09 | the third child

12.3K 500 122
                                    

Als ich die Treppen hinuntergehe, höre ich schon das Lachen meiner Mutter aus der Küche. Tyler steht neben ihr und schwenkt übertrieben die Pfanne in seiner Hand, wobei die Nudeln ein paar Zentimeter in die Höhe geschleudert werden, bevor er sie gekonnt wieder auffängt. Ich habe meine Mom schon lange nicht mehr so aus vollem Hals lachen sehen, wie sie es jetzt gerade tut, und augenblicklich überkommt mich das stechende Gefühl, dass ich immer habe, wenn sie Tyler besser behandelt als mich, ihre eigene Tochter.

„Hey", Tyler bemerkt mich als erstes, als ich etwas zögerlich die Küche betrete, und er stellt die Pfanne wieder auf den Herd ab.

„Kann ich helfen?", frage ich aus Höflichkeit und trete näher an die beiden heran.

„Da du vorher einfach nach oben gerannt bist, hat Tyler mir hier in der Küche geholfen und den Tisch gedeckt. Es ist alles erledigt.", antwortet meine Mutter in dem gewohnt vorwurfsvollen Ton und ich verlasse seufzend wieder die Küche.

Ich bin vorher nur nach oben gegangen, um mir Parfum aufzutragen und mich umzuziehen. Meine ganze Kleidung hat nach Zigaretten und Alkohol gerochen und nachdem ich mir die Zähne geputzt habe, riecht mein Atem auch nicht mehr danach. Ansonsten wäre die Ausrede mit dem Lernen nie glaubwürdig gewesen.

Zu meinem Erstaunen ist mein Vater noch nicht zuhause, denn das Esszimmer ist leer, als ich es betrete, und ich lasse mich einfach auf meinen üblichen Platz am Tisch fallen. Ich komme mir ein überflüssig vor, während ich den freien Stuhl gegenüber anstarre, und den Gesprächen aus der Küche lausche.

Tyler ist der erste, der nach circa sieben Minuten, das Esszimmer betritt, in seinen Händen hält er die große Pfanne voller gebratener Nudeln. Erst jetzt bemerke ich, dass er eine Schürze trägt, und damit einem Koch ähnelt. Einem ziemlichen heißen Koch wohlgemerkt. Ich beobachte genau, wie er die Pfanne auf dem Tisch platziert und sich dann die Hände an der Schürze abwischt.

Schließlich wird der Stuhl neben mir zurückgezogen und dann sitzt er auch schon nur noch ein paar Zentimeter von mir entfernt.

Ich stocke in der Bewegung, als er sich zu mir herüberbeugt und ich das dunkle Grün seiner Augen besser bewundern kann.
„Gott sei Dank hast du den Zigarettengeruch losbekommen. Ich mag den Kirschgeruch viel lieber.", mein Mund klappt auf, als er mir diese Worte einfach ins Gesicht sagt und sich anschließend wieder zurückbeugt.

Gerade als ich etwas erwidern will, kommt meine Mom mit einem breiten Lächeln ins Zimmer. Ihr Blick wandert kurz zwischen mir und Tyler hin und her, doch gerade als sie sich ihm gegenüber setzen will, wird die Haustür aufgesperrt.

„Bin zuhause!", Dads Stimme hallt durch den Gang und ich sehe sofort wie sich ein Lächeln auf dem Mund meiner Mutter bildet. „Logan, hier im Esszimmer, du bist genau pünktlich zum Abendessen!", ruft sie zurück und kurze Zeit später spaziert mein Dad seelenruhig ins Zimmer.

„Na Schatz.", begrüßt er als erstes meine Mutter und drückt ihr einen langen Kuss auf den Mund, den sie natürlich erwidern muss.

Tylers und meine Blicke kreuzen sich kurz, als meine Mutter nach Dads Krawatte greift, um ihn noch näher an sich zu ziehen, und er zwinkert mir nur amüsiert zu, bevor er sich räuspert.

Augenblicklich lösen sich meine Eltern voneinander. Mein Vater kratzt sich verlegen am Hinterkopf, als er bemerkt, dass Tyler und ich bereits am Tisch sitzen, doch dann grinst er.

„Hey, Tyler, was machst du denn hier?", widmet er jetzt Tyler seine Aufmerksamkeit und setzt sich währendessen auf seinen Platz, mit dem er den Überblick über den ganzen Tisch hat.

„Er hat Avery von der Schule abgeholt, damit sie zusammen lernen können. Ist das nicht nett?", antwortet meine Mom für Tyler, der mich gerade mit einem belustigten Blick mustert. Wir beide wissen, dass das von vorne bis hinten gelogen ist.

The Lost BeautyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt