20 | having an emotional conversation

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Ich sehe Tylers Wagen noch hinterher, als er an mir vorbeifährt und schließlich am Ende der Straße in eine andere Abzweigung einbiegt. Es sind noch ein paar Meter bis zu meinem Haus, denn ich habe Tyler darum gebeten, mich ein paar Häuser entfernt rauszulassen. Meine Eltern würden sicherlich Fragen stellen, warum ich bei Tyler gewesen bin und auf keinen Fall will ich, dass er in die Sache mit hineingezogen wird.

Ich stocke kurz, als ich in unsere Einfahrt einbiege, und atme dann tief durch. Da ich nicht weiß, wie schlimm meine Eltern reagieren werden, stelle ich mich schon mal auf die härtesten Maßnahmen ein. Entweder ich bekomme Hausarrest für die nächsten zwei Jahre oder sie tischen mir einen ellenlangen Vortrag über richtiges Verhalten als Jugendlicher auf.

Zögerlich wandern meine Finger zu der Türklingel und nach einem weiteren Atemzug drücke ich sie. Es dauert nur ein paar Sekunden ehe mein Vater die Tür öffnet und mich vollkommen entgeistert ansieht. Sein Blick wandert einmal an mir herunter, bis er mir direkt in die Augen schaut und die Lippen aufeinander beißt.

Wo warst du?!", seine Stimme ist kalt und ich schlucke als seine Augen den selben kalten Ton annehmen, der sich auch in seiner Stimme wieder spiegelt.

Ich antworte nicht und gehe einfach an meinem Vater vorbei ins Haus. Er folgt mir und beobachtet mich, als ich mir meine Schuhe ausziehe und die sie wieder an Ort und Stelle befördere, doch noch schweigt er und lässt mich machen.

Ich muss nur ein bisschen warten. Ihn hinhalten, bis er sich beruhigt hat, und dann irgendeine plausible Erklärung für mein Verschwinden finden, ohne genau darauf einzugehen, was gestern wirklich passiert ist.

Also beschließe ich in die Küche zu gehen und mir ein Glas aus dem Regal zu holen, damit ich es am Wasserhahn mit Wasser füllen kann. Wieder ist mein Dad hinter mir, so als wolle er aufpassen, dass ich nicht wieder, ohne etwas zu sagen, abzuhauen.

„Wenn du mir nicht sofort antwortest, bekommst du noch viel mehr Ärger als jetzt schon.", warnt mich mein Vater mit ruhiger Stimme und ich sehe ihn stumm an.

„Avery, ich frage dich ein letztes Mal: Wo warst du?!", er verschränkt seine Arme vor seiner Brust und atmet tief durch, so als müsse er sich gerade selbst beruhigen.

„Bei Kumpels.", lüge ich und blende dabei alle Erinnerungen an letzte Nacht aus. Außer die, die ich mit Tyler teile.

„Und warum hast du dann nicht Bescheid gesagt?", langsam scheint ihn die Wut und Enttäuschung über mein Verhalten erneut zu erfassen, denn sein Fuß tippt ungeduldig auf den Boden.

„Weil...", kurz verstumme ich, da ich weiß, dass mein nächster Satz ihn vermutlich ziemlich wütend machen wird, „ihr mir eh keine Beachtung geschenkt habt und ich dachte, dass ihr mich eh nicht vermissen würdet."

Seine Augen weiten sich geschockt, als er meinen Satz zu realisieren scheint und er atmet zischend die Luft aus.

„Jetzt hör mir mal zu, Avery!", allein an diesem Satz merke ich schon, dass dieses Gespräch nicht gut enden wird. „Deine ständigen Eifersuchtsanfälle gehen mir wahnsinnig auf die Nerven. Dein Bruder bekommt an den Tagen, an denen er endlich mal wieder zuhause ist, mehr Aufmerksamkeit, weil wir ihn eben nicht so oft wie dich sehen! Die Welt dreht sich nicht nur um dich.", weist er mich zurück und ich schlucke meinen ganzen Ärger runter und versuche mir die Worte nicht zu Herzen zu nehmen.

