» Kapitel 3 «

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Ich gab mir redlich Mühe damit, mich wieder in den Alltag der im Anwesen der Mahoneys wohnenden Sonnenanbeterinnen zu integrieren, aber einfach war es nicht. Es war nicht so, als würde ich es darauf anlegen, mich abzuschotten und alle anderen auszuschließen, eigentlich wünschte ich mir sogar, dass es wieder wie vorher war. Aber das würde es niemals wieder werden, denn Jeremia war tot und mein Lebenswille in dem unterirdischen Verlies, in dem wir von meinem Vater, dem Offizier, gefangen gehalten wurden, mit ihm gestorben. All das schien so endgültig und unumkehrbar, dass ich es für absolut vergebens hielt, es zu versuchen.

Raymond hatte recht mit dem, was er über mich sagte. Es stimmte natürlich, dass ich damit aufhören musste, mir selbst leid zu tun und wieder zu mir zurückfinden musste. Aber eines hatte der weise Bibliothekar und Magier dabei nicht bedacht, nämlich, dass ich nicht leben wollte. Ich hatte mich vor drei Monaten dafür entschieden, mit meinem Verlobten zu sterben und wünschte mir nach wie vor, dass man mir diese Entscheidung nicht verwehrt hätte.

Der Eiskönig hatte über meinen Kopf hinweg beschlossen, mich zu retten. Gegen meinen Willen.

Und hier war ich nun, des Lebens müde und zu alledem nicht in der Lage, Kaelan übel zu nehmen, was er am Tag der Schlacht getan hatte. Weil ich genau wusste, dass ich es nicht anders gehandhabt hätte, wäre ich in seiner Situation gewesen. Ich hätte ihn zurückgeholt, selbst wenn er sich mit Händen und Füßen gewehrt hätte und er...hatte für mich dasselbe getan.

Unglücklicherweise.

Seufzend fuhr ich damit fort, das weiße Pferd zu striegeln, das unruhig mit seinen Hufen scharrte und immer wieder wiehernd den Kopf zurückwarf. Ich schätzte, dass es sich bewegen wollte, im Neuschnee umhertollen, über die schneebedeckten Wiesen galoppieren, doch daraus würde nichts werden, weil es seit Tagen lahmte, wie Camilla mir erzählt hatte. Es musste sich bei einem der letzten Ausritte verletzt haben und musste sich nun regenerieren. Deshalb hatte ich schließlich beschlossen, mich seiner anzunehmen und es ein wenig zu pflegen.

»Alex?« Moyras Stimme echote in dem großen Stall, ebenso die Absätze ihrer Stiefel.

Ich streichelte dem Tier über den Rücken und wartete darauf, dass Moyra in der Box auftauchen würde, was nach nur wenigen Augenblicken erfolgte. Sie sah müde aus, und ein wenig gequält, doch das strahlende Lächeln, das sie mir schenkte, ließ mich meine Einschätzung nochmal überdenken. Sie wirkte trotz ihrer Augenringe glücklich.

»Du siehst gut aus«, sagte ich, weil mir nichts anderes einfiel. Mein Kopf war urplötzlich wie leer gefegt. Ich hatte schon seit Wochen keine wirkliche Konversation mit meiner besten Freundin geführt und nicht einmal das Bedürfnis verspürt, mich ihr anzuvertrauen. Nun wurde ich von schrecklichen Gewissensbissen gequält, doch könnte ich die Zeit zurückdrehen... Ich würde es nicht anders machen. Jeremias Tod hatte mir den Boden unter den Füßen weggerissen und daran hatte sich nichts geändert.

»Danke«, antwortete sie mit schief gelegtem Kopf und musterte mich von oben bis unten. Mehrere Male. »Das kann ich von dir leider nicht behaupten.«

Mir war bewusst, dass sie mir mit ihrer Bemerkung ein Lächeln hatte abringen wollen. Aber ich lächelte nicht. Wusste nicht einmal mehr, wie man das tat. Stattdessen sagte ich: »Moyra, charmant wie eh und je« und streichelte dem Pferd wieder über den Rücken.

Moyra folgte meiner Hand mit den Augen und meinte schließlich leise: »Ich habe dich vermisst, Alexandra. Du kannst dir nicht vorstellen, wie furchtbar ich dich vermisst habe.«

»Ich bin nicht mehr die, die ich war«, setzte ich sie nüchtern über die Sachlage in Kenntnis und merkte selbst, wie schrecklich ich mich anhörte. Wie ungerecht ich sie behandelte.

REBORN TO RISE (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt