. Doch au...