„Außerdem würdest du auch mehr miteinbezogen werden, wenn du etwas zu dieser Familie beitragen würdest. Du machst uns die ganze Zeit nur Ärger, Avery! Deine Mutter war krank vor Sorge - dir hätte sonst was passieren können. Logan, Ceil und sie sind vor einer Viertelstunde losgefahren, um dich zu suchen. Wir hatten überhaupt keine Ahnung wo du dich befinden könntest."

Schweigend sehe ich meinen Vater an, der jetzt eine Spur besorgter wird und mich überkommt ein Gefühl der Genugtuung. Das haben sie verdient. Wenigstens einmal sollen sie sich um mich kümmern und sich Sorgen um mich machen. Und wenn sie wüssten, wie berechtigt ihre Sorgen tatsächlich gewesen sind.

Darren hat sich noch nicht bei mir gemeldet und ich bete, dass er noch so dicht ist, dass er nicht vor 18 Uhr aufwacht. Je länger er schläft, desto länger habe ich meine Ruhe vor ihm. Er wird mir mein Leben zur Hölle machen, nachdem ich ihm gestern einen Tritt in seine Kronjuwelen verpasst habe. Solange ich will, dass er nicht unser Geheimnis ausplaudert, muss ich wohl oder übel alles mit mir machen lassen. Denn wenn das rauskommt, kann ich meinen Eltern nie wieder unter die Augen treten.

„Du kannst nicht einfach so ohne ein Wort zu sagen verschwinden, hast du mich verstanden?!", mein Vater kommt auf mich zu und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht, weshalb ich ihn verwirrt ansehe. „Wir sind deine Eltern und wir machen uns Sorgen um dich. Auch wenn du uns einen Haufen Ärger machst, bist du immer noch unsere Tochter."

Gerade als ich etwas darauf erwidern will, höre ich, wie die Haustür aufgesperrt wird und Stimmen aus dem Eingangsbereich ertönen. Schon wendet sich mein Vater von mir ab und unterbricht diesen einzigartigen emotionalen Moment zwischen uns.

Der erste, der in die Küche kommt, und augenblicklich erstarrt, als sein Blick auf mich fällt, ist mein Bruder. Seine Augen werfen mir einen fassungslosen Blick zu und ich sehe, dass er sich genauso über mein Verschwinden ärgert wie mein Vater. Seine Frau folgt wenige Sekunden später und ihr Mund klappt ebenfalls erstaunt auf, als sie mich zu Gesicht bekommt.

Entweder ich sehe wahnsinnig fertig aus oder keiner von denen hat erwartet mich hier anzutreffen. Hoffentlich ist es das zweite.

„Mom, sie ist hier!", ruft mein Bruder laut und ich schließe die Augen. Meine Mutter wird mich sicher anschreien. Oft habe ich das Gefühl, dass sie mich am wenigsten von allen liebt. Ich weiß, dass ich nicht einfach bin, aber ich bin immer noch ich, immer noch ihre Tochter.

„Avery!", sie stürmt in die Küche und eilt auf mich zu, bis sie kurz vor mir zum Sehen kommt. Verwirrt sehe ich ihr in die Augen, die ziemlich wässrig aussehen und ich kann nicht glauben, dass sie mein Verschwinden tatsächlich so mitgenommen hat. 

„Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Gott Avery, tu uns das bitte nie wieder an! Du kannst du nicht einfach so ohne was zu sagen abhauen und dich die ganze Nacht nicht melden! Dir hätte sonst was passieren können. Weißt du eigentlich was sich da draußen für widerliche Typen rumtreiben, die es auf junge hübsche Mädchen wie dich abgesehen haben?!", ihre Stimme überschlägt sich und sie redet so schnell, dass ich nur die Hälfte verstehe.

„Mom", fange ich zögerlich an, da ich nicht weiß, was ich erwidern soll, doch meine Mutter kommt mir zuvor. „Mach das nie nie wieder, okay?", schnieft sie und zieht mich plötzlich in ihre Arme. Versteift lasse ich zu, dass sie ihre Arme um meinen Körper schlingt und ihren Tränen freien Lauf lässt.

Mit so einer Reaktion hätte ich im Leben nicht gerechnet.

reagiert emma über oder ist ihre reaktion als mutter verständlich?

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ich bin müde

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