4. Aug' um Aug'

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„Na, ist die Harmonie im Paradies gestört?" fragte Jean seinen Spielmannskollegen, der gerade in den Aufenthaltsbereich gekommen war und ohne seinen Freund auch nur eines Blickes zu würdigen, an ihm vorbeigeschritten und sich dem Trommler gegenüber gesetzt hatte.

„Halts Maul", knurrte Alea.

Jean hob beschwichtigend die Hände, es war selten, dass Alea in so einer schlechten Stimmung war. Dann ließ man ihn eigentlich besser in Ruhe, doch in diesem Fall sollte man vielleicht eine Ausnahme machen. Schließlich betraf das Problem im Grunde genommen, die gesamte Band.

Auch Lasterbalk hatte das Trauerspiel mit angesehen. Ihm war sehr wohl aufgefallen, dass der Sänger gestern Abend kurz verschwunden war, bevor er dann schlecht gelaunt zurückgekehrt war. Insgeheim hatte der Lästerliche gehofft, dass Luzi schon am Schlafen war, doch dem schien nicht so. Auch waren alle seine Versuche mit dem Sänger ein Gespräch unter vier Augen zu tätigen, gescheitert.

„Kann man euch irgendwie helfen?" wollte der Franzose wissen. Auch Lasterbalk lauschte nun, so wie auch Falk und Frank, die ganz in der Nähe saßen.

„Frag doch Luzi. Der Herr ist sich nämlich zu fein, um mit mir zu reden", der letzte Teil war gezielt in die Richtung des rothaarigen Dudelsackspielers gesprochen worden.

Sämtliche Alarmglocken gingen in Lasterbalks Kopf an, doch etwas hielt ihn davon ab, jetzt einzugreifen und der Sache ein Ende zu setzten.

„Du kannst mich mal!" rief Luzi quer durch den Bus und hob provokant den Mittelfinger.

„Wie erwachsen", stichelte der Sänger. Währenddessen tauschten die anderen Saltaten besorgte Blicke. Sie wollten alle einschreiten, aber Keiner traute sich, da auch Lasterbalk das Ganze nur stumm beobachtete.

„Dein Scheiß ernst?" Luzis blaue Augen funkelten bedrohlich. So aufgebracht hatten die anderen Spielmänner ihn noch nie gesehen. Natürlich war Luzi auch schon einmal wütend geworden und hatte seiner Wut freien Lauf gelassen, doch das hier war was Anderes.

„Ja, das ist mein ‚Scheiß ernst'", erwiderte Alea und drehte sich komplett auf seinem Sitz um. Lasterbalk fragte sich, ob er nicht einfach zu Herb gehen und die Beiden das alleine austragen lassen sollte, aber auch der Busfahrer warf, wenn der Verkehr es erlaubte, immer wieder neugierige Blicke nach hinten.

„Wir sind zwei erwachsene Männer in einer Beziehung, da sollte man meinen, dass man ordentlich und gescheit miteinander umgehen kann." Sofort war Allen klar, dass er genau das Falsche gesagt hatte. Denn wenn Blicke töten könnten, wäre Alea wohl spätestens jetzt tot vom Sitz gefallen.

„Erzähl DU mir nichts von gescheitem Umgang miteinander. Wer von uns Beiden war es denn, der seine Zunge in fremde Hälse gesteckt hat und seine Hände nicht bei sich lassen konnte? Du oder ich?" Jetzt war die Katze aus dem Sack und die Stimmung im Bus erreichte ihren Tiefpunkt.

Fassungslos und entsetzt blickten die mehr oder weniger Unbeteiligten auf den Sänger, der leichenblass im Gesicht geworden war. Auch seine Augen waren vor Entsetzen geweitet und obendrein war er auch noch sprachlos. Eine seltene Kombination.

Derweil vibrierte Luzi förmlich vor angestauter Wut. „Und dann ERDREISTEST du dich auch noch, den Unschuldigen zu spielen. Denkst du eigentlich ich bin blöd? Sag mir doch, wenn ich dir nicht genug bin, oder wenn du lieber 'ne verdammte Frau vögeln willst, dann können wir es nämlich hier und jetzt beenden."

Das einzige was zu hören war, war das Brummen des Motors und die Reifen auf dem Asphalt. Ab und zu konnte man auch noch hören, wie Herb einen anderen Gang einlegte, aber ansonsten herrschte Totenstille.

„L...Luzi", geschockt von der Tatsache, wie der Kleinere gerade reagierte und von seinen Worten, war das erst einmal Alles, was Alea herausbrachte.

Gemeinsam EinsamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt