16. Wer mit uns zieht, dem wird alles gegeben

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Eine entspannte Stimmung herrschte in der Wohnung des rothaarigen Brillenträgers, wie schon seit Längerem nicht mehr. Es waren nun ein paar Tage vergangen, in denen sich das Paar wieder näher gekommen war.

Der Dudelsackspieler lümmelte auf der großen Couch herum und ein gewisser anderer Spielmann lag zwischen seinen Beinen und halb auf seiner Brust. Und während Luzi ein Buch las und mit seiner freien Hand durch lange Haarsträhnen fuhr, genoss Alea die Aufmerksamkeit, knabberte an einem vom Frühstück übrig gebliebenen Croissant – komplett selbstgebacken und das mit viel Spaß und Eifer – und spielte mit dem Lesezeichen, dass er Luzi frech stibitzt hatte. Nicht, dass das den Kleineren in irgendeiner Weise gestört hätte. Im Gegenteil, dann wusste er wenigstens, wo das Teil war. Er hatte nämlich das Talent, die kleinen Papierrechtecke ständig zu verlegen.

Mit einem fragenden Blick, hielt der Sänger seinem Ersatzkissen den Croissant hin, dieser schüttelte aber verneinend und amüsiert den Kopf, er wollte nichts mehr essen. Alea war das nur recht, dann blieb eben mehr für ihn übrig. Er musste nur aufpassen, sich und Luzi nicht allzu sehr voll zu krümeln. Dann hätten sie sich das gemeinsame Bad auch schenken können.

Andererseits war es auch sehr schön gewesen. Entschleunigend hatte es in ihrem doch häufig stressigen Alltag gewirkt. Gemeinsam hatten sie in der Badewanne gesessen – Luzis Wohnung war zwar relativ klein, aber immerhin hatte er sowohl eine Badewanne, als auch eine Dusche – sich gegenseitig eingeschäumt und ganz viel gekuschelt und liebkost. Mehr war nicht passiert, dazu waren sie Beide einfach nicht in der Stimmung gewesen. Aber das war ja auch nicht schlimm, man konnte sich ja auf verschieden Arten lieben.

Die Ruhe wurde plötzlich von dem schrillen Ton von Luzis Klingel gestört. Verwirrt tauschten die beiden Spielmänner Blicke aus.

„Erwartest du Jemanden?" wollte Alea wissen.

„Nein." Er hatte seine Stirn in Falten gelegt.

Erneut schellte es. Wortlos überreichte Alea das Lesezeichen an seinen Freund und stand auf um die Wohnungstür zu öffnen und auch noch den Drücker für die Haustüre zu betätigen, als er Niemandem im Treppenhaus sah. Er verweilte einen Augenblick im Türrahmen, doch dann hörte er einige vertraute Stimmen. Mit dem Wissen wer sie da besuchte, ging er wieder zurück zu seinem Geliebten und kuschelte sich erneut an Luzi, in der gleichen Position wie eben.

„Wer war es?"

„Ach, nur ein paar Spielleute", er zuckte mit den Schultern, aber seine Augen funkelten schelmisch.

„Hast du sie draußen stehen lassen?" er klang fassungslos.

„Natürlich nicht", entgegnete der Braunhaarige entrüstet. „Aber ich hatte keine Lust zu warten, bis sie das Treppenhaus hinaufgestiegen sind. Die Wohnungstür habe ich aufgelassen."

„Du bist mir Einer", seufzte Luzi, aber es war liebevoll gemeint. Alea grinste einfach nur. Es tat gut, wieder so unbeschwert zu sein.

Sie wurden von einem Poltern unterbrochen, das das Eintreffen ihrer Spielmannskollegen ankündigte. Luzi legte das Buch auf Seite, er würde jetzt sowieso nicht mehr zum Lesen kommen, seine Brille legte er aufs Buch. Keine Sekunde später, standen auch schon die restlichen sechs Bandmitglieder im Wohnzimmer und blickten mit unterschiedlichen Mienen auf das Paar hinab. Manche schauten mit Unverständnis auf sie, andere sahen ein wenig angesäuert aus und sonst war da noch Neugier und Skepsis.

„Was verschlägt euch denn hierher?" wollte Luzi wissen und zeitgleich fragte Alea: „Was ist los?"

„Wie ‚was ist los'? Wir hatten eine Probe und konnten euch nicht erreichen und bei Alea hat uns Niemand geantwortet und sein Auto war auch nicht da", Lasterbalk hatte das Wort ergriffen. In seinen Augen spiegelte sich die Besorgnis wieder, die er wohl gefühlt hatte.

„Wir hatten schon das Schlimmste befürchtet", ergänzte Falk, der dicht neben dem Bandpapa stand. Sowohl Alea, als auch Luzi, wollten nicht wissen, was genau DAS bedeutete.

„Wir haben's verpennt", nuschelte Alea in seinen Bart und sah peinlich berührt aus. „Entschuldigung."

„Handys waren ausgeschaltet", ergänzte der verlegene Rotschopf, der immer noch als Kissen fungierte.

„Das ist Alles?" erleichtert lachte Lasterbalk auf. Nach dem Streit zwischen dem Paar, hatten sie nichts mehr von den Beiden gehört und die Spielleute hatten sich wirklich sehr große Sorgen gemacht.

„Ja, tut uns leid", entschuldigte sich Luzi. „Wir haben echt nicht mehr dran gedacht... die letzten Tage waren..."

„Anstrengend!" beendete Alea den Satz und sein Kissen nickte zustimmend.

„Also", Jean räusperte sich und sofort war die Aufmerksamkeit Aller auf ihn gerichtet. „Sagt mir, wenn ich das hier falsch interpretiere, aber..." er deutete auf die kuschelnden Männer, „es scheint als wäre Alles wieder in Ordnung zwischen euch."

„Ja, alles wieder gut", begann Luzi. „Es war ein... nennen wir es... ein Missverständnis."

„Es ist eine längere Geschichte", ergänzte der Sänger.

„Die wollen wir aber zu gegebener Zeit hören", stellte Falk fest, die Anderen nickten zustimmend.

„Joah, dann haben wir uns also umsonst Sorgen gemacht und sind auch umsonst hierher gefahren", fasste Till das Geschehene zusammen.

„Kann man so sagen, ja", Alea lachte, auch wenn seine Spielmannskollegen das nicht ganz so lustig fanden.

„Ich würde sagen", Frank trat einen Schritt vor, „Wenn wir schon mal alle hier sind, könntet ihr uns ja wenigstens auf ein Essen einladen." Er hob eine Augenbraue.

„War ja klar, dass du nur mit deinem Magen denkst", stichelte Elsi.

„Aber die Idee ist gut", mischte sich nun Lasterbalk mit ein. „Wir kochen was und machen uns einen netten Abend, ganz in Spielmannsmanier."

„Hört, hört", riefen Jean und Falk wie aus einem Munde.

„Gut, dass wir einkaufen waren", nuschelte das L uns stieß seinen Freund dann sachte von sich runter, sodass er aufstehen konnte.

Den ganzen Abend über beobachteten die Spielleute das Verhalten des Paares. Sie achteten dabei auf jede Kleinigkeit, jede – scheinbar – zufällige Berührung ihrer Hände, jedes eng aneinander vorbeigehen, sowie jeden flüchtigen Kuss den sie tauschten, wenn sie sich unbeobachtet fühlten.

Dabei fiel vor allem dem Bandpapa auf, dass es Alea war, der meistens die Initiative ergriff und Kontakt herstellte. Er schien aber nicht einfach nur die Nähe des Rotschopfes, sondern auch dessen Bestätigung zu suchen. Lasterbalk atmete erleichtert auf. Die Katastrophe war doch nochmal abgewehrt worden, ein Glück. Trotzdem, die Beiden würde er sich bei nächster Gelegenheit zur Brust nehmen und die komplette Geschichte aus ihnen herausquetschen. Das war wohl dringend nötig. Aber nicht heute, die gute Stimmung wollte er nicht ruinieren.

„Hör auf mir die ganze Zeit mein Bier zu klauen!" beschwerte sich gerade Elsi über den werten Herrn Promill. Der Bandpapa schüttelte seinen Kopf und schritt schnell ein, bevor es zwischen den Beiden eskalieren konnte.

Unbemerkt von Allen, hatte Frank seine treue Kamera ausgepackt und war fleißig das Geschehen am Filmen. Da die Saltaten eigentlich Alle schon einiges Intus hatten, war die Stimmung gut und ausgelassen und das Kochen dementsprechend eine Herausforderung für sich. Zufrieden tauschte der Asiate die Speicherkarte gegen eine Leere aus. Wenn das so weiter ginge, dann hatte er bald genug Erpressungsmaterial für die nächsten zwei Jahre.

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