6. In deiner Hand liegt meine Welt

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Alea hatte äußerst schlecht geschlafen. Nicht nur hatten ihn schlimme Albträume und seltsame, verschwommene Bilder geplagt und stundenlang wach gehalten, auch hatte ihm der zierliche Körper seines Geliebten gefehlt. Es war doch sehr seltsam gewesen, ohne die vertraute Wärme, die immer von Luzi ausging, einzuschlafen. Er vermisste sogar die kalten Füße, die der Rotschopf immer hatte und die er meistens dreist an seinen Beinen wärmte.

Der Sänger streckte sich einmal ausgiebig, wobei er darauf achten musste, dass er nicht Maia trat. Luzis Katzendame hatte es sich letzte Nacht nämlich zu seinen Füßen gemütlich gemacht. Luzis Kater hingegen hatte es vorgezogen den Kratzbaum in Beschlag zu nehmen und ihn von dort aus zu beobachten.

Alea gähnte herzhaft und schob die Decke beiseite. Im Vorbeigehen kraulte er sowohl Maia, als auch den schläfrigen Muffi – er konnte es immer noch nicht fassen, dass Luzi seine Haustiere nach Zeichentrickfiguren benannt hatte – und stiefelte dann lautlos in die Küche. Normalerweise hätte er sich jetzt ordentlich angezogen und wäre Joggen gegangen, aber er hatte gestern einen Plan geschmiedet, wie er hoffentlich wieder Luzis Gunst gewinnen konnte, oder zumindest einen kleinen Teil davon.

Er wollte dem Kleinen L zunächst ein selbstgemachtes Frühstück präsentieren. Einfach sollte es sein – es durfte sein Können ja nicht übersteigen – aber trotzdem lecker. Er durchwühlte gerade die Küchenschränke nach Zutaten, da kam ihm eine gute Idee. Er hatte früher öfters Süße Spiegeleier mit seiner Mutter zusammen gemacht und da er wusste, dass Luzi auf süße Sachen stand, war das die Idee schlecht hin. Er kannte sogar noch das Rezept auswendig und allzu schwierig und aufwendig war es auch nicht. Gesagt, getan und schon fing der Braunhaarige mit den roten Akzenten im Haar damit an, seine – wie er fand – geniale Idee umzusetzen.

Den Teig für das Teilchen hatte er schon fertig angerührt und war gerade an dem Belag am Werkeln, als die beiden Katzen zu ihm stießen und sich um seine nackten Füße schlängelten. Ein leichtes Grinsen schlich sich auf sein Gesicht, Alea liebte Tiere und auch Luzis Katzen waren da keine Ausnahme.

„Na, hungrig?" fragte er. Und fast so, als hätte er ihn verstanden, setzte sich Muffi brav hin und schaute ihn erwartungsvoll an. Maia hingegen miaute einmal leise und schlug mit ihrer Tatze liebevoll nach seinem Hosenbein.

„Alles klar", lachte er. Es war sogar schon einige Male vorgekommen, dass die Beiden Stubentiger ihn und Luzi früh morgens geweckt hatten. Meistens dann, wenn sie vergessen hatten, die Türe zu zumachen. Nachdem sie dann ihr Futter erhalten hatten, waren sie glücklich gewesen. Das Kleine L hingegen, war dann jedes Mal äußerst mürrisch und hatte sich wieder hingelegt um weiter zu schlafen. Er war eben ein kleiner Morgenmuffel, was Alea eigentlich ganz amüsant und süß fand.

Schnell war das Katzenfutter gefunden – Luzi bewahrte es in einem separaten Schrank in der Küche auf – die Dosen geöffnet und das Futter auf die beiden Näpfe verteilt. Alea war darauf bedacht, dem etwas molligen Kater weniger zu geben, so hatte das L es ihm erklärt. Er gab ihnen noch rasch frisches Wasser und wandte sich dann seinem Projekt zu, natürlich erst nachdem er sich die Hände gewaschen hatte.

Alea war zufrieden mit sich und auch ein wenig stolz. Sein Vorhaben war ihm gelungen, die Küche war nicht in ein Schlachtfeld verwandelt worden – ein wenig Chaos herrschte schon, aber nichts, was er nicht wieder locker in den Griff kriegen konnte – und nun musste er nur zwanzig Minuten warten, bis die Teilchen fertig waren.

In der Zeit fing er an zu spülen und die Spülmaschine anzuschmeißen. Glücklicherweise, hatte er seinen Handywecker gestellt und verpasste deswegen auch nicht den Zeitpunkt, an dem er die süßen und mit viel Liebe zubereiteten Spiegeleier aus dem Ofen holen musste.

Aber, wie das Schicksal nun mal so war, hatte er sich auch prompt verbrannt. Fluchend, hielt Alea seine Hand unter dem kühlen Wasserstrahl, in der Hoffnung, dass er das Schlimmste abwenden konnte. Er hatte nämlich keine Lust auf eine Brandblase, vor allem nicht an den Fingern.

„Was zu Hölle machst du da?"

Der Sänger fuhr zusammen und drehte sich etwas zu schnell zu Luzi um, der in der Tür stand und ihn kritisch musterte. „Musst du mich so erschrecken?" es war eine rhetorische Frage, weswegen er auch keine Antwort erhielt. „Ich hab Frühstück gemacht", sagte er dann stolz. Zwar hatte er gehofft, Luzi mit einem Essen im Bett zu überraschen, aber immerhin hatte er ihn überhaupt überrascht.

Der Rotschopf hob skeptisch eine Augenbraue. „Und das ohne Feueralarm?" fragte er nach.

Das Lächeln schwand aus Aleas Gesicht. „Ja", gab er kleinlaut von sich.

Ein schelmisches Grinsen machte sich auf dem Gesicht des noch recht verschlafenen Rotschopfes breit. „Ich bin beeindruckt." Er klang ehrlich und schlagartig besserte sich auch wieder die Stimmung des Größeren.

Eine unangenehme Stille breitete sich daraufhin zwischen den Beiden aus. Alea war etwas ratlos, was er jetzt tun oder sagen sollte, deswegen stellte er zunächst einmal das laufende Wasser ab – er dachte dabei nicht nur an Luzis Wasserrechnung, sondern auch an die Umwelt – und fasste dann all seinen Mut zusammen und schritt langsam und bedächtig auf den fehl am Platz wirkenden Kleineren zu.

Blaue Augen trafen auf Dunkelbraune. Alea achtete auf jede noch so kleine Reaktion seines Gegenübers, während er sich ihm langsam näherte und sich dann runter beugte um einen flüchtigen Kuss auf seine Wange zu pressen. Wie schon am Vortag, ließ Luzi das zu, aber es gab auch kein Zeichen, dass er das gemocht hatte.

„Guten Morgen", nuschelte Alea peinlich berührt. „Willst du Kaffee?" fragte er behutsam.

„Gerne", antwortete Luzi und setzte sich an den Küchentisch, von dem aus er den doch schon recht aktiven Sänger gut im Blick hatte.

Derweil machte sich Alea an der Kaffeemaschine zu schaffen. Das heiße Gebräu hatte er zwischendurch durchlaufen lassen und er selbst hatte sich auch schon eine Tasse gegönnt. Gut, dass Luzi ihm die Kunst des Kaffeekochens beigebracht hatte. So konnte er seinem Liebsten jetzt wenigstens einen kleinen Teil zurückgeben.

Die Tasse landete vor Luzi und Alea nahm ebenfalls an dem Tisch Platz, wobei er dabei recht steif wirkte. Die beiden Katzen waren – nun, da ihr Herrschen sich auch blicken gelassen hatte – wieder in die Küche gekommen und streunten um ihre Beine herum.

„Na ihr", grüßte Luzi seine Vierbeiner. Es stimmte den Sänger traurig, dass Luzi herzlicher zu den Stubentigern war, als zu ihm. Andererseits, was sollte er Anderes erwarten? Wenn er die ganze Angelegenheit aus der Sicht seines Freundes betrachtete, hatte er Glück, dass er überhaupt noch hier sein durfte. „Hunger?" fragte der Rotschopf die Katzen.

„Ich habe ihnen schon was gegeben", nuschelte Alea verlegen.

Überrascht blickte Luzi zu seinem Tischgenossen. „Oh, danke", murmelte er und wandte sich dann wieder Maia zu, die seine volle Aufmerksamkeit einforderte.

„Und wie sieht es mit dir aus, hast DU schon Hunger?" wollte Alea wissen.

Luzi schnitt eine Grimasse. „Lass mich erst mal richtig wach werden, ja?"

Alea nickte. Luzi brauchte immer etwas länger um wach und richtig ansprechbar zu werden. Es dauerte auch immer eine Weile, bis er dazu bereit war, etwas Essbares aufzuspüren und zu essen. Eigentlich wollte der Sänger seinen Kollege jetzt erst einmal in Ruhe lassen, aber eine Frage brannte ihm noch auf der Zunge: „Hast du heute eigentlich schon irgendetwas geplant?"

„Nur den üblichen Haushalt, wieso?" kam auch direkt die misstrauische Gegenfrage. So war er ihm gegenüber noch nie gewesen.

Alea biss sich auf die Lippe und zwang sich seinen Geliebten weiter anzusehen. Es war schwerer als gedacht. „Ich wollte fragen, also... hättest du Lust, mit mir heute Nachmittag in den Park zu gehen?" Das Wetter sollte schön werden und er hoffte inständig, dass ein Tapetenwechsel beziehungsweise die warmen Sonnenstrahlen und frische Luft ihnen beiden gut tun würde.

„Mal sehen", antwortete Luzi schlicht. Es war weder ein 'ja', noch ein ‚nein', Alea würde ihn später einfach nochmal fragen. Die Hoffnung starb ja bekanntlich zuletzt.

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