» Kapitel 11 «

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Cyryl starrte ihn schockiert an. »Wie kommt es eigentlich, dass Ihr immer zur rechten Zeit am rechten Ort Seid? Habt Ihr einen sechsten Sinn?«

Ich verkniff mir ein Lächeln. Raymond dagegen wirkte sehr verärgert. Und trotzdem hochnäsig wie eh und je.

»Eine meiner unzähligen Qualitäten, mein Sohn. Ich weiß, wann ich wo zu sein habe. Und das muss ich wohl, denn sonst sagt es mir ja keiner.« Er blickte vorwurfsvoll in meine Richtung und schüttelte den Kopf, wie um mich zu rügen.

»Ich nehme an, du willst mit uns kommen«, sagte ich schließlich und streichelte Kate über den Kopf, die der Aufruhr etwas nervös machte.

»Da nimmst du richtig an.«

Er führte sein Ross an meine Seite und wandte sich voller Ungeduld an die anderen. »Nun los. Worauf warten wir denn noch? Wir haben einen langen Weg vor uns.«

*

»Und woher wusstest du wirklich, dass wir heute aufbrechen?«, fragte ich nach einer Weile, als Raymonds Gemüt sich etwas beruhigt zu haben schien.

Er sah mich entrüstet an. »Ich bin Magier.«

»Irgendwie glaube ich dir nicht so ganz.«

»Hmpf«, machte er unzufrieden und gestand schließlich: »Es könnte sein, dass Connor mich darum gebeten hat, dich im Auge zu behalten.«

Ich verdrehte meine Augen. »Oh, Himmel, was habt ihr denn alle damit? Genau das Gleiche hat Amaniel heute auch zu mir gesagt. Ich kann selbst auf mich aufpassen.«

Das stimmte so nicht ganz. Aber ich hatte es satt, permanent von den Männern in meinem Leben beschützt werden zu wollen. Ich hatte mich bis hierhin doch auch ganz gut geschlagen, oder nicht?

»Das hättest du wohl gerne«, meinte Raymond und grinste, was mich zugegebenermaßen erleichterte. Gekränkter Stolz stand ihm nicht gut.
»Aber ohne mich geht gar nichts.«

Ich musste lächeln. Und gerade als ich etwas zu meiner Verteidigung erwidern wollte, unterbrach mich Moyra, die aufgeholt hatte.

»Ich störe nur äußerst ungern-«

»Du störst nicht, ich werde schließlich nur ausgeschimpft.«

Raymond stieß einen empörten Laut aus. Moyra ging nicht darauf ein.

»Bree hat eine Vision«, sagte sie besorgt und deutete nach hinten, wo die junge Frau seltsam auf ihrem Pferd zuckte. Ihre Augen waren geöffnet aber völlig blicklos. Es schauderte mich ein wenig. Ich wusste, dass das keine Seltenheit war, es handelte sich um eine der Aufgaben, die ihr als Seherin zufielen. Und dennoch... War es immer wieder beängstigend, sie so zu sehen.

»Sollen wir anhalten?«, fragte ich, noch immer in Brees sonderbaren Anblick versunken.

»Das wäre wahrscheinlich besser.«

Just in diesem Moment schrie Bree spitz auf, sodass die Stute, die sie trug erschrak und das Mädchen abwarf. Sie schlug mit einem lauten Knall auf dem Waldboden auf.

Ich fluchte, hielt Kate an und sprang von ihr hinunter. »Bree! Um Himmels Willen!«

Moyra und Raymond folgten mir, Cyryl war bereits bei ihr. Er drehte sie um und schüttelte sie leicht. Bree reagierte nicht, sie war völlig weggetreten und bleich wie der Tod.

Ich signalisierte ihm, mich an sie heranzulassen. Er nickte leicht und überließ mir das Kommando. Ich kniete mich neben sie und bettete ihren Kopf in meinem Schoß.

»Bree«, flüsterte ich leise, im Wissen, dass das funktionieren könnte. »Ich bin hier, hier bei dir.« Ich wusste, dass sie mich hören konnte. Deswegen versuchte ich es weiter. »Weißt du noch, als wir eines Abends unter unserem Birnenbaum saßen und dein Vormund beschlossen hat, dass wir bald in die Stadt gehen würden und uns ein geschnitztes Holztier bei Caelius aussuchen dürften. Ich glaube...« Ein breites Lächeln trat auf mein Gesicht. »Nein, ich bin sogar überzeugt davon, dass das der glücklichste Tag in unserem Leben war.« Sie wurde etwas ruhiger, ihr Puls raste nicht mehr. Meine Worte wirkten, stellte ich freudig fest. Zumindest ein bisschen.

REBORN TO RISE (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt