10. Als Spielmänner geboren

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Jenny liebte ihr Geburtstagsgeschenk über Alles. Luzi und Alea hatten lange überlegt, was sie der Kleinen denn schenken sollten. Rebecca und ihr Mann waren dabei auch keine große Hilfe gewesen, sie selbst hatten ja immerhin einen Wunschzettel bekommen und hatten diesen auch an Nicole weitergegeben, aber das hatte den beiden Spielmännern nicht viel gebracht, denn sie hatten die Liste nie zu Gesicht bekommen.

Am Ende war es Alea gewesen, der scherzhaft gesagt hatte, dass sie ihr doch eine Blockflöte holen könnten, um ihre Karriere als Spielfrau zu beginnen. Zu seiner Überraschung, war Luzi sofort Feuer und Flamme gewesen. Und tatsächlich, Jenny war mindestens genauso begeistert von dem Instrument und dem dazu gehörigen Lernbüchern, die der Dudelsackspieler aufgetrieben hatte. Sie waren natürlich Altersgerecht gehalten.

„Oje, was habt ihr uns da nur angetan?" lachte Rebecca und die anderen Gäste stimmten mit ein, als Jenny das Instrument ausprobierte. Die Töne waren schief – war zu erwarten – aber sie war trotzdem stolz und begeistert.

„Ich sehe schon, wie meine Enkelin in ein paar Jahren mit euch umher zieht", gab Nicole von sich.

„Keine Sorge Mama, wir sind eine reine Männerband", er zwinkerte ihr zu.

„Denkst du, dass wird sie aufhalten?"

„Ich fürchte nicht", lachte er.

„Nur fürs Protokoll, es war Aleas Idee", jetzt fiel Luzi ihm auch noch in den Rücken. Entrüstet drehte er sich zu dem kleineren Spielmann, der bequem auf der Couch rumlümmelte. Er hatte ein fieses Grinsen aufgesetzt und sah ihn herausfordernd an.

„Na vielen Dank auch", er konnte der Versuchung nicht widerstehen und pikste den Dudelsackspieler, sodass er quietschte und auf einmal Kerzengerade neben ihm saß. Alle lachten.

Jenny war nun auch wieder auf die beiden Spielmänner aufmerksam geworden. Lachend und mit der Holzflöte in der Hand, kam sie auf Luzi zu und wollte von ihm hochgehoben werden. Dieser ließ sich das natürlich nicht zweimal sagen. Sie hielt ihm da Instrument hin und sah ihn erwartungsvoll an.

„Du pustest, ich spiele", bot er ihr an und die kleine Blondine nickte eifrig.

Kurz überlegte das L, nickte seiner reizenden Assistentin dann zu. Brav nahm sie Platz, mit ihrem Rücken gegen seine Brust. Luzi hatte die Arme um sie gelegt und hielt das Instrument. Er legte die Finger auf die betreffenden Löcher und schließlich spielten sie – mehr oder weniger gut – Happy Birthday. Die Erwachsenen stimmten natürlich mit ein.

Am Ende klatschten sie alle begeistert und Jenny sah zu dem Kleinen L hinauf, mit einem strahlenden Lächeln. Ja, sie hatten tatsächlich für Spielmannsnachwuchs gesorgt. Luzi war stolz auf sich.

„Klasse gemacht", lobte er die Kleine, die sich eng an ihn schmiegte. Ihre Freunde waren fast alle abgeholt worden, es war ja auch schon recht spät und auch Jenny gähnte herzhaft und schloss dann die Augen.

„Na komm Maus, ich bring dich ins Bett, du kannst später nochmal aufstehen", sagte ihr Vater sanft.

„Will nicht", sagte sich und krallte sich fester in das Shirt des hilflosen Dudelsackspielers.

Die beiden Eltern tauschten einen leidenden Blick. „Jenny..."

„Nein!"

„Hey Prinzessin", Luzi wollte sein Glück auch mal probieren, „Ich hab meinen Dudelsack dabei... hör auf deine Eltern und ich spiele dir später wieder was vor, wenn du willst."

Müde Augen blickten von unten zu ihm hinauf. „Versprochen?"

„Spielmanns Ehrenwort!" er legte seine Hand auf seine Brust, dort wo sein Herz saß.

„Okay", sie gähnte und ließ von ihm ab, sodass ihr Vater sie hochheben konnte. Erleichtert, atmete dieser auf und auch Rebecca blickte dankend auf das Kleine L.

„Katastrophe nochmal abgewendet... kann man dich buchen?" sie lachte.

„Der Weg ist leider ein bisschen weit", er zuckte entschuldigend mit den Schultern.

„Wir könnten Skypen", schlug Alea vor, der seinen Arm auf die Rückenlehne hinter Luzi gelegt hatte.

„Ich glaube, da reden wir nochmal drüber", Rebecca zwinkerte ihnen zu und schon verlief das Gespräch in eine andere Richtung.

Zwei Stunden später war Jenny wieder relativ munter und auf den Beinen. Ihre letzte Freundin war vor ungefähr einer halben Stunde von ihrer Mutter abgeholt worden. Die beiden Mädchen hatten zusammen in einem Bett geschlafen, aber das war ja auch zu erwarten, bei so einem anstrengenden Tag.

Schnell war Luzis Dudelsack gestimmt und schon begann das kleine Konzert. Alea sang tatkräftig mit und tanzte hin und wieder mit dem kleinen Wirbelwind. Aus den Augenwinkeln bemerkte das L, dass Daniel ihn mal wieder beobachtete. Er hatte heute keinerlei Kontakt gesucht oder aufgebaut. Auf der einen Seite war Luzi erleichtert und froh darüber, aber trotzdem hatte er bei dem Gedanken ein flaues Gefühl im Magen.

Die Anwesenden ließen ein lautes und begeistertes Klatschen vernehmen, nachdem Luzi seine Aufführung beendet hatte. Irgendwie hatte er gerade ein Déjà-vu.

„Wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich mich mal nach draußen entschuldigen und Eine rauchen", sagte er zu Rebecca.

„Hat dir das mein Bruder etwa noch nicht abgewöhnt?" sie klang belustigt. „Du kannst in den Garten gehen, da steht auch ein Aschenbecher."

„Danke", er nickte seinem Freund zu und zeigte ihm, dass er mal eben draußen war und verschwand dann an die frische Abendluft. Sie sollten auch bald nach Hause fahren, denn hier übernachten, wollte Luzi nicht. Er hatte zwar nichts gegen Aleas Schwester und ihren Mann, aber es musste trotzdem nicht sein. Außerdem wollte er seine Katzen auch nicht allzu lange alleine lassen. Wahrscheinlich hatte Herr Hoffmann schon kurz nach ihnen gesehen – auch er besaß einen Schlüssel zu Luzis Wohnung, aber auch nur, da der Rotschopf zu Beginn Angst gehabt hatte, er könne irgendwann mal seinen Schlüssel verlieren oder vergessen – trotzdem wollte er in seine vertrauten vier Wände. Das und er wollte kein Bett mit seinem Freund teilen. Nicht nach der Aktion, die sich der Braunhaarige geleistet hatte. Dafür war er noch nicht bereit, jedenfalls im Moment nicht. Er brauchte einfach noch ein bisschen mehr Zeit, das war Alles.

Er zog noch einmal an seiner Zigarette und drückte sie dann im Aschenbecher aus. Er richtete den Kragen seines burgundroten Hemdes – seine Mutter hatte es ihm mal geschenkt – strich sich durch die Haare und nickte dann. Jetzt hieß es wohl wieder zurück in die Höhle des Löwen, beziehungsweise der kleinen Prinzessin namens Jenny. Ein kleines Grinsen schlich sich trotz allem auf sein Gesicht. Die Kleine war ihm schon sehr ans Herz gewachsen, das musste er zugeben.

„Na... Luzi", ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihm. Der kleine Rotschopf drehte sich abrupt um und fand sich auf einmal Daniel gegenüber wieder.

Gemeinsam EinsamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt