Kapitel 5

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Ich roch den starken, beißenden Geruch nach verfaulten Eiern. „Puh, was ist das denn?", beschwerte ich mich und schubste die Hand weg, die sich vor meinem Gesicht befand.
Luca stand dort. Mit einem kleinen Fläschchen Gift. Dem Geruch nach zu urteilen, müsste es Gift sein. Das stank wirklich widerlich.
„Ammoniak. Hilft fast immer bei solchen Schockzuständen. Hab ich mir sagen lassen." Luca schraubte die Flasche zu und verstaute sie in der Innentasche seines grauen Jackets.
Er setzt sich auf die Bettkante und legte seine Hand auf meinem Oberschenkel ab. Diese zarte Berührung, Haut auf Haut, seine weichen Fingerspitzen, die mit leichtem Druck mein schmerzendes Fleisch massierten. Dieses Gefühl, was sich in mir breit machte, wenn er da war. All das war einfach zu viel für mich. Ich schon seine Hand grob weg. „Na, na, mein Mäuschen. Du wirst doch nicht etwa meinem Wunsch widersetzen? Du weißt doch, was letztes Mal passiert ist. Das möchtest du doch, gewiss, kein zweites Mal erleben müssen, oder?" Luca zwinkerte mir zu und legte seine Hand erneut auf meinen Oberschenkel.
„Gut so." Er machte eine kleine Pause und sah mich an. „Deine Wunden sind dabei ganz gut zu verheilen. Du wirst jetzt mit mir kommen, ich führ' dich ein bisschen rum. Du musst langsam wieder auf die Beine kommen. Auch wenn mir der Anblick dich im Bett zu sehen und das halb nackt...", sein Blick wanderte über meine langen Beine. Ich hatte hier nie eine Hose bekommen. Die ganzen tiefen Wunden an meinen Beinen mussten zwei mal am Tag neu bandagiert werden. Da wäre eine Hose nur lästig gewesen. „...äußerst zusagt." Ich verdrehte die Augen und Luca lachte.
Er reichte mir einen langen Kimono aus weinrot, glänzender Seide. An den Ärmeln und am Saum war feingearbeitete, schwarze italienische Spitze. Nachdem ich ihn übergezogen hatte, fühlte ich mich wie eine Prostituierte. Nein. Wie ein junges Mädchen in ihrem ersten Pornofilm. Der auch noch grottenschlecht war.
Als ich aus dem Bett zu stieg, versagten meine Beine und ich fiel in Lucas Arme. Sein Parfüm war kräftig, aber trotzdem dezent. Es roch nach exotischen Blumen und dennoch hatte es eine herbe holzige Note. Ich sog den Duft in mich ein und ließ den kleinen Augenblick Schwäche zu.
Ich kam aber schnell wieder zu Sinnen und nutzte all meine Kraft, um auf eigenen Beinen zu stehen. Wieso war ich nur so kraftlos? Es waren doch bloß ein paar Tage, die ich hier gelegen hatte. Das mein Körper so schnell abgebaut hatte, enttäuschte mich sehr. Ich war immer der Meinung, mich auch in Ausnahmesituationen im Griff zu haben.
„Geht's, Baby?" Lucas Blick sah besorgt aus. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass da mein Erzfeind vor mir steht, würde ich ihm seine Show glatt abkaufen.
„Tu nicht so, als ob dir mein Wohlergehen am Herzen läge!", erwiderte ich mit einem verabscheuten Blick.
„Rory..." - „Hör', verdammt nochmal auf!", schrie ich ihn an. „Du hast kein Recht mich so zu nennen!"  Mein Kopf brummte vor Wut. Doch alles, was er mir entgegenbrachte war ein Lachen. Es war kein böses Lachen. Er lachte mich nicht aus. Verarschte mich nicht. Seine Augen leuchteten. Es war ein echtes Lachen. Ein erfreutes Lachen.
„Endlich kommst du wieder zurück. Ich will dich kämpfen sehen. Sei die starke Persönlichkeit, die ich jahrelang beobachtet habe. In die ich mich verguckt habe. Und von der ich unbedingt wollte, dass sie mir ganz allein gehört!", konterte Luca lässig. Er war so selbstbeherrscht. Nichts ließ ihn aus der Haut fahren. Durch nichts ließ er sich provozieren. Ich jedoch konnte nicht mehr an mich halten. Schmerzen hin oder her. So platzte es aus mir heraus: „Dir? Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dir das glaube. Du dich in mich verguckt? Das ich nicht lasse. Und selbst wenn, denkst du wirklich, dass ich mich dir jeweils freiwillig hingebe? Was bringt dir erzwungene Liebe?"
Luca sah betrübt aus. Er nahm meine Hand fest in seine und zog mich auf meine Beine. „Du wirst es lernen mich zu lieben. So wie ich dich liebe. Und du wirst glücklich sein. So wie du es verdient hast. Du wirst erkennen, dass es dir bei mir viel besser geht. Ich werde mich um dich sorgen. So wie es noch nie jemand zuvor getan hat! So wie du es verdient hast!" - „Und dafür entführst du mich? Wenn du mich wirklich lieben würdest, wie du die ganze Zeit behauptest, warum musstest du mich dann entführen?" So sehr ich auch versuchte mich zurückzuhalten, gelang es mir einfach nicht. Dieser Mann brachte mich in Rage. Wie konnte er nur tatsächlich glauben, dass ich ihm sein Gehabe abkaufen würde?
„Es reicht jetzt Aurora. Setz dich hier rein. Du kommst jetzt in ein anderes Zimmer. In mein Zimmer. Ich will die Nächte bei dir sein.", sein Blick verfinsterte sich und zum ersten Mal erkannte ich einen Hauch von Mafia-Sohn in ihm. Ich wollte meinen Mind gerade zu einer Antwort öffnen, als er die kleine Fernbedienung aus der Tasche holte. „Setz dich endlich. Und zwar ruhig. Ich will jetzt keinen Ton mehr von dir hören!"
Die Angst vor den Schmerzen war größer als meine Kraft zum Widersprechen. Also tat ich das, was er mir aufgetragen hatte. Ich setzte mich in den Rollstuhl und schwieg, während er mich aus dem kleinen Krankenzimmer schob.

Wir fuhren einen langen Gang entlang. Er hatte es ganz eindeutig mit diesen Gängen. Doch dieses Mal waren links und rechts mehrere Türen.
„Das, mein Liebling, sind die Zimmer unserer Bediensteten. Wir haben einen Arzt hier und 2 Krankenschwestern,die jede Woche ausgetauscht werden. Insgesamt habe ich 12 Mädels die für mich tätig sind. Zumindest in der Branche. Wir haben hier auch noch 4 Hausmädchen. Und 2 Butler, die sich rund um die Uhr um unser Wohlergehen kümmern."
Er dachte nicht wirklich ich sei interessiert an den Geschichten. Ich reagierte nicht und starrte einfach weiterhin stupide geradeaus.
In einem kleinen Fahrstuhl angelangt, fuhren wir ein Stockwerk niedriger.
Als die Türen sich öffneten, sah ich ein gemütlich eingerichtetes Wohnzimmer. Die Fenster standen offen und es war angenehm klimatisiert. Ein großes Regal voller Bücher und DVD's aller Genres füllte eine gesamte Seite des Zimmers. Davor stand ein breites moosgrünes Sofa, ein Kleiner dunkler Holztisch und 2 Ohrensessel in derselben Farbe, wie das Sofa. In einer Ecke befand sich noch ein ordentlich aufgeräumter Schreibtisch auf dem sich lediglich ein Laptop befand.
Alles war eingerichtet wie ein richtiges Zuhause. Ich fühlte mich komischerweise wohl in diesem Raum und wäre gerne hier geblieben. Doch Luca fuhr mich weiter über einen kleinen Flur in ein Schlafzimmer. Hier stand ein opulentes, wirklich anziehendes Himmelbett auf dem gefühlt 100 Kissen lagen. „So Baby, hier wären wir in unserem Schlafzimmer. Die Tür links dort führt zum Badezimmer. Die andere bringt dich in dein neues Ankleidezimmer. Ich kenne deinen Stil, daher habe ich ihn einfach mal mit ein paar Dingen gefüllt, die dir sehr wahrscheinlich gefallen werden. Aber jetzt werde ich dich erst mal ins Bett bringen.." - „Fass' mich ja nicht an. Ich schaff das schon alleine!", giftete ich ihn an als ich seine helfenden Hände abwehrte. Luca verdrehte nur die Augen und ließ mich machen.
„Ich denke ich werde dich einige Nächte noch alleine schlafen lassen, aber dann ist deine Schonfrist auch beendet. Ich sehne mich so sehr nach dir, doch du musst erst mal wieder zu Kräften kommen. Sonst macht das alles doch keinen Spaß!" Luca lachte als er grob meinen Arm zu sich zog und mir einen sanften Kuss auf den Handrücken drückte. Er war der Teufel höchstpersönlich. So verrückt. Er hatte eindeutig zwei Gesichter. Zum einen war er der sanfte, liebe Kerl von nebenan, der sich um mein Wohlergehen kümmert. Und andererseits war er der Mafiaboss, der mir ohne zu zögern Schmerzen zufügt. Der mich entführt hat und als seine Geisel hält.
Als er das Zimmer verlassen wollte, fiel mein Blick auf den Nachtschrank neben meinem Bett. Dort war ein Foto von Luca mit einem kleinen Baby auf dem Arm. Es war so winzig und wohl gerade erst geboren. Es sah noch so zerbrechlich aus. „Du hast ein Kind?", fragte ich ihn, um ihn am Gehen zu hindern. Er blieb mit dem Rücken zu mir stehen und bewegte sich einen Augenblick lang nicht. Ich nahm unterdessen das Foto in dem glänzenden Rahmen in die Hand. Mir wurde warm in der Magengegend und spürte nichts als pure Freude.
„Erkennst du sie denn nicht?" Luca hatte sich zu mir gedreht und seine Augen waren mit Tränen gefüllt.

Seine TochterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt