» Kapitel 61 «

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Es gab keine weiteren Verzögerungen. Prinzessin Perla hielt mich fest am Arm gepackt und ihre langen Klauen bohrten sich schmerzhaft in meine Haut, wann immer ich an Tempo verlor oder versuchte, ihrem Griff zu entfliehen. Ich versuchte immerzu irgendeine Information aus ihr herauszubekommen, doch sie schwieg wie ein Grab, vollkommen auf den Weg vor uns konzentriert, ebenso wie darauf, mich möglichst grob zu behandeln. Die Male an meinem Hals brannten wie Schlangenbisse und ich fuhr mit der freien Hand über das verkrustete Blut. Ich hoffte sehr, dass sich nichts entzünden würde - doch vielleicht war das mein kleinstes Problem. Es schien ohnehin nicht so, als würde ich hier unbeschadet herauskommen. 

Ich gab es auf, die Winterhexe in ein Gespräch verwickeln zu wollen und sah mich um. Wir ließen die vielen Stände weit hinter uns und stapften durch höher werdenden Schnee, der in meine Schuhe drang und mich frieren ließ. Es ging eine Weile bergauf bis sich in der Ferne eine recht kleine, bescheidene Festung manifestierte. Es schien violettes Licht in ihrem Inneren, nicht unähnlich dem der Feuer, die immer wieder über den Himmel zischten. 

Es erklangen viele unterschiedliche Stimmen, die durcheinander sprachen, sodass ich keine Inhalte heraushören konnte. Als sich meine Augen an das dämmrige Licht gewöhnten, erkannte ich mindestens zwei Dutzend Gestalten, allesamt schienen es Frauen zu sein, die in ebenso eleganten Kleidern wie ich es trug über den Hof der Festung huschten. Keine von ihnen schien unsere Ankunft zunächst zu bemerken. Dann jedoch, als wir nur noch wenige Schritte entfernt waren, wurden violette Fackeln entzündet und diverse Blicke auf uns gerichtet. 

Perla drückte meinen Arm nur noch fester und ich zischte vor Schmerz auf. Das bewegte sie keinesfalls dazu, ihren Griff zu lockern, sie schenkte mir nur ein raubtierhaften Grinsen und stieß mich schließlich kraftvoll in den Schnee. Das Eis rieb schmerzhaft über meine Handflächen und ich biss die Zähne zusammen, um nicht aufzuschreien. Was war denn nur los? Ich hatte mit einem kalten, aber zumindest würdevollen Empfang gerechnet, nicht damit, grundlos wie eine Schwerverbrecherin behandelt zu werden. 

Ich verstand nicht, was die Winterhexen vorhatten. Doch das würde ich noch. 

Alexandra?, Kaelans Stimme erreichte mich in meinen Gedanken. Geht es dir gut? 

Alles andere als das, erwiderte ich, ebenso in meinem Kopf. Wo bist du? 

Sie haben mich in die Arena gebracht. Daraufhin schien die Verbindung zwischen uns abzubrechen. Ich blinzelte. Das war niemals zuvor geschehen. 

Ich richtete mich auf und stand auf zitternden Beinen auf. Ich war mir all der Blicke bewusst, doch ich wusste nicht, was von mir erwartet wurde, also verbeugte ich mich. »Mein Name ist Alexandra Capshaw. Ich bin der Phönix und ich bitte um eine Anhörung. Außerdem bitte ich darum, mich zum Eiskönig Kaelan Alaric Learoy Candavene bringen zu lassen. Wir suchen nur die Antwort auf eine einzige Frage und werden Euch nicht länger belästigen, sobald wir diese haben.«

Eine große Frau löste sich aus der Ansammlung und trat hervor. Prinzessin Perla gesellte sich zu ihr und betrachtete mich voller Abscheu, doch ich konzentrierte mich auf die andere Frau. »Ich bin die Winterkönigin«, erklärte sie simpel und schenkte mir ein rasiermesserscharfes Lächeln, das mein Blut gefrieren ließ. Nicht nur mein Blut. Ich tastete nach meiner Magie und spürte nur ein sanftes Nachbeben, nichts, womit ich auch nur eine Funken erzeugen könnte. Ich erschauderte.
»Celestine, die vierte, Herrscherin über den Wintermarkt und alles, was oberhalb der Wolkendecke liegt.« Ihre Stimme war gebieterisch. Sie war eine Frau, deren Wort Gewicht hatte. Unverkennbar. Und ihr Auftreten versetzte mich in schiere Panik. Wenn diese Frau entschied, mich vom Antlitz der Erde zu wischen, würde mein Leben hier und jetzt enden. »Wir werden dich zum Eiskönig bringen, meine Liebe«, fuhr sie fort, »früher als du glaubst.« Sie schien etwas anderes zu meinen, was sie sagte, das fühlte ich, doch ich wagte es nicht, sie zu unterbrechen. »Doch zuerst werde ich dich mit Viktor bekannt machen. Er kann es kaum erwarten, dem Phönix entgegenzutreten.«

REBORN TO RISE (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt